RG, 26.11.1920 - VII 236/20
Zu verschiedenen Fragen aus dem Gebiete des Pfandrechts an Rechten, namentlich an dem Geschäftsanteil einer Gesellschaft m. b. H.
Tatbestand
Der Kläger und sein inzwischen verstorbener Bruder Alfred hatten ihre Geschäftsanteile an der Gesellschaft m. b. H. K. und H. in W., die auf 104250 und 106800 M lauteten, der Koburgisch-Gothaischen Bank in Gotha für eine Privatschuld von zuletzt 96690,15 M verpfändet. Nach den Geschäftsbedingungen sollte das Pfand bei Verzug des Schuldners ohne gerichtliches Verfahren verkauft werden können. Durch Abtretungen gelangte die Forderung an die Beklagte. Sie kündigte die Schuld zum 25. Juli 1919, erhielt das Geld aber erst am 30. und 31. Juli 1919. Sie behauptet, daß sie schon vor Empfang der - deshalb nur unter Vorbehalt angenommenen - Zahlung die Geschäftsanteile für 99416,48 M, den damaligen Betrag der Forderung, an ihren Generaldirektor S. veräußert, sie alsbald aber wieder zurückerworben habe. Die Rechtsbeistände des Klägers, die hiervon jedenfalls nichts wußten, teilten dem Generaldirektor S. unter dem 31. Juli und 4. August 1919 mit, daß die Schuld beglichen, das Pfandrecht erloschen, ein Verkauf nicht mehr zulässig sei. Gleichwohl ließ die Beklagte die Geschäftsanteile am 16, August 1919 durch den Notar Dr. B. als Pfänder öffentlich versteigern. Sie erwarb sie selbst für 90000 M. Der Kläger schied daraufhin aus dem Aufsichtsrate der Gesellschaft m. b. H. aus, und am 19. September 1919 beschloß dieser, den Grundbesitz der Gesellschaft an die Beklagte zu veräußern. Am 8. Oktober 1919 fand die Auflassung statt.
Mit der gegenwärtigen Klage fordert der Kläger, auf den die Rechte seines Bruders durch Abtretung übergegangen sind, u. a. Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Verkaufs an S. und der Versteigerung. Feststellung, daß der Kläger unbeschränkter Inhaber der Geschäftsanteile sei, die Beklagte aber nicht berechtigt gewesen sei, Gesellschafterrechte auszuüben. Feststellung, daß die Beklagte dem Kläger allen Schaden ersetzen müsse, der durch die Versteigerung der Geschäftsanteile und die Ausübung von Gesellschafterrechten durch die Beklagte entstanden sei, hilfsweise endlich Verurteilung der Beklagten, die Geschäftsanteile dem Kläger zurückabzutreten. Das Landgericht stellte fest, daß die Veräußerung der Geschäftsanteile an den Generaldirektor S. rechtsunwirksam gewesen sei, und verurteilte die Beklagte weiter, die in der Versteigerung erworbenen Geschäftsanteile an den Kläger zurückabzutreten und ihm allen Schaden zu ersetzen, der durch die Versteigerung der Anteile und die Ausübung von Gesellschafterrechten durch die Geklagte entstanden sei und noch entstehe. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten und die Anschließung des Klägers festgestellt, daß die Beklagte nie berechtigt gewesen sei, Gesellschafterrechte auszuüben, daß der Kläger alleinberechtigter Gesellschafter zu den streitigen Anteilen sei und die Beklagte ihm allen Schaden zu ersetzen habe, der durch die Versteigerung der Geschäftsanteile und durch die Ausübung der Gesellschafterrechte von seiten der Beklagten entstanden sei und noch entstehe. Im übrigen hat das Berufungsgericht die oben wiedergegebenen Klaganträge abgewiesen. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Gründe
Da der Kläger sämtliche Rechte seines verstorbenen Bruders durch Abtretung erworben hat, so wird im folgenden der Kürze halber immer nur vom Kläger allein gesprochen, auch da, wo er noch zusammen mit seinem Bruder handelnd aufgetreten ist.
Das Oberlandesgericht erblickt in dem Geschäftsanteil an einer Gesellschaft m. b. H. ein verpfändbares Recht im Sinne des § 1273 BGB. und nimmt an, daß die ursprünglich der Koburgisch-Gothaischen Bank bestellten Pfandrechte bei den Abtretungen der Forderungen mit übergegangen und schließlich an die Beklagte gelangt sind. Den ursprünglich geschlossenen Pfandvertrag hält das Oberlandesgericht nicht in vollem Umfange für gültig, weil die Abrede, daß das Pfand bei Verzug des Schuldners ohne gerichtliches Verfahren verkauft werden dürfe, über die im § 1277 BGB. umschriebenen Grenzen der Vertragsfreiheit hinausgehe; auf die Form der öffentlichen Versteigerung der Pfänder habe vor dem Eintritte der Verkaufsberechtigung von dem Verpfänder nicht verzichtet werden dürfen (§ 1277 Satz 2, § 1245 Abs. 2, § 1235 BGB.). Die Nichtigkeit des ganzen Pfandvertrages hat das Oberlandesgericht deswegen aber nicht angenommen, vielmehr ist es stillschweigend davon ausgegangen, daß der Pfandvertrag ohne die nichtige Klausel abgeschlossen worden wäre, wenn die Vertragsparteien die Nichtigkeit gekannt hätten (§ 139 BGB.). Alles das ist nicht zu beanstanden, es ist auch, soweit es überhaupt der Beklagten ungünstig ist, von der Revision nicht angefochten worden.
