RG, 16.10.1920 - V 34/20

Daten
Fall: 
Gültigkeit einer Vorlegungsbescheinigung
Fundstellen: 
RGZ 100, 138
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.10.1920
Aktenzeichen: 
V 34/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

1. Ist es zur Gültigkeit der in § 16 Nr. 1 ScheckG. vorgesehenen Vorlegungsbescheinigung erforderlich, daß sie innerhalb der Vorlegefrist des § 11 ausgestellt wird?
2. Wird die Gültigkeit dieser Bescheinigung dadurch beeinträchtigt, daß das Datum der Ausstellung der Wahrheit nicht entspricht?
3. Muß die Bescheinigung im Falle der Gesamtvertretung einer Gesellschaft von allen Vertretern unterschrieben werden?

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines von dem Beklagten G. am 22. April 1919 ausgestellten, auf die Bank für Handel und Industrie gezogenen, auf den Überbringer lautenden Verrechnungsschecks über 5100 M. Auf diesem Scheck befindet sich folgender Vermerk: "Dieser Scheck ist uns heute vorgelegt und von uns nicht eingelöst worden." Darunter befindet sich das Datum, das ursprünglich "Berlin, den 9. Mai 1919" lautete. Tag und Monat sind später ausgestrichen und durch die Angabe "28. April" ersetzt worden. Unter dem Datum ist die Firma der Bezogenen aufgedruckt und hierunter stehen die Unterschriften "von G." und "H.", die letztere mit dem Zusatze "ppa.". Neben dem Vorlegungsvermerk steht das Wort "geändert" und

darunter die Unterschrift "H." Der Kläger hat auf Grund dieses Schecks im Scheckprozeß gegen den Beklagten auf Zahlung der Schecksumme nebst Zinsen geklagt. Der Beklagte hat eingewandt, der Scheck sei nicht rechtzeitig zur Zahlung vorgelegt worden; jedenfalls sei seine Vorlegung und Nichteinlösung nicht in der in § 16 ScheckG. vorgeschriebenen Weise nachgewiesen, da der Vorlegungsvermerk unrichtig datiert, unzulässigerweise erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist ausgestellt und ebenso wie der nachträgliche Änderungsvermerk von Personen unterschrieben sei, denen die Befugnis zur Vertretung der Bezogenen gefehlt habe.

Das Landgericht wies die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft ab. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, auf die Anschlußberufung des Beklagten dagegen die Klage als sachlich unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Gründe

Der Berufungsrichter erachtet den Klaganspruch für unbegründet, weil nach § 16 ScheckG. zur Ausübung des Rückgriffsrechts des Scheckinhabers gegen den Aussteller nachgewiesen werden müsse, daß der Scheck dem Bezogenen rechtzeitig zur Zahlung vorgelegt und nicht eingelöst oder daß die Vorlegung vergeblich versucht worden sei. Dieser Nachweis sei aber im gegenwärtigen Falle nicht in der in § 16 vorgeschriebenen Weise geführt, da der auf dem Scheck befindliche Vermerk den Erfordernissen des § 16 Nr. 1 nicht entspreche. Denn erstens habe der Vermerk durch nachträgliche Änderung des Ausstellungsdatums ein Datum erhalten, das dem Tage der Ausstellung nicht entspreche; zweitens sei die Ausstellung unzulässigerweise erst nach Ablauf der Vorlegungsfrist erfolgt; und schließlich seien die Personen, die den Vorlegungsvermerk und seine Änderung unterschrieben haben, zur Vertretung der Bezogenen nicht befugt gewesen.

Die beiden ersten Gründe werden allerdings mit Recht von der Revision bekämpft.

1.

Zunächst ist der Auffassung des Berufungsrichters, daß die Unrichtigkeit des Ausstellungsdatums der vom Bezogenen erteilten Vorlegungsbescheinigung dieser die Gültigkeit entziehe, nicht beizutreten. Denn diese Bescheinigung braucht bloß den Anforderungen zu genügen, die in § 16 Nr. 1 ScheckG. vorgeschrieben sind. Sie muß also zwar den Tag der Vorlegung des Schecks angeben, braucht aber selbst nicht datiert zu sein. Es ist daher auch nicht einzusehen, wie die Unrichtigkeit eines hinzugesetzten Ausstellungsdatums die Wirksamkeit der Bescheinigung beeinträchtigen sollte.

