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RG, 19.10.1920 - II 199/20

Daten
Fall: 
Abrechnung von Gesellschaftsgeschäften
Fundstellen: 
RGZ 100, 150
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.10.1920
Aktenzeichen: 
II 199/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Nürnberg, Kammer für Handelssachen
  • Oberlandesgericht Nürnberg

Erfordernisse einer Abrechnung über die im Rahmen eines Gesellschaftsverhältnisses geführten Geschäfte.

Tatbestand

Die Parteien gründeten im November 1914 eine Gelegenheitsgesellschaft zur Herstellung von Tornistern und anderen Heeresartikeln. Die eingegangenen Aufträge wurden in einer mit "Betrieb III" bezeichneten Abteilung des Geschäfts der Beklagten, zum Teil auch im Geschäftsbetriebe des Klägers ausgeführt. Ein zwischen den Parteien über die Dauer des Gesellschaftsverhältnis geführter Vorprozeß wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 29. Oktober 1915 erledigt, worin unter anderem bestimmt war, daß das Vertragsverhältnis mit Ablauf des 23. März 1915 sein Ende gefunden habe und daß alle bis dahin eingelaufenen Aufträge, auch wenn sie erst später abgewickelt seien, unter das Vertragsverhältnis, alle nach dem 28. März 1915 eingegangenen Aufträge dagegen außerhalb des Vertragsverhältnisses fallen sollten. Außerdem verpflichteten sich die Parteien in dem Vergleiche, sich bis zum 15. Dezember 1915 gegenseitig ordnungsgemäße Abrechnung über die von ihnen geführten Geschäfte zu erteilen. Die Beklagten legten dem Kläger im November 1915 eine Zwischenbilanz auf den 13. November 1915 sowie eine nachträglich auf den 31. März 1915 gefertigte Bilanz nebst einem "Verzeichnis der bis zum 28. März eingelaufenen Aufträge und deren Erledigung" und einer Inventur vom 31. März 1915 vor; auch stellten sie ihm alle Geschäftsbücher, Belege und Korrespondenzen, die sie nach ihrer Behauptung in bezug auf die gemeinsame Angelegenheit besaßen, zur Verfügung und erklärten sich zu jeder möglichen Auskunft bereit. Der Kläger prüfte die Bücher usw. unter Zuziehung eines Sachverständigen und erklärte schließlich, die Beklagten seien ihrer Pflicht zur Erteilung einer ordnungsmäßigen Abrechnung nicht nachgekommen. Seine Klage auf eine dem Vergleiche vom 29. Oktober 1915 entsprechende Abrechnung wurde in beiden Vorinstanzen abgewiesen, da die Beklagten ihrer Abrechnungspflicht schon genügt hätten. Auf die Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

Nach der Ansicht des Berufungsgerichts stellt die dem Kläger vorgelegte Bilanz auf den 13. November 1915 nebst Anlagen im Zusammenhalt mit der Vorlegung der Geschäftsbücher, Belege und Briefschaften eine ordnungsmäßige, den Anforderungen des Vergleichs vom 29. Oktober 1915 genügende Abrechnung dar. Ob die Erteilung der Abrechnung in dieser Form angesichts des Umstandes, daß die Rechnungslegung nur die bis zum 28. März 1915 beim "Betriebe III" der Beklagten eingelaufenen Aufträge und deren Erledigung zu umfassen hatte, besonders zweckmäßig war, ist hier nicht zu erörtern; einen Rechtsirrtum läßt die Auffassung, die von den Beklagten gewählte Form der Rechnungslegung sei an sich zulässig, keinesfalls erkennen. Denn es ist nicht zu bezweifeln, daß auch auf diesem Wege der Abrechnungszweck erreichbar war, der nach dem Wesen der Abrechnung darin besteht, daß dem Gegner die tatsächlichen Umstände, nach denen sich seine Ansprüche gegen den anderen Teil bemessen, namentlich also die erzielten Einnahmen und gemachten Ausgaben, in verständlicher, übersichtlicher, eine Nachprüfung ermöglichender Weise kundgegeben werden. Einwendungen dahin, daß vereinzelte Posten zu niedrig oder zu hoch angesetzt seien, andere zu Unrecht fehlten, gehören dem Gebiete der sachlichen Beanstandung der Rechnung an: für sie ist im Rechtsstreit über die Rechnungslegung regelmäßig kein Raum. Denn auch eine derart mangelhafte Rechnungslegung kann, im wesentlichen wenigstens, ihrem Zwecke entsprechen und demnach zur Erfüllung der Abrechnungspflicht genügen, es wäre denn, daß die Möglichkeit, über das Verhältnis der Aktiv- zu den Passivposten ein Bild zu gewinnen, durch die Mängel ausgeschlossen oder erheblich erschwert würde. Auch die Beanstandung der Höhe des dem Kläger nach der Rechnung der Beklagten zukommenden Guthabens wäre demnach zum mindesten insoweit, als die angebliche Unrichtigkeit durch vereinzelte vom Kläger bemängelte oder vermißte Posten hervorgerufen ist, eine sachliche, die Abrechnungspflicht als solche nicht berührende Einwendung.

