RG, 19.11.1920 - II 195/20

Daten
Fall: 
Ausstattung zum Geschmacksmuster
Fundstellen: 
RGZ 100, 250
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.11.1920
Aktenzeichen: 
II 195/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mainz, Kammer für Handelssachen
  • OLG Darmstadt

1. Verhältnis von Ausstattung zum Geschmacksmuster
2. Ist lediglich das objektive Vorhandensein einer technischen Funktion für den Ausschluß des Ausstattungsschutzes maßgebend, oder kommt es auf die Absicht des Formgebenden an?
3. Ist die Formgebung, soweit sie über die Bedeutung einer technischen Funktion hinausgeht, dem Ausstattungsschutze zugänglich?

Tatbestand

Beide Streitteile stellen seit Jahren trockene Gasmesser her, die sie in Verkehr bringen. Die Gasmesser bestehen aus der inneren Einrichtung, dem eigentlichen Meßapparat, und einem sie umschließenden Gehäuse, das mit der Gasmessung selbst nichts zu tun hat. Die innere Einrichtung der beiderseitigen Gasmesser ist verschieden. Ähnlich sind die beiden Gasmesser in ihrer äußeren Erscheinung, dem Gehäuse. Unstreitig war die Klägerin mit der zurzeit in Betracht kommenden Form der Gehäuse schon jahrelang am Markte, bevor die Beklagte - im Jahre 1909 - ihren Gasmessergehäusen ihre Form gab. Die Klägerin will die derzeitige Form ihrer Gasmessergehäuse als Ausstattungskennzeichen gewählt haben und behauptet, diese Form gelte auch innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen ihrer Gasmesser. Als besondere Eigentümlichkeit der Form und wesentliches Kennzeichen hebt sie namentlich den länglich-viereckigen Grundriß mit nach innen eingebogenen Ecken hervor. Sie findet in der Form der Gasmessergehäuse der Beklagten eine unbefugte Nachahmung der ihre Gasmesser kennzeichnenden Ausstattung und behauptet, die Beklagte begehe diese Nachahmung zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr. Hiergegen nimmt sie den Schutz des § 15 WZG. in Anspruch: Mit der Klage hat sie beantragt: 1. festzustellen, daß die Beklagte zur Täuschung im Handel und Verkehr Gasmesser mit einer Ausstattung, nämlich einer länglichen viereckigen Grundrißform mit nach innen eingebogenen Ecken (welche Ausstattung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Kennzeichen der Gasmesser der Klägerin gelte), ohne deren Genehmigung versehen habe und versehe und solchermaßen gekennzeichnete Gasmesser in den Verkehr bringe und feilhalte; 2. der Beklagten die Fabrikation und den Vertrieb solchermaßen gekennzeichneter Gasmesser zu untersagen; 3. die Beklagte zum Ersatze jedes aus diesem Verhalten der Klägerin entstandenen und noch entstehenden Schadens für verpflichtet zu erklären; 4. bezüglich der im Besitze der Beklagten befindlichen Gasmesser auf Beseitigung der widerrechtlichen Kennzeichen und, wenn die Beseitigung auf andere Weise nicht möglich sei, auf Vernichtung der Gasmesser zu erkennen. In der Folge hat die Klägerin ihren Antrag noch dahin erweitert: der Beklagten zu verbieten, die klägerischen Gasmesser derart nachzuahmen, daß durch Grundrißform, Kannelierung, Aufbau, Farbe und sonstige Ausstattung oder durch einen oder mehrere dieser Bestandteile eine Ähnlichkeit des Gesamtbildes erreicht werde. Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und Widerklage erhoben mit dem Antrage, der Klägerin zu verbieten, die Behauptung aufzustellen, es dürfe mit Rücksicht darauf, daß sie zurzeit einen Prozeß wegen Patentverletzung mit der Beklagten habe, niemand die neuen Messer der Beklagten kaufen, weiterhin zu verbieten, Kauflustige vor dem Kaufe der neuen Messer der Beklagten zu warnen und ihnen für den Fall des Kaufes dieser Messer Schadensersatzklage anzudrohen.

Das Landgericht wies Klage und Widerklage ab. Die Berufung der Klägerin wurde vom Oberlandesgerichte zurückgewiesen. Auch ihre Revision hatte keinen Erfolg.

