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RG, 26.11.1920 - III 282/20

Daten
Fall: 
Begriff der polizeilichen Verfügung
Fundstellen: 
RGZ 101, 24
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
26.11.1920
Aktenzeichen: 
III 282/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Elberfeld
  • OLG Düsseldorf

1. Zum Begriff der polizeilichen Verfügung im Sinne des preußischen Gesetzes über die Zulässigkeit des Rechtswegs in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen vom 11. Mai 1942.
2. Haftung einer Stadtgemeinde wegen öffentlicher Warnung vor einem geschäftlichen Unternehmen.

Tatbestand

Der Kläger stellte Sammelmappen für Lebensmittelkarten und Ausweise her, die ihm durch Gebrauchsmuster geschützt waren, und lieferte sie an Stadtverwaltungen, die die Mappen an die Haushaltungen verteilten, so auch die Beklagte. Am 8. April 1917 erließ der mit der Polizeiverwaltung betraute Beigeordnete der Beklagten in der Zeitung eine Warnung vor dem Unternehmen des Klägers. Dieser verlangte deshalb von der Beklagten Schadensersatz aus Vertrag und unerlaubter Handlung. Das Landgericht erklärte den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Berufung und Revision blieben erfolglos.

Gründe

Das Berufungsgericht lehnt die Annahme einer Vertragshaftung ab und erklärt die Beklagte für eine fahrlässige Amtspflichtverletzung des Beigeordneten nach § 4 des Ges. vom 1. August 1909 in Verb. mit § 839 BGB. für verantwortlich. Dies wird von der Revision mit Unrecht angegriffen. Den auf § 6 des Gesetzes über die Zulässigkeit des Rechtswegs in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen vom 11. Mai 1942 gestützten Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs weist das Berufungsgericht mit der Begründung zurück, daß es sich bei der hier fraglichen Polizeimaßnahme, der Veröffentlichung der Warnung, nicht um einen unmittelbaren, sondern nur um einen mittelbaren Eingriff in den Rechtskreis des Klägers, also nicht um eine polizeiliche Verfügung im Sinne jenes Gesetzes gehandelt habe. Das entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. JW. 1915 S. 932 Nr. 20). Danach kann § 6 a. a. O. in keinem Falle Anwendung finden. Es kann daher auch unentschieden bleiben, ob diese in § 5 des Ges. vom 1. August 1909 für anwendbar erklärte Vorschrift nicht durch die in Art. 131 RVerf. aufgestellten Grundsätze über die Verantwortlichkeit eines Staates oder einer Körperschaft für Amtspflichtverletzungen ihrer Beamten außer Kraft gesetzt worden ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann auch nicht in Zweifel gezogen werden, daß der Beigeordnete die Amtspflicht, bei amtlichen Handlungen die Rechte und Interessen Dritter nicht ohne Not zu beeinträchtigen, fahrlässig verletzt hat. Das Rundschreiben des kommandierenden Generals, das dem Beigeordneten den Anlaß zur Veröffentlichung gab,, hatte diese weder angeordnet noch nahegelegt, sondern nur bemerkt, daß die Mitteilung für die Verwaltungen von Interesse sein dürfte. Bevor also der mit der Polizeiverwaltung betraute Beigeordnete zu einer öffentlichen Bloßstellung des Klägers schritt, mußte er den Sachverhalt selbständig prüfen oder doch mindestens vom Generalkommando nähere Angaben über die vorliegenden Tatsachen und das vorgelegte Material erbitten. Wagte er die Veröffentlichung auf die ganz allgemein gehaltene Mitteilung hin, dann mußte er auch für die Folgen eintreten, wenn die Anschuldigung nicht gerechtfertigt war. Die allgemeine Notwendigkeit eines Einschreitens gegen "Schieber" kann sein Vorgehen nicht rechtfertigen. Die Behandlung des mitwirkenden Verschuldens rechtfertigt sich durch die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Nichtherbeiführung einer Berichtigung nur für die Höhe des Schadens von Einfluß gewesen sei. Danach durfte die Würdigung des bezüglichen Vorbringens, wie geschehen, dem Nachverfahren überlassen werden. Ein Rechtsirrtum ist auch in diesem Punkte nach keiner Richtung ersichtlich.