Schon von seinem eben gekennzeichneten Standpunkt aus hat das Oberlandesgericht den freihändigen Verkauf der Pfänder, der in der Zeit vom 25. bis 30. Juli 1919 an den Generaldirektor S. stattgefunden haben soll, mit Grund für unrechtmäßig erachtet (§ 1243 Abs. 1 BGB.). Irgendwelche Rechtsfolgen konnte er also nicht auslösen, und das auch dann nicht, wenn S. in gutem Glauben gewesen sein sollte. Die Vorschrift des § 1244 findet allerdings auch auf den Verkauf von verpfändeten Rechten Anwendung, wenn dieser Verkauf durch eine nach § 1277 Satz 1 mögliche besondere Abrede zugelassen ist (RGZ. Bd. 61 S. 330); vorliegend fehlt es aber auch an den Voraussetzungen des § 1244. Auf die freihändig bewirkte Veräußerung eines Pfandes erstreckt sich der Schutz dieser Vorschrift überhaupt nicht. Auf die vom Oberlandesgerichte verneinte Frage, ob die freihändige Veräußerung, wenn sie zulässig gewesen wäre, nach § 15 Abs. 3 GmbHG. der gerichtlichen oder notariellen Form bedurft hätte, braucht bei diesem Ergebnis nicht eingegangen zu werden. Und da S. die Geschäftsanteile selbst nicht erworben hat, so kann auch unerörtert bleiben, ob er sie der Beklagen zurückübertragen hat und in welcher Form das hätte geschehen müssen.
Als der Kläger am 30. und 31. Juli seine Schuld bezahlte, zahlte er zwar an sich zu spät, aber doch noch rechtzeitig genug, um die Schuld zu tilgen und die Pfänder einzulösen. Der Vorbehalt bei Entgegennahme der Zahlung war bedeutungslos. Er hatte nur für den Fall einen Sinn, wenn der Verkauf an S. ein rechtsgültiger Pfandverkauf gewesen wäre, durch dessen Erlös schon damals die Schuld des Klägers getilgt worden wäre. Das traf nach obigem aber nicht zu. Die Forderung der Beklagten wurde also erst durch die Zahlung des Klägers befriedigt, und damit erlosch nach § 1252 BGB. das Pfandrecht. Die Beklagte durfte nunmehr die verpfändeten Gegenstände überhaupt nicht mehr verkaufen. Nur zu seiner Befriedigung darf der Pfandgläubiger den Verkauf vornehmen (§1228 Abs. 1). Eine verpfändete körperliche Sache muß er nach dem Erlöschen des Pfandrechts dem Verpfänder zurückgeben (§ 1223 Abs. 1). Diese nach § 1273 Abs. 2 auf das Pfandrecht an Rechten entsprechend anwendbaren Vorschriften nötigten die Beklagte, die über die Anteile ausgefertigten Scheine zurückzugeben und jeden Eingriff in die Rechte der Anteilseigner zu unterlassen. Der gleichwohl am 16. August 1919 in Form einer öffentlichen Versteigerung vorgenommene Pfandverkauf entbehrte der rechtlichen Unterlage und damit auch der rechtlichen Wirkung, wie sie sonst im § 1242 anerkannt wird. Das Oberlandesgericht will diese Folge aus § 1243 Abs. 1 ableiten. Das ist nicht angängig. Jene Vorschrift setzt voraus, daß ein Pfand verkauft wird, bei dem Verkauf aber wesentliche Verfahrenvorschriften übertreten werden. Die Beklagte hat aber am 16. August kein Pfand verkaufen lassen, weil keins mehr vorhanden war, das hätte verkauft werden können, § 1244 unterscheidet denn auch die beiden Fälle, daß eine Sache als Pfand veräußert wird ohne daß dem Veräußerer ein Pfandrecht zusteht, und daß eine noch als Pfand verhaftete Sache veräußert wird ohne daß den - in § 1243 Abs. 1 aufgeführten - Erfordernissen genügt wird, von denen die Rechtmäßigkeit der Veräußerung abhängt. In beiden Fällen ist die Veräußerung ungültig, vorbehaltlich jedoch der schon oben erwähnten Wirkungen des guten Glaubens.
