RG, 18.11.1920 - V 327/20

Daten
Fall: 
Identität zwischen dem Bezogenen und dem Akzeptanten
Fundstellen: 
RGZ 100, 227
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.11.1920
Aktenzeichen: 
V 327/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht I Berlin
  • Kammergericht Berlin

1. Welche Anforderungen sind zu stellen, um Identität zwischen dem Bezogenen und dem Akzeptanten annehmen zu können?
2. Zu den Erfordernissen des Wechselprotestes.

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines auf Herrn Rich. C. in Berlin N. W. 87, W.-Str. 43, am 25. Juli 1919 gezogenen Wechsels über 17443,20 M, zahlbar am 16. September 1919. Der Wechsel ist von der Ausstellerin in blanco an den Kläger, von diesem an die Preuß. Centralgenossenschaftskasse in Berlin indossiert und in deren Auftrag laut Protest vom 17. September 1919 dem Herrn Rich. C. in seinem oben angegebenen Geschäftslokal ohne Erfolg zur Zahlung vorgelegt worden. Der Akzeptvermerk lautet: "Rich. C. Gesellschaft m.b.H. R. C." Der Kläger, der den Wechsel im Regreßwege eingelöst hat. klagte gegen diese Gesellschaft auf Zahlung der Wechselsumme nebst Zinsen und Wechselunkosten. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Kammergericht nach dem Klagantrage. Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

Obwohl äußerlich eine Verschiedenheit zwischen Adresse und Akzept besteht, indem als Adressat bezeichnet ist ,Herr Rich. C.", während das Akzept lautet: "Rich. C., Gesellschaft m. b. H. R. C.", hat das Berufungsgericht die Identität des Adressaten mit dem Akzeptanten als vorliegend angenommen und, im Gegensatze zum Landgericht, die Beklagte verurteilt.

Die Revision hat dagegen geltend gemacht, wie der Sachverhalt ergebe, sei außer der Gesellschaft m.b.H. noch eine Einzelperson Richard C. vorhanden, während irgend eine Andeutung, daß mit der Adresse Rich. C. die Gesellschaft m.b.H. gemeint sei, fehle. Daher bestehe, da die Gesellschaft akzeptiert habe, jedenfalls nach Inhalt des Wechsels keine Identität zwischen dem Bezogenen und dem Akzeptanten. Darauf aber komme es mit Rücksicht auf die Formalnatur des Wechsels an.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, Bedenken gegen das Urteil zu begründen. Die Tatsache, daß der Bezogene akzeptiert habe, sieht auch das Berufungsgericht gemäß Art. 21. WO. als Voraussetzung für die Haftung aus dem Akzept an. Es erwägt jedoch, daß, wenn sich nach der herrschenden Meinung diese Übereinstimmung auch äußerlich aus dem Wechsel ergeben müsse, die Rechtsprechung doch von jeher anerkannt habe, daß eine wörtliche Übereinstimmung nicht zu fordern sei, es vielmehr genüge, wenn trotz etwaiger Abweichungen keine Bedenken hinsichtlich der Identität bestünden. Diese grundsätzliche Auffassung deckt sich im wesentlichen mit der im Urteile des I. Zivilsenats vom 23. April 1910 (RGZ. Bd. 73 S. 281) zum Ausdrucke gebrachten. Eine nur unvollständige Bezeichnung der Firma, nicht bei dem Verpflichtungsakte, dem Akzepte, sondern bei der Adresse, ist unschädlich, wenn sich nur unzweideutig ergibt, daß der Bezogene den Wechsel angenommen hat (JW. 1902 S. 636 Nr. 19 und I 85/00 vom 12. Mai 1900). Ist das Akzept vollständig und findet sich etwas von ihm Abweichendes nur bei der Adresse vor, so kann es sich nur um Erforschung des Willens der Beteiligten handeln (ROHG. Bd. 14 S. 172), d. h. um die Prüfung, ob der Aussteller mit der Angabe der Adresse den Akzeptanten gemeint und dieser die Adresse im gleichen Sinne verstanden hat. Zutreffend hat das Kammergericht (KG.Bl. 1892 S. 54) ausgesprochen, daß bei Abweichungen im Einzelfalle zu untersuchen ist, ob es sich um das Akzept eines Nichtbezogenen oder nur um Ungenauigkeiten bei Bezeichnung der Person desjenigen handelt, welcher als Bezogener vom Trassanten gewollt war. Die Feststellung, welcher von den beiden Fällen vorliegt, ist Sache des Tatsachengerichts. Da hier die Adresse vom Akzepte nur dadurch abweicht, daß ersterer nur den Namen mit der Wohnungsangabe, letzteres dagegen noch den Zusatz zum Namen: "Gesellschaft m.b.H. R. C.) enthält, so durfte das Berufungsgericht in Anlehnung an die erwähnten Grundsätze erklären, die im Wechsel gebrauchte Adresse könne hinreichen, um eine Gesellschaft m.b.H. Richard C. deutlich als Bezogene zu bezeichnen. Es prüft dann, ob in der Tat Zweifel an der Identität nicht anzunehmen sind, und kommt zu einem verneinenden Ergebnis. Dabei legt es Wert auf den vom Reichsgericht (RGZ. Bd. 73 S. 282) ausgesprochenen Erfahrungssatz, daß Personen, an die der Auftrag nicht gerichtet ist, schwerlich geneigt sein werden, zu akzeptieren. Es verwendet weiter hierfür die Tatsache, daß die Beklagte nicht nur nicht bestritten hat, den Wechsel akzeptiert zu haben, weil er von ihr als an sie adressiert angesehen worden sei, sondern daß sie sogar in einem Schriftsatz erklärt hat, den Wechsel nicht einlösen zu wollen, weil sie gegen die Ausstellerin aus dem zugrunde liegenden, zwischen dieser und ihr selbst abgeschlossenen Geschäft Einwendungen habe. Wenn das Berufungsgericht daraufhin die Identität als festgestellt angesehen hat, so können dagegen vom Revisionsgerichte Bedenken nicht erhoben werden (vgl. für die Behandlung der Identitätsfrage auch das Urteil des erkennenden Senats vom 27. Oktober 1920 V 332/20).

