RG, 19.10.1920 - II 172/20

Daten
Fall: 
Anerkennung des Klaganspruchs
Fundstellen: 
RGZ 100, 147
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.10.1920
Aktenzeichen: 
II 172/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln, Kammer für Handelssachen
  • OLG Köln

Kann der Beklagte, wenn der Kläger auf Erfüllung eines mangels Übereinstimmung der Parteien nicht zustande gekommenen Vertrags klagt, durch Anerkennung des Klaganspruchs eine vertragliche Bindung der Parteien bewirken?

Tatbestand

Am 9. Juni 1916 haben die Parteien am Fernsprecher über einen Kaufabschluß verhandelt, der die Lieferung von 200 Roßhäuten seitens des Beklagten an den Kläger zum Gegenstand hatte. Am 10. Juni bestätigte der Kläger brieflich, vom Beklagten 200 prima Roßhäute, garantiert 50 Pfund im Bogen wiegend, zu 70 M das Stück, franko Waggon Köln, netto Kasse, prompt lieferbar gekauft zu haben, und bat um Gegenbestätigung. Die Gegenbestätigung blieb aus. Der Beklagte behauptete, sich Vorausbezahlung des Kaufpreises und spätere Lieferung ausbedungen zu haben. Eine Einigung wurde nicht erzielt. Der Kläger lehnte die Vorauszahlung und der Beklagte die vorherige Lieferung ab.

Am 30. Juni ließ der Kläger dem Beklagten die Klage zustellen, mit welcher er Verurteilung zur Lieferung der 200 Roßhäute und hilfsweise zur Zahlung von vorläufig 2000 M Schadensersatz wegen Nichterfüllung begehrte. Am 10. Juli machten die Anwälte des Klägers dem Beklagten einen schriftlichen Vergleichsvorschlag, wonach sich der Auftraggeber mit einer Abfindung von 900 M und Tragung der Kosten begnügen wollte. Der Beklagte antwortete am 11. Juli, daß er auf diesen Vorschlag nicht eingehen könne, und fuhr dann fort: "Um die Angelegenheit erledigt zu wissen, teile ich Ihnen mit, daß ich die Roßhäute liefern will, und stelle Ihnen dieselben hiermit im Preis und Qualität wie vereinbart zur Verfügung. Ich bitte um gefl. sofortige Abnahme und Bezahlung und sehe Ihrem diesbezüglichen Bescheid entgegen." Die Anwälte des Klägers schrieben ihm darauf am 18. Juli, daß mit Rücksicht auf die frühere Ablehnung der Lieferung und den inzwischen eingetretenen Preisrückgang die Annahme der Häute verweigert und nunmehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 900 M verlangt werde. Der Beklagte erhob hiergegen Einspruch und ließ nach vorgängiger Androhung die Häute versteigern, wobei sich ein Mindererlös von 9696,15 M ergab, welchen er mit der Widerklage erstattet verlangt.

Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Die seitens des Beklagten eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Das gleiche Schicksal erlitt seine Revision.

Gründe

... Die Revision ist unbegründet. Da sie die Feststellung des Berufungsgerichts, daß ein gültiger Vertrag zwischen den Parteien überhaupt nicht zustande gekommen sei, unbeanstandet läßt, kann sie die vertragliche Bindung des Klägers nur auf die Erklärung des Beklagten, nunmehr liefern zu wollen, gründen. Nun ist ihr zwar darin beizupflichten, daß sich der Beklagte vorbehaltlos und vollständig dem Klagbegehren gefügt hat. Er hat sich nicht damit begnügt, Lieferung zu den "vereinbarten" Bedingungen zuzusichern, wobei es vielleicht wieder unsicher sein mochte, was unter den vereinbarten Bedingungen zu verstehen sei; er hat vielmehr am 17. Juli 1916 erklärt, daß er die Häute zu 70 M liefern und die bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits erstatten werde. Trotzdem kann aber eine durch diese Erklärungen des Beklagten begründete vertragliche Bindung des Klägers nicht anerkannt werden.

Allerdings kennzeichnet sich die Klagschrift nicht grundsätzlich als ein ausschließlich prozeßrechtlicher Vorgang. Sie kann auch Wirkungen auf bürgerlichrechtlichem Gebiete hervorbringen. So ist beispielsweise unter Umständen in der Klage die Kündigung eines Rechtsverhältnisses, die Genehmigung einer ohne Ermächtigung vorgenommenen Handlung zu erblicken. Ob auch gegebenenfalls in der Klagschrift ein wirksames Vertragsangebot enthalten sein kann, mag unentschieden bleiben, da jedenfalls hier ein solches Angebot nicht anzunehmen ist. Der Kläger hat mit der Klage das Begehren an den Beklagten gerichtet, ihm die angeblich gekauften 200 Häute zu liefern. Er hat aber damit nicht die Absicht ausgesprochen, einen neuen Vertrag einzugehen, sondern nur sein angeblich bestehendes Vertragsrecht geltend machen wollen.

Bestand ein solches Vertragsrecht nicht, so war der Klage der Boden entzogen, und es besteht keine Möglichkeit, das Klagbegehren im Sinne des Beklagten umzudeuten.

Es kommt hinzu, daß der Beklagte seine Lieferbereitschaft in einem Zeitpunkt ausgesprochen hat, wo die Marktlage völlig verändert und die Preise für derartige Häute erheblich gefallen waren. Die Annahme, daß der Kläger unter solchen Umständen - falls der als abgeschlossen vorausgesetzte Vertrag in Wahrheit gar nicht zustande gekommen war - zum Neuabschlusse des gleichen Vertrages unter den alten Bedingungen gewillt sein sollte, muß als gänzlich unwahrscheinlich ausscheiden. Tatsächlich hat denn auch der Kläger das in den Schreiben vom 11. und 17. Juli 1916 enthaltene Ansinnen des Beklagten abgelehnt und unter Aufgabe des Erfüllungsanspruchs Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt. Durch diese dem Beklagten alsbald kundgegebene Stellungnahme ist eine vertragliche Bindung des Klägers endgültig ausgeschaltet.