Nun hatte aber der Kläger unter anderem folgendes vorgebracht: Die Bilanz vom 13. November 1915 enthalte das Ergebnis des ganzen Geschäftsganges des "Betriebs III", auch über den 28. März 1915 hinaus und daher auch insoweit, als dem "Betriebe III" nach diesem Tage neue, nach dem Vergleich außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses fallende Aufträge zugegangen und als solche Aufträge bis zum 13. November 1915 erledigt worden seien. Eine Aussonderung der auf die Aufträge aus der Zeit bis zum 28. März 1915 sich beziehenden, also das Gesellschaftsverhältnis angehenden Einnahmen und Ausgaben aus den Bilanzposten für die Zeit nach dem 28. März 1915 sei, wie Büchersachverständige bekunden müßten, unmöglich, da die dem Kläger überlassenen Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen über diese Verhältnisse nur unvollständig Aufschluß gäben. An diesem Vorbringen hat der Kläger auch gegenüber der Behauptung der Beklagten festgehalten, daß alle auf neue Aufträge - aus der Zeit nach dem 28. März 1915 - sich beziehenden Einnahmen und Ausgaben auf Separatkonto gebucht und überhaupt nicht Bestandteil der Bilanz vom 13. November geworden seien. Letzteres bestreitet der Kläger mit der Behauptung, auch das Separatkonto sei mit in der Bilanz enthalten, im übrigen seien die Ausgaben aus einigen neuen Aufträgen nicht auf Separatkonto gebucht worden. Mit diesem seinem Vorbringen macht der Kläger keinen die Frage der Richtigkeit einzelner Rechnungsposten oder das Fehlen bestimmter Ansätze betreffenden sachlichen Einwand geltend. Er wendet sich vielmehr, was die Zeit nach dem 28. März 1915 angeht, gegen den Aufbau, das System der von den Beklagten erteilten Abrechnung, indem er es als unmöglich bezeichnet, aus der Bilanz vom 13. November 1915 und ebenso aus den ihm überlassenen Unterlagen dazu, insbesondere aus den Geschäftsbüchern, zu ermitteln, was nach dem 28. März 1915 zur Erledigung vorher eingegangener, demnach zum Gesellschaftsverhältnis gehöriger Aufträge im "Betriebe III" verausgabt und was anderseits aus solchen Geschäften vereinnahmt wurde. Die Einwendung bezieht sich demnach lediglich auf die Frage, ob der Kläger in der Lage ist, aus den von den Beklagten ihm ausgefolgten Schriftstücken, Geschäftsbüchern usw. das Verhältnis der Einnahme- zu den Ausgabeposten und die Höhe seines Guthabens oder Verlustanteils ohne weiteres zu ersehen, und ob die Beklagten durch Verabfolgung der Bilanz vom 13. November 1915 nebst Unterlagen ihrer Abrechnungspflicht genügt haben. Unterstellt man das Vorbringen des Klägers, für das er sich in allen Teilen auf das Gutachten eines Büchersachverständigen berufen hat, als richtig, so kann davon, daß ihm die Ermittelung der gesamten die Gesellschaft angehenden Einnahme- und Ausgabeposten und der Höhe seines Guthabens oder Verlustes ohne weiteres möglich wäre, nicht die Rede sein. Denn hierzu müssen, wenn die Darstellung des Klägers zutrifft, die unter das Gesellschaftsverhältnis fallenden Einnahmen und Ausgaben für die Zeit nach dem 28. März 1915 erst an Hand der Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen aus den Bilanzposten ab 28. März 1915 ausgesondert werden, wobei es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine mühsame, vielleicht langwierige Arbeit handeln wird. Zur Leistung solcher Arbeit ist der Kläger aber nicht verpflichtet; er kann vielmehr die Erteilung einer Abrechnung verlangen, die ihm über die genannten Punkte Aufklärung gibt, ohne daß er nötig hat, sich zur Erreichung dieses Zweckes seinerseits einer nicht unerheblichen Arbeitsleistung zu unterziehen. Im übrigen behauptet der Kläger, jene Aussonderung sei an Hand der ihm überlassenen Bücher usw. überhaupt nicht möglich, weil die Unterlagen nur unvollständigen Aufschluß über die einschlägigen Verhältnisse gewährten. Sollte das richtig sein, so wäre vollends kein Zweifel, daß dem Kläger eine den Erfordernissen des Vergleichs vom 29. Oktober 1915 genügende Abrechnung bisher nicht erteilt ist.