Das Berufungsgericht erachtet den Protest, der besagt, daß der Wechsel Herrn Richard C. in seinem Geschäftslokal Berlin. W.-Str. 43 vorgelegt worden ist, für ordnungsmäßig, da ja davon auszugehen sei, daß die Adresse "Herrn Rich. C," die Beklagte bezeichnen konnte und sollte. Allerdings erfordere Art. 88 Nr. 2 WO. die Angabe der physischen Person, mit der der Protestbeamte verhandelt hat. Da aber der im Protest aufgeführte Rich. C. unstreitig einer der Geschäftsführer der Beklagten und in deren Geschäftslokal angetroffen worden sei, so fehle die erforderliche Angabe nicht. Der Einwurf der Revision, daß, wenn die Gesellschaft m.b.H. die richtige Bezogene und Akzeptantin war, der Wechsel ihr zur Zahlung vorgelegt und ihr gegenüber auch der Protest hätte erhoben werden müssen, was beides ausweislich des Protestes nicht geschehen sei, sodaß dieser ungültig sei, kann nicht als stichhaltig anerkannt werden.

Da es sich um eine juristische Person handelt, so konnte, wie das Berufungsurteil mit Recht hervorhebt, die Person, die gemäß Art. 88 Nr. 2 zur Vornahme der wechselrechtlichen Leistung aufzufordern war, nur eine physische sein (Staub-Stranz WO. Art. 88 Anm. 25). War diese, wie das Urteil feststellt, einer der Geschäftsführer der Beklagten, so ist mit der Vorlegung an diesen dem Gesetz ausreichend Genüge geschehen.

Da der Protest nur dahin lautet: "Diesen Wechsel habe ich heute auf den Antrag der Preußischen Central-Genossenschaftskasse hier dem Herrn Rich. C, in seinem Geschäftslokal in Berlin W.-Str. 43 ohne Erfolg zur Zahlung vorgelegt", so fehlt allerdings eine ausdrückliche Angabe der Firma, "gegen welche der Protest erhoben wird" (WO. Art, 88 Nr. 1). Aber bereits unter der Herrschaft des alten Art. 88, der im Eingange den Wortlaut hatte: "Der Protest muß enthalten", nahm die Rechtsprechung an, daß die aufgestellten Erfordernisse nicht in dem Grade zwingend seien, daß das Fehlen oder die Mangelhaftigkeit eines der Erfordernisse die unbedingte Nichtigkeit zur Folge habe, vielmehr sei in jedem einzelnen Falle zu prüfen, ob der Mangel so erheblich sei, daß er dem Zwecke und dem Wesen des Protestes Eintrag tue. In erhöhtem Maße muß dies gelten, seit durch die Novelle jene Eingangsworte durch die Wendung: "In den Protest ist aufzunehmen" ersetzt worden sind, da damit gerade bezweckt wurde, eine strengere Auslegung und eine Überspannung des Formalprinzips zu verhüten (JW. 1908 S. 493 Nr. 33; 1910 S. 950 Nr. 33). War Rich. C. Geschäftsführer der Beklagten und erfolgte die Protesthandlung wie das Urteil feststellt, in den Geschäftsräumen der Beklagten, die auch als Adressatin anzusehen ist, tritt daher Rich. C. nicht als Einzelperson, sondern nur als Vertreter der Beklagten in die Erscheinung, so kann nach der Gesamtsachlage ein Zweifel daran nicht bestehen, daß der Protest zum Ausdrucke bringt, daß er gegen die Beklagte erhoben worden ist.