Gründe

Das Berufungsgericht verneint in erster Linie, daß die dem Gasmessergehäuse der Klägerin gegebene Form als Ausstattung dieses Gehäuses oder des ganzen Gasmessers geschützt sei. Es nimmt zunächst mit dem Landgericht an, daß das Gehäuse nichts Selbständiges sei. Meßapparat und Gehäuse bildeten den Gasmesser, sie gehörten zusammen wie Uhrwerk und Uhrgehäuse, die die Uhr als einheitliche Ware ergeben. Die Gestaltung des Gasmessergehäuses stelle daher die Gestaltung der Ware selbst dar. Nun sei es zwar nicht ausgeschlossen, daß die Gestaltung und Aufmachung der Ware selbst, ihre Form als Ausstattung erscheine; das sei aber dann nicht der Fall, wenn sich die Formgebung als technisch notwendig oder praktisch angemessen ergebe. Die Gestaltung des Gasmessergehäuses der Klägerin stelle sich nun in der Tat nicht nur im allgemeinen, sondern auch insofern als technisch praktisch dar, als die Ecken nach innen eingebogen seien, was die Klägerin gerade als ein ihre Gasmesser kennzeichnendes Merkmal hervorhebe. Die Einbiegung der Ecken erfülle jedenfalls einen technisch praktischen Zweck, da sie, wie von einer Reihe von Sachverständigen bekundet werde, dem Gehäuse eine größere Festigkeit und Widerstandsfähigkeit verleihe. Sie erfülle zugleich, wie nebenbei bemerkt werde, einen ästhetischen Zweck, indem sie dem Gehäuse ein gefälligeres Aussehen gebe. Die Klägerin habe diese Form gerade darum gewählt, weil sie ihr gefällig und geschmackvoll erscheine.

Die Revision macht zum Nachweise der Ausstattungseigenschaft der Gestaltung des Gasmessergehäuses geltend: Die Klägerin habe schon in erster Instanz behauptet, sie habe im Jahre 1895 die Form der Gehäusegrundrisse dahin geändert, daß die Ecken durch einspringende Bogen abgestumpft würden. Es sei dies aus ästhetischen Gründen, vorwiegend aber deswegen geschehen, um dem Fabrikat eine charakterisierende, von anderen Fabrikaten sich unterscheidende Form zu geben, die geeignet gewesen sei, die Gasmesser als Produkt der Klägerin zu kennzeichnen. Die Klägerin stehe, behauptet die Revision weiter, unwiderlegt auf dem Standpunkte, daß sie bei der Wahl der neuen Form an die größere Festigkeit und Widerstandsfähigkeit überhaupt nicht gedacht habe und daß dieser Zweck bei Gasmessern überhaupt ganz in den Hintergrund trete, da sie weder einem inneren noch einem äußeren Drucke ausgesetzt seien. Die Gasmesser ständen still an wenig zugänglichen Stellen. Es beruhe auf einem Mißverständnis der reichsgerichtlichen Entscheidung Bd. 69 S. 31, wenn angenommen werde, der Schutz des § 15 versage schon dann, wenn die gewählte Ausstattung auch praktische und ästhetische Vorzüge besitze, was in der Regel der Fall sein werde.

Diesen Revisionsangriffen war der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung wird durch die Feststellung getragen, daß die charakteristische Besonderheit in der Gestalt des Gasmessergehäuses, die die Klägerin gerade als Kennzeichen ihrer Ware und als Hinweis auf ihre Betriebsstätte in Anspruch nimmt, nämlich die Einbiegung der Ecken, einem technischen Zwecke dient, insofern sie dem ganzen Gehäuse eine größere Festigkeit und Widerstandsfähigkeit verleiht. Diese Feststellung kann nicht mit dem Hinweise darauf beseitigt werden, daß dieser Zweck bei dem Gasmesser ganz in den Hintergrund trete, da sie keinem inneren und äußeren Drucke ausgesetzt seien, überdies still an wenig zugänglichen Stellen stünden. Denn damit wird nur die Richtigkeit der entgegenstehenden Feststellung bestritten, daß die Festigkeit und Widerstandsfähigkeit bei den Gasmesserumhüllungen eine technische Funktion und einen technischen Vorzug bedeute. Die Revision setzt sich mit ihren Anführungen lediglich in Widerspruch mit dem Gutachten der Sachverständigen, denen das Berufungsgericht gefolgt ist. Diese weisen z. B. auf die Beschädigungsmöglichkeiten hin, denen die Gasmesser auf dem Transporte bei der Aufstellung und bei Ausbesserungen ausgesetzt sind und bei denen diese hervorgehobenen Eigenschaften von Bedeutung werden können. ...

