RG, 02.11.1920 - VII 190/20

Daten
Fall: 
Verdeckte Stellvertretung beim Eigentumserwerb
Fundstellen: 
RGZ 100, 190
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.11.1920
Aktenzeichen: 
VII 190/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG III Berlin
  • Kammergericht Berlin

1. Zur Frage des Eigentumserwerbs an beweglichen Sachen durch verdeckten Stellvertreter.
2. Beweislast in bezug auf den Willen des Stellvertreters bei der Übereignung.
3. Kommt es beim Erwerb vom Nichteigentümer für die Frage der Gutgläubigkeit des Erwerbers in Betracht, daß er gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt hat, ob die Verkäuferin eine Ehefrau war und ob sie zum Verkaufe die ehemännliche Zustimmung hatte?

Tatbestand

Der Kläger beansprucht von der Beklagten 12000 M als Ersatz des Wertes der in der Klageschrift bezeichneten Möbel, welche die Beklagte im Februar 1918 von seiner damals getrennt lebenden Ehefrau zum Preise von 6500 M gekauft und mittlerweile weiterveräußert hat. Er behauptet, Eigentümer der bei der Trennung der Eheleute der Ehefrau überlassenen Möbel gewesen zu sein, und macht geltend, die Beklagte sei beim Erwerb der Möbel nicht in gutem Glauben gewesen. Die Beklagte hat beides bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Kammergericht hat den Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Auf die Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben.

Gründe

Der Berufungsrichter hält für dargetan, daß der Kläger zur Zeit des Verkaufs der Möbel an die Beklagte Eigentümer der Sachen war und daß er auch heute noch Eigentümer ist, weil die Beklagte beim Erwerbe der Möbel nicht in gutem Glauben gewesen sei. Die Begründung des Berufungsurteils ist aber sowohl hinsichtlich der Annahme des Eigentumserwerbs des Klägers als auch hinsichtlich der Annahme der Bösgläubigkeit der Beklagten nicht frei von Rechtsirrtum.

Was zunächst den Eigentumserwerb des Klägers angeht, so stellt das Berufungsgericht fest, daß der Kläger mit seiner damaligen Braut (der späteren Ehefrau) die Möbel in der Möbelfabrik ausgesucht und bestellt, daß bei Verkäufer den Kläger als Käufer angesehen und auch behandelt habe, indem der Kauf in den Büchern auf dessen Namen gebucht, auch die Quittungen über die Abzahlungen auf seinen Namen ausgestellt worden seien. Der Verkäufer habe ferner die Möbel zu einer Zeit, als der Kläger noch nicht verheiratet war, an ihn geliefert. Der Verkäufer müsse also auch den dinglichen Übereignungsvertrag mit dem Kläger geschlossen und ihm die Möbel durch Einigung und Übergabe übereignet haben. Aus wessen Mitteln die Zahlung erfolgt wäre, sei gleichgültig. Es komme nur darauf an, ob der Kläger für sich die Möbel erwerben wollte und ob er vom Veräußerer als Vertragsgegner angesehen worden sei. Das sei aber unbedenklich anzunehmen.

