RG, 19.10.1920 - VII 156/20
Wird die Verjährungsfrist des § 110 RStempG. vom 3. Juli 1913 durch eine negative unterbrochen, und zwar auch dann, wenn diese Klage nicht allen prozessualen Erfordernissen des § 256 ZPO. entspricht ?
Tatbestand
Die Klägerin hat. nachdem sie für das Jahr 1917 eine Warenumsatzsteuer von 22946,30 M gezahlt hatte, innerhalb der durch § 110 RStempG. vom 3. Juli 1913 bestimmten sechsmonatigen Klagefrist hiervon 4589 M mit der Leistungsklage zurückgefordert, wegen des Restes von 18357,30 M aber nur beantragt, festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt sei, für das Jahr 1917 eine weitere Umsatzsteuer zu beanspruchen. Erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist hat die Klägerin den Feststellungsanspruch im Klagantrage durch den auf Rückzahlung von 18357,30 M gerichteten Leistungsanspruch ersetzt. Das Berufungsgericht wies diesen letzteren Antrag als verspätet zurück. Insoweit wurde die Entscheidung auf die Revision der Klägerin aufgehoben.
Aus den Gründen
... Die im § 110 RStempG. bestimmte sechsmonatige Klagefrist hat nach ständiger Rechtsprechung nicht die Natur einer Ausschlußfrist, sondern die einer Verjährungsfrist (RGZ. Bd. 68 S. 58; Urteile vom 4. Juli 1913 VII 176/18 und 30. März 1920 VII 320/14). Die Frist endete am 24. Dezember 1918. Vor Ablauf der Frist hatte die Klägerin die Feststellungsklage erhoben. Durch diese Klage wurde die Verjährung unterbrochen, da nach § 209 BGB. die Unterbrechung auch dann erfolgt, wenn der Berechtigte "auf Feststellung des Anspruchs" Klage erhebt. Der Klägerin stand, wenn der Steueranspruch des Beklagten in Höhe von 18357,30 M sachlich unbegründet war, gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Freistellung von der erforderten Steuer zu, den sie durch die Feststellungsklage geltend gemacht hat. Sie hat durch diese Klage ihren Willen, den Steueranspruch des Beklagten dem ordentlichen Richter zu unterbreiten, deutlich gezeigt. Deshalb ist der § 209, wenn nicht unmittelbar, dann doch jedenfalls entsprechend anzuwenden. Daß die Feststellungsklage allen prozessualen Erfordernissen einer solchen, insbesondere denen des § 256 ZPO. gerecht wurde, war zur Herbeiführung der Unterbrechung nicht notwendig. Es genügte, daß die Klagerhebung hier auch hinsichtlich des Feststellungsantrags eine positive Willenshandlung war, die sachlich auf Durchsetzung des Anspruchs auf Freistellung von der Steuer gerichtet und an sich dazu geeignet war. Zwar hatte die dem § 256 ZPO. nicht entsprechende Feststellungsklage, wäre sie aufrechterhalten worden, ebenso wie eine bei einem unzuständigen Gericht, also prozeßwidrig erhobene Leistungsklage, zur Abweisung führen müssen, aber in beiden Fällen gilt, wie sich aus § 212 BGB. ergibt, die Verjährung mindestens so lange als unterbrochen, als die Klage nicht wegen ihrer Prozeßwidrigkeit abgewiesen ist (RGZ. Bd. 66 S. 368). Ebenso wirkt auch der Zahlungsbefehl eines unzuständigen Gerichts zunächst unterbrechend. Hiernach ist die Abweisung der Klage in Hohe von 18357,30 M aus dem Grunde der Versäumung der Klagefrist nicht aufrechtzuerhalten. ...