RG, 22.06.1920 - III 68/20
Kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft m. b. H. oder ihr einziger, alle Geschäftsanteile in seiner Hand vereinigender Gesellschafter zur Erfüllung der von ihm persönlich übernommenen Verpflichtung verurteilt werden, einen Dritten an dem Reingewinne der Gesellschaft zu beteiligen?
Tatbestand
In der notariellen Urkunde vom 3. März 1915, in welcher der Beklagte sich als alleinigen Gesellschafter
a) der Elektrizitätsgesellschaft G. m. b. H.,
b) der St-.Gesellschaft m. b. H.,
c) der M-Gesellschaft m. b. H., ferner
d) als alleinigen Inhaber der Elektrotechnischen Fabrik S. & Co., und
e) als Geschäftsführer der Gr.-Gesellschaft m. b. H.
bezeichnete, erklärten die Parteien, daß der Kläger zum Geschäftsführer der Gesellschaft zu a und zum Prokuristen der Firma zu d bestellt worden sei und zugleich als Vertrauensmann und Stellvertreter des Beklagten für dessen sämtliche vorerwähnten Unternehmungen figuriere.
Dem Kläger wurde neben einem festen Gehalt eine Beteiligung am Reingewinne der genannten 5 Unternehmungen zugesagt. Der Vertrag sollte für die Dauer von 10 Jahren gelten. Der Beklagte kündigte ihn jedoch am 10. Februar 1917 fristlos. Der Kläger hält seine vorzeitige Entlassung für unbegründet und verlangte klagend Rechnungslegung hinsichtlich des ihm zukommenden Gewinns, sowie fortlaufende Gehaltszahlung vom 1. Januar 1917 ab. Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 1357,14 M nebst Zinsen; wies aber im übrigen die Klage ab. Im zweiten Rechtszuge stellte der Kläger den Hilfsantrag, ihm die Bilanzen der 5 Geschäftunternehmungen für die Zeit seit dem 15. Februar 1915 vorzulegen und die Einsicht der Geschäftspapiere, Geschäftsbücher und Inventuren behufs Nachprüfung der Bilanzen zu gestatten. Das Kammergericht gab dem Hilfsantrage für die Zeit vom 15. Februar 1915 bis zum 10. Februar 1917 mit der Maßgabe statt, daß die Einsicht in die Geschäftspapiere usw. nur so weit zu gestatten sei, als sie zur Prüfung der Bilanzen erforderlich ist. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Gründe
... "Die Revision rügt, daß das Kammergericht den Beklagten persönlich zur Vorlegung der Bilanzen der zu a bis c und e genannten 4 Gesellschaften m. b. H. verurteilt habe, obschon es einerseits anerkenne, daß er ein von ihnen verschiedenes Rechtssubjekt sei und es anderseits dahingestellt lasse, ob er sie gesetzlich vertrete oder nicht. Es ist zuzugeben, daß die Ausführungen des Berufungsrichters hinsichtlich der Einlassungspflicht des Beklagten nicht schlüssig sind, im Endergebnis ist ihm jedoch beizutreten. Nicht zu billigen ist freilich die Annahme, daß der Kläger Angestellter auch der Gesellschaften zu b, c und e gewesen sei. Ihr steht der klare Wortlaut des § 1 des Vertrags entgegen. Danach war der Kläger zwar zum Geschäftsführer der Gesellschaft zu a und zum Prokuristen der Firma zu d, im übrigen aber nur zum Vertrauensmann und Stellvertreter des Beklagten bestellt worden. Zwischen den Gesellschaften zu b, c und e einerseits und dem Kläger anderseits sollte also kein Dienstverhältnis begründet werden. Ihnen gegenüber sollte er nur berechtigt sein, als Vertrauensmann und Bevollmächtigter des Beklagten aufzutreten, so daß dieser insoweit persönlich als Vertragsgegner des Klägers anzusehen ist. Hat der Beklagte aber für seine Person dem Kläger einen Teil