Diese Ausführungen lassen die Feststellung erkennen, daß der Kläger beim Erwerb der Möbel dem Verkäufer gegenüber nicht als Stellvertreter seiner Ehefrau aufgetreten ist. Daraus aber, daß deshalb das Grundgeschäft, der Kauf, nur zwischen dem Verkäufer und dem Kläger schuldrechtliche Wirkungen erzeugt hat, folgert der Vorderrichter, es müsse auch das Eigentum nach beiderseitigem Willen auf den Kläger übergegangen sein. Der Frage nach dem Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seiner damaligen Braut in bezug auf den Erwerb der Möbel, ob nämlich der Kläger als verdeckter Stellvertreter seiner Braut zufolge eines ihm, wenn auch nur stillschweigend, erteilten Auftrags gehandelt hat, mißt das Berufungsgericht offenbar keinerlei Bedeutung bei. Darin äußert sich eine Verkennung der Rechtsgrundsätze über den Eigentumserwerb an beweglichen Sachen durch einen Stellvertreter, insbesondere durch einen verdeckten Stellvertreter. Zur Prüfung des Innenverhältnisses und der Frage, ob diesem zufolge der Kläger nicht in eigenem Namen, sondern, wenn auch nicht offenkundig, doch in Wirklichkeit für seine Braut handelte, zwangen aber den Berufungsrichter eine Reihe von Umständen und Behauptungen der Beklagten, die in dieser Richtung von Erheblichkeit sind und deren Nichtberücksichtigung die Revision daher mit Recht als Prozeßverstoß rügt (§ 286 ZPO.). Es kamen in Betracht zunächst der allgemeine Brauch, daß die Ausstattung der zukünftigen ehelichen Wohnung regelmäßig von der Braut oder deren Eltern für sie beschafft wird, ferner die auch vom Berufungsgerichte bereits festgestellte Tatsache, daß die Braut beim Aussuchen und Bestellen der Möbel mit anwesend war, daß der Kläger bei der späteren Trennung der Ehegatten seiner Frau sämtliche Möbel überlassen hat, weiterhin die Behauptungen der Beklagten, daß die Bezahlung der Möbel, jedenfalls der zuerst gekauften, fast ganz aus Mitteln der Frau und ihrer Mutter erfolgt sei, daß die Braut persönlich auf den Kaufpreis der erstangeschafften Möbel von 1775 M sofort 1300 M aus eigenen Mitteln angezahlt, darüber auch eine auf ihren Namen laufende Quittung vom Verkäufer ausgestellt erhalten habe. Auffallenderweise vermag der Kläger gerade diese erste Anzahlungsquittung nicht vorzulegen. Mögen nun auch alle diese Umstände und Behauptungen, falls letztere sich als richtig erweisen, noch nicht ausreichen, um aus ihnen offenkundige Stellvertretung des Klägers zu folgern, so ist es doch keineswegs ausgeschlossen, daß sie bei nochmaliger Prüfung der Sache dem Berufungsgerichte die Überzeugung verschaffen, daß der Kläger im Innenverhältnis nur als Stellvertreter seiner Braut gehandelt habe.

Wenn aber eine Stellvertretung kraft Auftrags im Innenverhältnis bestand, dann hat das Kammergericht für die Frage, ob der Kläger oder seine Braut das Eigentum an den Möbeln erworben hat, dem Grundgeschäft eine zu weit gehende Bedeutung beigelegt. Daß der Verkäufer den Kläger als seinen Vertragsgegner ansah und als persönlichen Schuldner behandelte, dementsprechend auch das Geschäft auf den Namen des Klägers buchte und die Quittungen über Abzahlungen auf seinen Namen ausstellte - bei der Anzahlung soll letzteres nach der oben schon erwähnten Behauptung der Beklagten nicht einmal geschehen sein -, alles dies folgte aus dem persönlichen Schuldverhältnis, das mangels Offenkundigkeit der Stellvertretung zwischen dem Verkäufer und dem Kläger zustande kam (§ 164 Abs. 2 BGB), ist aber für die Frage, ob der Kläger oder seine Braut das Eigentum erworben hat, ohne Belang. Die Entscheidung dieser Frage kann bei verdeckter Stellvertretung regelmäßig auch nicht auf den Übereignungswillen des Veräußerers abgestellt werden, da es diesem in den weitaus meisten Fällen, besonders wenn es sich um Kaufgeschäfte des täglichen Lebens handelt, gleichgültig ist, für wen der Empfänger der Sache - der Käufer - diese erwirbt. Der Wille des Veräußerers kommt nur dann in Betracht, wenn für ihn ein besonderes Interesse bestand, daß gerate sein Vertragsgegner und niemand anders Eigentümer werden sollte. Abgesehen von diesem Ausnahmefalle, der bisher vom Berufungsgerichte nicht festgestellt ist, entscheidet für die Frage des Eigentumserwerbs das Innenverhältnis zwischen dem Stellvertreter und dem Vertretenen und der Wille dieser beiden. Ist zwischen ihnen ein Verhältnis der in § 868 BGB. bezeichneten Art vereinbart, und hierzu ist auch ein Auftragsverhältnis zu rechnen, hat ferner der Stellvertreter zurzeit der dinglichen Einigung und der Besitzübertragung durch den Veräußerer den mit dem Willen des Auftraggebers übereinstimmenden Willen, das Eigentum für seinen Auftraggeber zu erwerben, so wird dieser vermittelst Besitzkonstituts Eigentümer; der Stellvertreter wird unmittelbarer Fremdbesitzer, der Auftraggeber mittelbarer Eigenbesitzer.