Endlich läßt die rechtliche Beurteilung auch keinen Irrtum über den Begriff der Ausstattung und den ihr in § 15 WZG. gewordenen Rechtsschutz erkennen, der den Bestand des Urteils gefährdete.

Nur nebenbei bemerkt das Urteil, daß die Einbiegung der Ecken zugleich einen ästhetischen Zweck erfülle, indem sie dem Gehäuse ein gefälligeres Aussehen gebe, und nimmt mit dem Landgericht und der Revision an, daß die Klägerin die Form gerade darum gewählt habe, weil sie gefällig und geschmackvoll erscheine. Ob das Berufungsgericht die Rechtsmeinung des Landgerichts auch insoweit teilt, daß es schon diese geschmackvolle Formgebung selbst "zur besseren Verwertung der Ware durch Anregung des Geschmacks" als eine technische Funktion ansieht, die die Ware dem Ausstattungsschutz entzieht, sagt es nicht. Diese Rechtsauffassung ist auch verfehlt. Eine auf den ästhetischen Sinn gerichtete Gestaltung der Ware kann zwar kein Warenzeichen sein, ist aber begrifflich eben ihre Ausstattung. Die Ausstattung will die Ware zieren, ihr im Verkehr ein gefälliges äußeres Ansehen geben, wendet sich also geradeso wie das Geschmacksmuster an das Auge und den ästhetischen Sinn des Käufers. Insoweit ist Ausstattung und Geschmacksmuster von gleichem Inhalte. Während aber zur Erlangung des Geschmacksmusterschutzes gehört, daß die ästhetische Formgestaltung neu und eigentümlich sei (§ 1 Abs. 2 Ges. betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11. Januar 1876), verlangt die Ausstattung zur Erlangung des ihr in § 15 WZG. gegebenen Schutzes, daß sie im Verkehr die Kennzeichnungskraft erlangt hat, für gleichartige Waren als Hinweis auf die Herkunftsstelle eines anderen zu gelten. Die Fähigkeit, auf den ästhetischen Geschmack einzuwirken, haben Ausstattung und Geschmacksmuster also gemein, und es kann keine Rede davon sein, daß diese Funktion einer Funktion für technische, also Gebrauchszwecke gleichstände, die der Ware den Ausstattungsschutz nimmt. Aus diesem Grunde ist allerdings der Angriff der Revision insoweit gerechtfertigt, als er auf den Zweck Gewicht legt, zu dem die Änderung der Form von der Klägerin vorgenommen worden ist. Die Absicht, der Ware mit der neuen Gestaltung eine gefälligere, sich an das ästhetische Gefühl wendende Form zu geben, schließt nicht aus, wie das Landgericht und augenscheinlich auch das Oberlandesgericht annehmen, diese Formgebung als Ausstattung im Sinne von § 15 WZG. aufzufassen, steht vielmehr damit gerade im Einklang. Es kommt aber auf diese ganze Frage nicht an, da das Berufungsgericht diese Erwägungen über die ästhetische Seite der Formgebung nur nebenbei anstellt. Selbst wenn sie daher unrichtig sind und die Entscheidung nicht tragen können, die die Ausstattungsnatur verneint, wird damit die vorhergehende Feststellung, daß neben dieser ästhetischen Funktion die Einbiegung der Ecken auch noch eine technische, den Gebrauch des Gasmessergehäuses betreffende Funktion habe, nicht erschüttert und ihre Bedeutung für die Ausschaltung des Warenzeichenschutzes nicht beseitigt.