2.

Auch die weitere Anforderung, des Berufungsrichters, die Vorlegungsbescheinigung des Bezogenen müsse, um wirksam zu sein, während der Vorlegungsfrist des § 11 ScheckG, ausgestellt sein, ist aus dem Gesetze nicht abzuleiten. Eine ausdrückliche Vorschrift in diesem Sinne ist im Gesetz - im Gegensatze zum österreichischen Scheckgesetz vom 3, April 1906 § 16 Abs. 4 - nicht enthalten. Die Begründung des Entwurfs spricht dagegen ausdrücklich aus, daß die Vorlegungsbescheinigung auch noch nachträglich beigebracht werden könne, und ein Widerspruch hiergegen ist von keiner Seite erfolgt. Zudem hätte es, wenn für die Ausstellung der Vorlegungsbescheinigung eine Frist vorgeschrieben werden sollte, nahe gelegen, auch die Datierung dieser Bescheinigung vorzuschreiben. Eine solche Vorschrift ist, wie bereits erwähnt, nicht gegeben. Das Schrifttum steht denn auch, abgesehen von vereinzelten Ausnahmen (Zeitschr. f. Handelsrecht Bd. 63 S. 35 und 108), fast einstimmig auf dem Standpunkte, daß für die Ausstellung der Vorlegungsbescheinigung keine Frist vorgeschrieben sei, - Breit, Pflichten und Rechte des Bankiers nach dem Scheckgesetze S. 42; derselbe in Borchardts Handelsgesetzen des Erdballs XIII. 2 S. III, 7; Langen, Zum Scheckrecht S. 100; Düringer-Hachenburg HGB. Bd. 2 S. 600; Cosack, Handelsrecht 8. Aufl. S. 254 und die Kommentare von Lessing S. 130, Buff S. 83, Henschel S. 44. Jehle S. 73 und Schiebler S. 44 - und dieser Standpunkt wird auch von dem Oberlandesgericht zu Dresden in der vom Berufungsrichter angeführten Entscheidung (ROLG. Bd. 35 S. 5) vertreten. Die Gründe, aus denen der Berufungsrichter zum gegenteiligen Ergebnis gelangt, sind nicht überzeugend. Er folgert sein Ergebnis zunächst daraus, daß auch der in § 16 Nr. 3 ScheckG. als Beweismittel für die rechtzeitige Vorlegung und Nichteinlösung des Schecks zugelassene Protest während der Vorlegungsfrist vollständig beurkundet sein müsse. Auch dies sei zwar im Gesetze nicht ausdrücklich ausgesprochen. Es sei aber allgemein anerkannt und ergebe sich, abgesehen von der Begründung des Entwurfs des Scheckgesetzes (S. 30), aus der in § 16 Abs. 2 dieses Gesetzes angeordneten entsprechenden Anwendung des die Berichtigung des Wechselprotestes betreffenden Art. 90 WO. in der Fassung vom 3. Juni 1908 (RGBl. S. 326). Auch sei zu berücksichtigen, daß nach Art. 41 WO. zur Ausübung des bei nicht erlangter Zahlung statthaften Regresses aus dem Wechsel erforderlich sei, daß die Präsentation des Wechsels und die Nichterlangung der Zahlung durch einen "rechtzeitig darüber aufgenommenen" Protest dargetan werde. Ob aber nicht gerade daraus, daß die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den Scheckprotest nicht vorgeschrieben, daß für diesen Protest auch keine besondere Protestfrist bestimmt ist und daß der Berufungsrichter die von ihm angeführte Stelle, der Begründung des Entwurfs offensichtlich mißversteht, oder ob nicht aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die Rechtsauffassung des Berufungsrichters hinsichtlich des Scheckprotestes zu erheben sind, bedarf nicht der Erörterung. Denn die aus dieser Auffassung gezogene Schlußfolgerung, daß für das Vorlegungszeugnis des Bezogenen auch ohne besondere Vorschrift das gleiche gelten müsse wie für den Protest, ist nicht als zwingend anzuerkennen, zumal da die Absicht des Gesetzes dahin ging, den Nachweis der Vorlegung und Nichteinlösung des Schecks so viel als möglich zu erleichtern. Auch der Hinweis des Berufungsrichters auf die Notwendigkeit, etwaigen unlauteren Machenschaften zwischen dem Bezogenen und dem Scheckinhaber vorzubeugen, kann die von ihm vertretene Rechtsansicht nicht begründen. Denn inwiefern von diesem Standpunkt aus solchen Machenschaften wirksam vorgebeugt werden könnte, ist nicht ersichtlich.

