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RG, 02.11.1920 - III 137/20

Daten
Fall: 
Anspruch eines Beamten wegen Amtspflichtverletzung eines anderen Beamten
Fundstellen: 
RGZ 100, 188
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.11.1920
Aktenzeichen: 
III 137/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Halle a.S.
  • OLG Naumburg a.S.

1. Hat auch ein Beamter wegen Amtspflichtverletzung eines anderen Beamten den Anspruch aus § 839 BGB.?
2. Haftet für Amtspflichtverletzungen des preußischen Landrats der Kreis oder der preußische Staat?

Tatbestand

Der Kläger - früher Kreissparkassenführer - ist vom Beklagten auf den 31. Dezember 1917 wegen körperlicher Dienstunfähigkeit unter Bewilligung der gesetzlichen Pension in den Ruhestand versetzt worden. Seine Dienstunfähigkeit führt er darauf zurück, daß er seit Kriegsausbruch dauernd dienstlich überlastet gewesen sei und daß er auch in seiner dienstfreien Zeit, insbesondere am 13. Juli 1916, vom Landrat in Anspruch genommen worden sei, so daß er den Weg von und nach Hause in großer Eile habe zurücklegen müssen und sich durch Erkältung eine Lungenentzündung zugezogen habe. Er verlangt daher mit der Klage als Entschädigung den Unterschied zwischen der Pension und den Gehaltsbeträgen, die er ohne die Pensionierung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bezogen hätte.

Vor der Klageerhebung hat der Kläger diese Ansprüche bei dem Bezirksausschuß geltend gemacht. Dieser hat jedoch mit Beschluß vom 6. Februar 1918 (zugestellt am 14. Februar) die Entscheidung über die Ansprüche abgelehnt, weil es sich um "privatrechtliche, vor die bürgerlichen Gerichte gehörige Ansprüche" handle. Hierauf hat er die nunmehrige Klage erhoben, die am 9. August beim Landgericht einlief, aber erst am 15. August zugestellt wurde.

Das Landgericht hat die Klage mit sachlicher Begründung abgewiesen. Die Zurückweisung der Berufung ist darauf gestützt, daß die sechsmonatige Ausschlußfrist des § 7 KommBeamtG. nicht gewahrt sei. Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil aufgehoben.

Gründe

1.

Soweit der Schadensersatzanspruch des Klägers auf das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis, in dem er als Kreissparkassenführer zum beklagten Kreise stand, gestützt ist, ist die Klage unzulässig. Denn nach der zutreffenden Annahme des Berufungsgerichts war die gerichtliche Verfolgung des Anspruchs von der Einhaltung der Vorschriften des § 7 KommBeamtG. abhängig (RGZ. Bd. 92 S. 307); hieran fehlt es aber deshalb, weil die Klage nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlußfrist zugestellt wurde.

2.

Der Kläger hat jedoch im Verfahren vor den Tatrichtern die fernere Behauptung aufgestellt, daß die Erkrankung, die zu seiner

Schädigung geführt habe, auf ein pflichtwidriges Verhalten des Landrats d es Kreises Merseburg zurückzuführen sei, insofern dieser trotz seiner - des Klägers - Gegenvorstellungen mehrfach im Sommer seine dienstfreie Mittagszeit beschnitten und ihn so gezwungen habe, den Weg nach und von der Wohnung in großer Eile zurückzulegen, so daß er sich beim Aufenthalt im kalten Geschäftszimmer seine Krankheit zugezogen habe. Hiermit hat der Kläger seine Ansprüche auch auf eine Amtspflichtverletzung des Landrats im Sinne des § 839 BGB. gegründet; unerheblich ist es, daß er sich nicht ausdrücklich auf die Vorschrift des § 839 bezogen hat.

Gläubiger des aus der Amtspflichtverletzung erwachsenden Anspruchs kann auch ein Beamter sein. Die Beamtenhaftung im Sinne des § 839 BGB. wirkt nicht nur zugunsten der Personen, die außerhalb des Beamtenorganismus stehen, und der geschädigte Beamte ist nicht auf die Ansprüche aus dem Beamtenverhältnis beschränkt. Diese Auffassung ergibt sich schon aus der Erwägung, daß § 839 eine Vorschrift des Reichsrechts ist, während das Beamtendienstverhältnis, soweit es sich nicht um Reichsbeamte handelt, dem Landesrecht angehört. Außerdem steht dem Beamten in dem einen Falle lediglich der Staat oder die sonstige Körperschaft, bei § 839 aber auch der andere schädigende Beamte als Schuldner gegenüber.

Die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche aus § 839 setzt die vorherige Einholung eines Vorbescheids nicht voraus. Nun ist allerdings nicht zu verkennen, daß der aus dem Dienstverhältnis abgeleitete und auf Verletzung der gegenüber dem Beamten bestehenden Schutzpflichten gegründete Anspruch in häufigen Fällen die Amtspflichtverletzung eines anderen Beamten zur Grundlage hat und daß deshalb durch Zulassung der eines Vorbescheids nicht bedürftigen Klage aus § 839 BGB. die in § 7 KommBeamtG. und zahlreichen anderen Gesetzen für die Klage aus dem Dienstverhältnis bestehende Vorschrift zur Einholung des Vorbescheids in vielen Fällen wirkungslos wird. Dieser Folge ist aber nicht auszuweichen. Es erscheint nicht angängig, den Begriff der "Ansprüche aus dem Dienstverhältnis" im Sinne jener Gesetzesbestimmungen dahin zu erweitern, daß darunter auch die Ansprüche aus einer Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB. fallen. Die Grundlage beider Ansprüche ist eine verschiedene, indem der eine sich auf das Staatsdienerverhältnis, der andere auf eine unerlaubte Handlung eines Beamten gründet, für deren vermögensrechtliche Folgen der Staat nur an Stelle des Beamten haftet.

3.

Im vorliegenden Falle ist nur fraglich, ob die dem Landrate vorgeworfene Amtspflichtverletzung, im Falle ihrer Wahrheit eine Klage gegen den beklagten Kreis rechtfertigt oder ob nicht der preußische Staat der richtige Beklagte ist. Diese Frage ist noch nicht zur Entscheidung reif. Gemäß § 76 der Kreisordnung vom 18. Dezember 1872 führt der Landrat als Organ der Staatsregierung die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung im Kreise und leitet als Vorsitzender des Kreistages und des Kreisausschusses die Kommunalverwaltung des Kreises. Der preußische Landrat nimmt hiernach, wie von jeher so auch nach den jetzt geltenden Vorschriften, eine Doppelstellung ein, insofern er einerseits die den Kreis betreffenden staatlichen Geschäfte führt, anderseits an der Kommunalverwaltung des Kreises beteiligt, ist. Nur soweit seine letztere Tätigkeit in Betracht kommt, ist er im Sinne des § 4 des Staatshaftungsgesetzes ein "für den Dienst des Kreises angestellter" Beamter und haftet der Kreis für seine Amtspflichtverletzungen. Entscheidend ist also, in welcher der beiden Eigenschaften der Landrat bei den angeblichen Amtspflichtverletzungen gehandelt hat. ...