Diese Rechtsgrundsätze haben in Schrifttum und Rechtsprechung sowohl für das gemeine wie für das heutige Recht überwiegend Anerkennung gefunden, insbesondere hat auch der erkennende Senat sie ständig vertreten, vgl. RGZ, Bd. 11 S. 128, Bd. 30 S. 142, Bd. 56 S. 52, Bd. 99 S. 208; Gruchot Bd. 47 S. 987, Bd. 53 S. 1045; Warneyer 1912 Nr. 213 und 214; Leipz. Z. 1916 S. 383; JW. 1917 S. 217 Nr. 6; ferner Komm, v. RGR. Anm. 4 zu § 164; Planck-Flad (1913) Anm. 5 c zu § 164; Enneccerus (1919) Bd. 1 S. 456.

Wenn zwischen dem Kläger und seiner damaligen Braut ein Auftragsverhältnis bestand, so spricht weiterhin die tatsächliche Vermutung dafür, daß der Wille des Klägers damals auf Eigentumserwerb für seine Braut und Auftraggeberin gerichtet war, daß er also nicht für sich das Eigentum erwerben wollte. Das BGB. hat in § 1381 die gesetzliche Vermutung aufgestellt, daß, wenn der Ehemann mit Mitteln des eingebrachten Gutes der Frau bewegliche Sachen erwirbt, mit dem Erwerbe das Eigentum auf die Frau übergeht. Nun kann allerdings diese Bestimmung hier keine Anwendung finden, weil damals die Ehe zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau noch nicht bestanden hat. Aber derselbe Gedanke, der dieser Vorschrift zugrunde liegt, läßt die tatsächliche Vermutung begründet erscheinen, daß ein Bräutigam, wenn er mit Mitteln seiner Braut im Hinblick auf die zukünftige Ehe kraft Auftrags die Ausstattung der ehelichen Wohnung beschafft, den Willen hat, das Eigentum für seine Braut und zukünftige Ehefrau zu erwerben. Die tatsächliche Vermutung, daß der Wille des beauftragten Stellvertreters beim Erwerbe des Eigentums dem Auftrag entspricht, wird aber auch ganz allgemein schon durch die Erwägung gerechtfertigt, daß sonst der Beauftragte wider Treu und Glauben verstoßen würde. Es hätte also der Kläger den Beweis zu erbringen, daß er entgegen dem ihm erteilten Auftrage den Willen gehabt habe, das Eigentum an den Möbeln für sich zu erwerben. Bisher fehlt es für die "unbedenkliche" Annahme des Berufungsgerichts, daß der Kläger das Eigentum für sich habe erwerben wollen, an ausreichender Begründung.

Das Berufungsurteil mußte also schon aus diesen Gründen der Aufhebung verfallen. Es geben aber auch die Ausführungen zur Frage der Gutgläubigkeit der Beklagten beim Erwerbe der Möbel, die das Berufungsgericht verneint, zu rechtlichen Bedenken Anlaß. Es kommt beim Eigentumserwerb vom Nichteigentümer darauf an, ob dem Erwerber bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, daß die Sache dem Veräußerer nicht gehöre, also auf den guten Glauben in bezug auf das Eigentum des Veräußerers (§ 932 Abs. 2 BGB.). Die Erwägungen des Kammergerichts berechtigen aber zu dem Zweifel, ob es sich dessen klar bewußt gewesen ist; denn das Kammergericht scheint der Beklagten im wesentlichen zum Vorwurf machen zu wollen, daß sie nicht aufgeklärt habe, ob die Verkäuferin Ehefrau war und ob sie zum Verkaufe die ehemännliche Zustimmung hatte, und findet darin eine grobe Fahrlässigkeit. Es wird auch noch ausdrücklich auf den § 1396 BGB. hingewiesen, §1396 hat aber das Eigentum der Ehefrau zur Voraussetzung, hingegen besagt § 1404 BGB. ausdrücklich, daß es auf die Gutgläubigkeit des Erwerbers einer zum eingebrachten Gute der Ehefrau gehörigen Sache hinsichtlich deren Berechtigung zum Verkauf nicht ankommt; der Erwerber muß vielmehr den Mangel der Veräußerungsberechtigung der Ehefrau auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er nicht gewußt hat, daß sie eine Ehefrau war.