Diesen guten Glauben nimmt die Beklagte für sich in Anspruch. Da der Pfandverkauf unwirksam ist, weil es an einem Pfandrechte fehlte, so muß sich der gute Glaube auf das Bestehen des Pfandrechts bezogen haben. Das Oberlandesgericht hat der Beklagten den guten Glauben abgesprochen, weil sie wußte, daß sie zur Zeit der Versteigerung keine Forderung an den Kläger mehr hatte, und weil ihr deshalb auch bekannt oder höchstens infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß sie auch kein Pfandrecht mehr hatte. Dagegen wendet sich die Revision in längeren, nicht ganz klaren Ausführungen. Sie will anscheinend sagen, daß die Beklagte wegen der ursprünglichen Verpfändungsbedingungen der Koburgisch-Gothaischen Bank den freihändigen Verkauf an S. für rechtmäßig gehalten und nun auf Grund des Rückerwerbs der Anteile von S. geglaubt habe, "ein Recht" zur Veräußerung der Anteile zu haben. Das Berufungsgericht hat das Gegenteil festgestellt. Soweit die Revision die Tatsachen anders gewürdigt haben will, sind ihre Ausführungen unbeachtlich. Die Rüge, daß die Bedingungen der Bank nicht berücksichtigt seien, ist unbegründet. Sie sind in dem Urteile des Oberlandesgerichts ausführlich besprochen, wenn auch nicht gerade an der Stelle, um die es sich hier handelt. Aber abgesehen davon, das ganze Vorbringen der Revision ist nicht schlüssig. Dasjenige Recht zum Verkauf, an das die Beklagte nach ihrer Darstellung geglaubt hätte, wäre die dem Eigentum an körperlichen Sachen entsprechende Inhaberschaft der Anteile gewesen. Durch diesen Glauben könnte niemals der Glaube an das Bestehen eines Pfandrechts bewiesen werden, und darauf allein kommt es an.
Zur rechtlichen Begründung seines Schadensersatzanspruchs hat der Kläger keine besonderen Ausführungen gemacht. Das Landgericht hat auf § 1243 BGB. das Oberlandesgericht auf § 823 Abs. 1 das. hingewiesen. Der Rechtsauffassung des Landgerichts ist das Oberlandesgericht mit Recht entgegengetreten. Die Vorschrift des § 1243 Abs. 2 - nur auf diese kann sich das Landgericht bezogen haben - betrifft Fälle, in denen der Pfandverkauf an sich rechtmäßig ist und nur gewisse andere Vorschriften über den Pfandverkauf verletzt sind, von denen aber die Rechtmäßigkeit des Pfandverkaufs nicht abhängt. Darum handelt es sich hier nicht. Der vorgenommene Pfandverkauf ist kein solcher und wirkt nicht als solcher, weil zur Zeit des Verlaufs das Pfandrecht nicht mehr bestand. Die eigenen Darlegungen des Oberlandesgerichts halten sich von einem Rechtsirrtum frei und sind namentlich auch darin nicht zu beanstanden, daß der Geschäftsanteil an einer Gesellschaft m. b. H. als ein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1. BGB. erachtet ist (vgl. auch RGZ. Bd. 57 S. 414).
Näher hätte es vielleicht gelegen, den Schadensersatzanspruch als einen Vertragsanspruch anzusehen. Der Kläger stützt ihn darauf, daß die Beklagte gegen vereinbarte Regeln über den Pfandverkauf verstoßen habe; sie habe die in Abweichung von § 1277 BGB. vertragsmäßig zugelassene öffentliche Versteigerung der Pfänder vorgenommen, ohne daß ihre Voraussetzungen noch bestanden hätten. Der weiteren Forderung des Klägers, die Beklagte solle ihm auch den Schaden ersetzen, den sie ihm durch die Ausübung der Gesellschafterrechte seit der Versteigerung zugefügt habe, kommt selbständige Bedeutung nicht zu. Es ist lediglich eine Folge der vorgenommenen Versteigerung, daß ein Dritter in die Lage kam, die Gesellschafterrechte auszuüben. Auch für die hieraus sich ergebenden Schäden muß die Beklagte einstehen, wenn sie überhaupt für die Folgen der Versteigerung haftet. Daß sie selbst es gewesen ist, die in der Versteigerung die Geschäftsanteile erworben und später die Gesellschafterrechte ausgeübt hat, ist dabei nur ein Zufall.
Durch die vorstehenden Bemerkungen erledigen sich bereits im wesentlichen die von der Revision zu dem Schadensersatzanspruch erhobenen Bedenken. Namentlich gilt das von den Ausführungen, daß das Gesellschafterrecht des Klägers als solches durch die Versteigerung der Geschäftsanteile nicht verletzt sein könne, daß eine vielleicht tatsächliche Verhinderung des Klägers, sein Stimmrecht auszuüben, sein Gesellschafterrecht doch unberührt gelassen habe und, wenn die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, abzustimmen, dies nur die Folge haben könne, daß die gefaßten Beschlüsse anfechtbar seien. Alles das kommt nicht in Frage, denn die gesamte Schadensersatzforderung des Klägers wird bereits getragen von der Feststellung, daß die Beklagte die verpfändeten Geschäftsanteile unter Verletzung des § 823 Abs. 1 BGB. oder auch des besonderen Pfandvertrags versteigert hat. ...