des Reingewinns der zuletzt erwähnten 3 Gesellschaften. also vielleicht etwas, wozu er von ihnen nicht ermächtigt war, versprochen, so steht nichts im Wege, daß er auf Erfüllung dieses Versprechens, das nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch die Verpflichtung zur Verschaffung der Möglichkeit einer Nachprüfung des festgesetzten Reingewinns in sich schließt, im Prozeßweg in Anspruch genommen werden kann. Denn ebenso wie bei dem Verkauf einer dem Verkäufer nicht gehörigen Sache oder eines ihm nicht zustehenden Rechts die Verurteilung des Verkäufers zur Verschaffung des Sacheigentums oder des Rechts zulässig ist, solange die objektive Erfüllungsunmöglichkeit nicht feststeht (vgl. RGZ. Bd. 81 S.61, Bd. 86 S. 213, Bd. 54 S.28). war das Prozeßgericht unter der gleichen Voraussetzung auch hier nicht gehindert, den Beklagten zu denjenigen von ihm persönlich übernommenen Leistungen oder Handlungen zu verurteilen, die nur mit Zustimmung Dritter, der 3 Gesellschaften m. b. H., erfolgen oder vorgenommen werden können. Was nun das von der Revision behauptete Unvermögen des Beklagten, das Versprochene zu erfüllen, anlangt, so ist es zwar richtig, daß er und die 4 Gesellschaften m. b. H. verschiedene Rechtssubjekte bilden. Der Richter hat aber vor der juristischen Konstruktion die Wirklichkeiten des Lebens und die Macht der Tatsachen zu berücksichtigen, und von diesen Gesichtspunkten aus ist die Verurteilung des Beklagten nicht zu beanstanden. Denn nach dem unbestrittenen Inhalte des § 1 des Vertrags ist er Geschäftsführer der Gesellschaft zu e und Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile der übrigen Gesellschaften m. b. H. Auch in dieser letzteren Eigenschaft ist sein Einfluß auf die Geschäftsführung groß genug, um die Auszahlung des dem Kläger zugesagten Gewinnanteils durchzuführen. Denn soweit er die Rechte der Gesellschafterversammlung in seiner Person vereinigt, ist er jederzeit in der Lage, einen ihm widerstrebenden Geschäftsführer - notfalls unter Aufsichnahme von Schadensersatzansprüchen - zu entlassen und durch einen gefügigeren Nachfolger zu ersetzen (§ 46 Nr. 5 GmbHG).
Da der Beklagte, wie der Berufungsrichter in rechtlich durchaus möglicher Auslegung des Vertrags weiter feststellt, die Verpflichtung, den Kläger auch an dem Reingewinn der Gesellschaft zu a zu beteiligen - trotz der Bestellung des letzteren zu deren Geschäftsführer - gleichfalls für seine eigene Person eingegangen ist und damit auch in dieser Beziehung die Gewähr für seine Leistungsfähigkeit übernommen hat, so muß er dem Kläger auch die Unterlagen zur Nachprüfung des Reingewinns dieser Gesellschaft m. b. H. liefern. Daß er die gleiche Verpflichtung auch hinsichtlich des Anteils des Klägers an dem Gewinn der Firma zu d hat, unterliegt, da er jetzt deren Alleininhaber ist, keinem Bedenken. Der Hilfsantrag des Klägers ist daher für die Zeit, für welche das Dienstverhältnis unstreitig bestand, hinsichtlich der Bilanzen usw. aller 5 Unternehmungen mit Recht für begründet erachtet. Richtig ist freilich, daß der Kläger, wie die Revision geltend macht, die Vorlegung nur von Jahres- und nicht von Zwischenbilanzen verlangen kann. Das Urteil ist aber auch nur dahin aufzufassen, daß der Beklagte diejenigen Jahresbilanzen vorlegen soll, welche den Zeitraum vom 15. Februar 1915 bis zum 10. Februar 1917 mitumfassen."