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RG, 19.11.1920 - II 180/20

Daten
Fall: 
Berechnungsverordnung gegen Preistreiberei
Fundstellen: 
RGZ 100, 235
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.11.1920
Aktenzeichen: 
II 180/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hamburg
  • Oberlandesgericht Hamburg

Findet auf Ausfuhrware die Berechnungsverordnung (BVO) gegen Preistreiberei vom 8. Mal 1918 Anwendung?

Tatbestand

Die Porzellanfabrik C. T. & Co., Aktiengesellschaft in Altwasser, verkaufte eine größere Menge der von ihr hergestellten Hotelporzellanteller an ihre Vertreterin, die Firma R. & Z. in Hamburg, diese sie an die Beklagte, Exportfirma R. H. in Hamburg, "für den Export", die Beklagte sie ebenfalls "für den Export" an die Exportfirma A. D. & Co.

in Hamburg, die Klägerin; die Klägerin endlich verkaufte sie zu einem um etwa 50 % höheren Preis an die Exportfirma Th. Sch. & Co. in Hamburg "für den direkten Export nach der Türkei". Da die Lieferung seitens der Beklagten an die Klägerin sich verzögerte, mahnte diese und stellte Nachfrist, nach deren Ablauf sie den Unterschied ihres Einkaufpreises und des von ihr mit Th. Sch. & Co. vereinbarten Verkaufspreises in Höhe von 15165 M als Schadensersatz klagweise verlangte.

Das Landgericht verurteilte nach dem Klagantrage; das Oberlandesgericht wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg aus nachstehenden Gründen:

Gründe

Es kann dem Berufungsgerichte darin beigetreten werden, daß §19 BVO. über die Preistreiberei vom 8. Mai 1918 seinem Wortlaute nach sich unmittelbar nur auf solche Lieferungsverträge bezieht, die mit dem ausländischen Käufer selbst abgeschlossen worden sind und Lieferungen direkt nach dem Auslande zum Gegenstand haben (vgl. auch Schaefer, Komm. zur BVO. vom 8. Mai 1918 S. 389 Anm. 2). Diese Vorschrift beruht aber auf einem Rechtsgedanken, dessen Bedeutung weiter reicht und der die ganze Verordnung beherrscht. Dies läßt schon die Begründung zu § 19 erkennen, die sagt: "Ein Bedürfnis, ausländische Verbraucher zu schützen, besteht nicht, vielmehr wird es in der Regel den Interessen der deutschen Volkswirtschaft entsprechen, wenn für die ausgeführte Ware ein möglichst hoher Preis erzielt wird." Dem ist hinzuzufügen, daß es ebenso den Interessen deutscher Volkswirtschaft dient, wenn der erzielte hohe Gewinn möglichst vielen deutschen Kaufleuten zufließt, wie es geschieht, wenn sich mehrere Zwischenhändler an der Zuführung der Ware nach dem Auslande beteiligen. Dadurch wird zwar die Ware der Ausfuhr nicht immer auf dem kürzesten Wege näher gebracht und sonach schließlich für den ausländischen Verbraucher verteuert. Dieser Umstand ist aber unwirtschaftlich nur für die ausländische Volkswirtschaft, nicht für die inländische, und eben das ist das Entscheidende. Ein für das deutsche Wirtschaftsleben schädlicher, dem inländischen Verbraucher die Ware verteuernder Kettenhandel liegt nicht vor, wenn diese von vornherein nicht dem inländischen, sondern dem ausländischen Verbraucher zugeführt werden soll. Es läßt sich nicht einmal sagen, daß mittelbar durch die Verteuerung der vom ausländischen Verbraucher zu zahlenden Preise der Markt auch für den inländischen Verbraucher verteuert werde. Denn erfahrungsgemäß wirken die im Ausfuhrhandel für die Exportware geforderten Preise keineswegs ohne weiteres auf den Inlandsmarkt preissteigernd, sondern gehen neben diesem einher. Im Gegenteile wirken hohe Preise für Auslandsware eher wie Ausfuhrzölle und hindern einen zu leichten Abfluß nach dem Auslande zum Nachteile des inländischen Verbrauchers. Wollte man daher die Erzielung hoher Preise vom ausländischen Käufer unterbinden, so würde gerade das Gegenteil von dem erreicht werden, was die ganze Verordnung gegen Preistreiberei anstrebt, nämlich dem inländischen Verbraucher ausreichend Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu angemessenem Preise zu sichern. Deshalb müssen in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 19 der genannten BVO. und gemäß dem der ganzen Verordnung zugrunde liegenden Rechtsgedanken, dem von ihr verfolgten Zwecke, ihre Bestimmungen nicht nur auf die unmittelbar nach dem Auslande stattfindende letzte Lieferung, sondern auch auf die ihr vorausgehenden Geschäftsabschlüsse ohne Anwendung bleiben. Voraussetzung ist freilich, daß die vorausgehenden Geschäftsabschlüsse ausschließlich und ernstlich der Ausfuhr der Ware nach dem Auslande dienen. Sobald auch nur die Möglichkeit offen bleibt, die Ware gegebenenfalls auch an den inländischen Verbraucher abzugeben, würde ein Handeln mit dolus enventualis vorliegen, das die als Kettenhandel anzusehenden vorausgehenden Geschäfte zu unlauteren Machenschaften und daher nach § 134 BGB. nichtig machen würde. Dasselbe gilt selbstverständlich erst recht, wenn die Ware etwa nur zum Schein als Ausfuhrware gehandelt würde, um dadurch die Vorschriften der Preistreibereiverordnung zu umgehen. Das aber ist eine Frage der Beweiswürdigung. Im vorliegenden Falle ist das Geschäft zwischen der ursprünglichen Klägerin und der Beklagten - und nur die Einschiebung der Klägerin als Zwischenhändlerin kommt für die Frage des Kettenhandels und der Nichtigkeit des Kaufes in Betracht, was das Berufungsgericht ebenfalls verkennt - zwischen zwei Exportfirmen abgeschlossen und es ist dabei ausdrücklich die Bedingung "für den Export" gestellt worden. Dadurch würde die Klägerin der Beklagten gegenüber rechtlich verpflichtet, die Ware nicht im Inland abzusetzen und nach dem Ausland entweder selbst abzuführen oder durch weitere Abkäufer abführen zu lassen. Daß diese Verpflichtung nicht ernstlich gewollt gewesen sei, nimmt das Berufungsgericht selbst augenscheinlich nicht an. Jedenfalls fehlt eine dahingehende Feststellung. Dann aber findet die BVO. über die Preistreiberei auf das streitige Kaufgeschäft keine Anwendung und der den Klagegrund bildende Kaufvertrag ist nicht nichtig.