Das Berufungsurteil läßt nicht ersehen, daß der Vorderrichter das erwähnte Vorbringen des Klägers gewürdigt und zu ihm Stellung genommen hat. Wenn gesagt ist, die Bilanz vom 13. November 1915 sei nach kaufmännischen Grundsätzen errichtet, so kann das nur bedeuten, daß sie an sich technisch richtig angefertigt sei, nicht aber, daß sie über das, was dem Kläger nach dem Vergleich in Form einer Abrechnung mitgeteilt werden soll, auch wirklich die erforderliche Auskunft gebe. Denn der Vorderrichter hat nicht festgestellt, daß die Bilanz für die Zeit nach dem 28. März 1915 nur solche Posten enthalte, die sich auf die Abwickelung schon vor dem 28. März eingegangener Aufträge beziehen. Daß der Kläger für die Zeit nach dem 28. März über die zum Gesellschaftsverhältnis gehörigen Einnahmen und Ausgaben sich ein Bild zu machen in der Lage war, ergibt sich nicht aus der Feststellung, er sei in eine sachliche Prüfung der Rechnung eingetreten und diese sei ihm auch möglich gewesen. Denn eine sachliche Prüfung der Rechnung, d. h. der Bilanz, ist auch dann denkbar, wenn diese für die Zeit nach dem 28. März 1915 in der vom Kläger behaupteten Weise angelegt war. Und wenn das Berufungsurteil am Schlusse ausführt, es habe zur Feststellung der Nachprüfbarkeit der Bilanz auf ihre Richtigkeit der Vernehmung eines Sachverständigen nicht bedurft, so ist auch damit über den wirklichen Inhalt der Bilanz für die Zeit vom 28. März 1915 an nichts gesagt. Das Berufungsgericht hat in dieser Richtung überhaupt keine Feststellung getroffen.

Die Revision rügt daher mit Grund die Übergehung des Vorbringens des Klägers über den Inhalt der Bilanz ab 28. März 1915 und die Unmöglichkeit ihrer Nachprüfung zur Herbeiführung der erforderlichen Aussonderung.

Das Berufungsurteil ist aber noch in einer anderen Beziehung entsprechend der Rüge der Revision zu beanstanden. Der Kläger hat behauptet, es seien ihm von den Beklagten nicht alle über das Gesellschaftsverhältnis vorhanden gewesenen Bücher und Belege vorgelegt worden, und hat die nach seiner Meinung fehlenden Bücher und andere Schriftlichkeiten unter Berufung auf das Gutachten eines Bücherrevisors, zum Teil auch unter Antritt von Zeugenbeweis, im einzelnen angeführt. Außerdem hat er den Beklagten hierüber verschiedene, im Tatbestande des Berufungsurteils näher bezeichnete Eide zugeschoben. Der Vorderrichter erledigt dieses Vorbringen mit dem Hinweise darauf, daß die Beklagten, nachdem sie alle "nach ihrer Behauptung" in ihrem Besitze befindlichen, das Gesellschaftsverhältnis angehenden Bücher und Belege dem Kläger zur Verfügung gestellt und sich ihm gegenüber zu jeder Auskunft bereit erklärt hätten, ihrer Verpflichtung aus dem Vergleiche nachgekommen seien. Im übrigen verweist der Berufungsrichter den Kläger wegen angeblich vorenthaltener Bücher und Belege auf Klage nach § 810 BGB. Dieser Auffassung vermag der erkennende Senat nicht beizutreten. Wenn die Bilanz vom 13. November 1915, wie der Kläger behauptet, für die Zeit vom 26. März 1915 an nicht bloß die das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Einnahmen und Ausgaben, sondern auch noch andere Aktiva und Passiva in ungetrennten Posten wiedergibt, so bedarf der Kläger der Bücher und Belege zur Ermittelung der Einnahmen und Ausgaben, die auf die am 28. März 1915 schon vorhanden, aber noch nicht erledigt gewesenen Aufträge für die Zeit nach dem 23. März entfallen. Wegen der Art der Erledigung dieser Aufträge haben die Beklagten den Kläger von vornherein auf die überlassenen Bücher und Belege verwiesen. Das "Verzeichnis der bis 28. März 1915 eingelaufenen Aufträge und deren Erledigung" enthält nichts weiter als die Daten der einzelnen Aufträge unter Angabe der Besteller, die Zeitpunkte der verschiedenen Lieferungen und die Stückzahl der jeweils bestellten und gelieferten Tornister usw.; von Preisen, Einnahmen oder Ausgaben ist in dem Verzeichnis gar nicht die Rede. Unter diesen Umständen bilden die Bücher und Belege, aus denen der Kläger die Art der Erledigung eines Teiles der zum Gesellschaftsverhältnis gehörigen Geschäfte des Näheren erst ermitteln soll, einen Bestandteil der Abrechnung der Beklagten. Sind erhebliche Bücher und Belege nicht vorgelegt, so ist die Errechnung der auf jene Geschäfte entfallenden Einnahmen und Ausgaben nicht möglich und damit die ganze Abrechnung in der Gestalt, wie sie erteilt wurde, ungeeignet, dem Kläger die Auskunft zu geben, auf die er Anspruch hat. Dann kann aber davon, daß die Beklagten ihre Abrechnungspflicht erfüllt hätten, nicht die Rede sein. Es mußte daher in diesem Rechtsstreit auf das Vorbringen des Klägers über die Vorenthaltung wichtiger Bücher und Belege eingegangen werden; die Unterlassung stellt einen Verstoß gegen § 286 ZPO. dar.