RG, 02.11.1920 - II 475/20

Daten
Fall: 
Antrag auf Zeugenvereidigung und Rüge wegen Nichtvereidigung
Fundstellen: 
RGZ 100, 199
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.11.1920
Aktenzeichen: 
II 475/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

1. Ist der Antrag, einen Zeugen zu vereidigen einer Rüge wegen Nichtvereidigung gleichzustellen?
2. Steht der Umstand, daß der Zeuge mit seiner Ehefrau in Gütertrennung lebt, der Annahme eines rechtlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits entgegen?

Aus den Gründen

... Die Revision rügt die Nichtvereidigung des Ehemannes der Beklagten U. als Zeugen und Verletzung von §§ 385 Nr. 4, § 391, § 393 Nr. 4 ZPO. Der Zeuge lebe in Gütertrennung, habe also kein rechtliches Interesse daran, daß seine Ehefrau, die Beklagte, obsiege. Diese Beschwerde ist nicht gerechtfertigt. Der Zeuge wurde vom ersuchten Richter unvereidigt vernommen und seine Beeidigung dem Prozeßgerichte vorbehalten. In der ersten mündlichen Verhandlung darauf, die zugleich die Schlußverhandlung war, ist der Zeuge geladen und erschienen, aber unvernommen entlassen worden. In dieser Verhandlung wurde zwar nicht nach dem Sitzungsprotokoll, aber nach dem Tatbestande des angefochtenen Urteils auch der Schriftsatz vom 30. Juni 1918 vorgetragen, in dem der Antrag gestellt war, den Zeugen U. zu vereidigen. Dieser Antrag muß einer Rüge der Nichtvereidigung gleichgeachtet werden, so daß die erhobene Rüge an sich zulässig ist (§ 295 ZPO.). Sie ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht gibt allerdings keine Gründe für seine Annahme, daß der Zeuge in gleichem Maße am Ausgange des Rechtsstreits interessiert sei wie seine beklagte Ehefrau selbst, stellt auch nicht fest, daß es ein rechtliches Interesse annehme. Ein nicht bloß wirtschaftliches, sondern rechtliches Interesse ergibt sich aber auch bei bestehender Gütertrennung aus § 1427 BGB. Denn danach hat der Zeuge einen Rechtsanspruch auf Beiträge aus den Einkünften des Vermögens seiner Ehefrau, und zwar ist dieser Rechtsanspruch selbst sowohl seinem Bestande als seinem Umfange nach davon abhängig, daß ein Einkünfte abwerfendes Vermögen in entsprechender Höhe überhaupt vorhanden ist; er hat sonach ein rechtliches Interesse daran, daß dieses in seinem Bestand erhalten bleibe und nicht, was bei einem ungünstigen Ausgange des Rechtsstreits der Fall sein würde, gemindert wird. Es steht nicht nur das rein wirtschaftliche Interesse des Gläubigers in Frage, daß sein Schuldner zahlungsfähig bleibe (RGZ. Bd. 83 S. 183), vielmehr ist der Bestand seines Rechtsanspruchs selbst davon abhängig, daß ein Einkünfte abwerfendes Vermögen seiner Ehefrau vorhanden ist, da nur in diesem Falle von ihr Beiträge nach BGB. § 1427 zu leisten sind. ...