3.

Im Ergebnisse beizutreten war dagegen dem dritten Entscheidungsgrunde. Denn das abgeänderte Vorlegungszeugnis der Bezogenen ist, soweit die für den Nachweis der rechtzeitigen Vorlegung des Schecks erforderliche Änderung des Datums in Betracht kommt, nur von dem Prokuristen H. unterschrieben. Dessen Unterschrift reicht aber nicht aus, um dem in § 16 Nr. 1 aufgestellten Erfordernis der Unterschrift des Bezogenen zu entsprechen. Nach dem eigenen Sachvortrage des Klägers und der Streitgehilfin war H. für sich allein weder als gesetzlicher Vertreter noch als Bevollmächtigter der Streitgehilfin zu deren Vertretung ermächtigt, vielmehr stand ihm danach nur Gesamtvertretungsbefugnis zusammen mit anderen Vertretern zu. Insbesondere ist nicht behauptet worden, daß er ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt worden sei, Erklärungen der hier fraglichen Art allein für die Streitgehilfin abzugeben. Die Revision meint zwar, hierauf komme es nicht an, da es sich hier nur um eine Wissenserklärung, nicht um eine Willenserklärung handele. Allein diese Unterscheidung ist hier bedeutungslos. Denn wenn es sich auch bei der Vorlegungsbescheinigung des Bezogenen gemäß § 16 Nr. 1 ScheckG. nur um die Beurkundung von Tatsachen handelt, so kann doch diese Bescheinigung für den Bezogenen nur von solchen Personen ausgestellt werden, die kraft Gesetzes oder Vollmacht zu seiner Vertretung ermächtigt sind. Im Falle der Gesamtvertretung müssen daher so viele Vertreter mitwirken, als zur Abgabe einer Erklärung im Namen des Bezogenen erforderlich ist. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß es nach der auch im Schrifttum zur Anerkennung gelangten Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ. Bd. 24 S. 86, Bd. 53 S. 230) zur Gültigkeit eines Wechselprotestes und mithin auch eines Scheckprotestes, auch wenn der Protestat von mehreren Personen nur in Gemeinschaft vertreten wird, genügt, wenn das für die Protesterhebung notwendige Zahlungsbegehren nur an einen der Vertreter gerichtet wird. Denn diese Rechtsauffassung beruht auf der Erwägung, daß es sich hierbei nur um eine Willenserklärung handelt, die gegenüber dem Protestaten abzugeben ist, daß eine solche aber auch im Falle der Gesamtvertretung nach dem den Vorschriften des § 171 Abs. 3 ZPO., § 28 Abs. 2 BGB., § 125 Abs. 2 Satz 3, § 150 Abs. 2 Satz 2, § 232 Abs. 1 Satz 3 HGB, § 36 Abs. 2 Satz 3 GmbHG. zugrunde liegenden Rechtsgedanken auch gegenüber nur einem von den mehreren Gesamtvertretern wirksam erfolgen kann. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht, da die Ausstellung der in § 16 Nr. 1 ScheckG. vorgesehenen Bescheinigung die Abgabe und nicht die bloße Entgegennahme einer Erklärung enthält. Der hier in Rede stehende Mangel der Vorlegungsbescheinigung kann auch nicht etwa nur zur Abweisung der Klage in der gewählten Prozeßart führen. Denn die Vorlegungsbescheinigung des Bezogenen kommt nach § 16 nicht lediglich als Beweismittel im Prozesse in Betracht, sondern sie bildet eine sachliche Voraussetzung für die Entstehung des Rückgriffsanspruchs des Scheckinhabers. Ihr festgestellter Mangel muß daher dazu führen, daß die Klage als unbegründet abgewiesen wird.