Auch das ist ohne Belang, worauf die Klägerin in den Vorinstanzen besonderes Gewicht legt und was auch jetzt wieder die Revision wesentlich betont, daß die Klägerin gar nicht daran gedacht habe, durch ihre neue Formgebung dem Gehäuse eine größere Festigkeit und Widerstandsfähigkeit zu geben, daß ihre Absicht vielmehr dahin gegangen sei, den Gasmessern neben der gefälligeren eine sie besonders charakterisierende Form zu geben, um sie von anderen Fabrikaten zu unterscheiden. Denn für die Frage, ob die Formgebung als Ausstattung den Schutz des § 15 WZG. genießen soll oder ob die Formgebung keine Ausstattung, sondern eine technischen Zwecken dienende Gestaltung der Ware ist, kommt es nicht auf die Absicht an, die der Formgeber bei der Gestaltung der Ware hatte, nicht auf den subjektiven Zweck, den er sich vorgestellt und den er erreichen wollte, sondern lediglich darauf, welchem objektiven Ziele die Gestaltung dient, ob diese, objektiv betrachtet, geeignet ist, eine technische Funktion zu erfüllen und sie tatsächlich erfüllt, vielleicht sogar ohne Wissen und Wollen des Gestaltenden. Denn die technische Funktion der Gestaltung ist ausschließlich dem Patent und Gebrauchsmusterschutz vorbehalten; soweit sie diesen nicht unterfällt, ist der technische Gedanke dem Gebrauche jedermanns freigegeben. Es ist unmöglich, ein subjektives Alleinrecht auf eine industrielle Verbesserung, eine technische Ausgestaltung außerhalb des Patent- und Gebrauchsmusterschutzrechts zu erwerben. Das würde aber geschehen, wenn die bloße Absicht, diese technische Gestaltung gleichzeitig oder allein als Warenkennzeichnung zu verwenden, ausreichen konnte, sie als Ausstattung im Sinne des § 15 WZG, anzusehen. Ob eine Formgestaltung Ausstattung im Sinne dieser Vorschrift ist oder nicht, ist nur nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden; die Absicht, die der Formgeber verfolgte, ist dabei ohne Bedeutung, Erfüllt die Formgebung tatsächlich eine technische Funktion und steht sie insoweit nicht unter Patent- oder Gebrauchsmusterschutz, so ist sie dem Gemeingebrauche freigegeben und es kann ein Alleinrecht auf sie auch dann nicht begründet werden, wenn die Formgestaltung neben dieser technischen Funktion nicht nur ästhetische Funktionen wie ein Geschmacksmuster, sondern auch kennzeichnende Funktionen wie ein Warenzeichen oder eine zur Kennzeichnung der Ware gewordene Ausstattung ausübt.

Nur wenn die charakteristische Besonderheit der Gestaltung der Einbiegung der Ecken über die Bedeutung eines technischen Elements hinausginge und der diese überschreitende Teil der Gestaltung außer dem noch eine selbständige Kennzeichnungskraft für die Gasmessergehäuse der Klägerin gewonnen hätte, wäre diese insoweit dem Ausstattungsschutze nach § 15 WZG. zugänglich (RGZ. Bd. 69 S. 32). In dieser Richtung fehlt es aber an jedem Anhalte, sind auch von der Klägerin Behauptungen nicht aufgestellt worden. Namentlich kann auch die bogenförmige konkave Einbuchtung der Ecken statt etwa einer geraden Abschneidung nicht als solche kennzeichnende Besonderheit angesehen werden, denn aus den Gutachten der Sachverständigen erhellt, daß nicht nur die Abschneidung der Ecken schlechthin, gleichviel in welcher Form, von technischer Bedeutung ist, sondern gerade auf diese bogenförmige Einbuchtung der Ecken Gewicht gelegt und in ihr die Erfüllung einer technischen Funktion erblickt wird, wie sich bei einer wellenförmigen Ausgestaltung zeigt.

Hiernach ist die Feststellung, daß die von der Klägerin als Kennzeichen ihrer Gasmesserumhüllung in Anspruch genommene Formgebung objektiv technische Zwecke erfülle und daher eine schutzfähige Ausstattung im Sinne des Warenzeichengesetzes überhaupt nicht vorliege, ohne Rechtsirrtum.

Unerörtert kann bleiben, ob der Anspruch der Klägerin nicht auch dann unbegründet wäre, wenn zwar bei ihr eine Ausstattung nach § 15 WZG. in der Formgebung vorläge, diese selbe Formgebung aber bei den Gasmessern der Beklagten vermöge deren abweichender innerer Konstruktion eine technische Funktion erfüllte.