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RG, 16.10.1918 - I 110/18

Daten
Fall: 
Kommission oder Propergeschäft
Fundstellen: 
RGZ 94, 65
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.10.1918
Aktenzeichen: 
I 110/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Kommission oder Propergeschäft. Zum Begriffe des Irrtums über den Inhalt einer Erklärung.

Tatbestand

Der Kläger wollte im Oktober 1916 10000 M Aktien der Rheinisch-Westfälischen Sprengstoff Aktiengesellschaft kaufen. Er übergab der Depositenkasse L. der Beklagten den Auftragszettel vom 10. Oktober 1916. In diesem bezeichnet er sich als Käufer, auch wird von seinem "Kaufgebot" gesprochen. Als Preis wird angegeben "höchstens 340/42". Es ist die Klausel hinzugefügt: auf die vorstehenden ohne Kursbegrenzung oder bestens gegebenen Anerbieten wollen Sie den Kurs nach billigem Ermessen (§ 315 BGB.) bestimmen. Die Beklagte ließ die Stücke durch ihren Börsenvertreter St. am 10. Oktober 1916 an der Börse ankaufen und zwar zum Kurse vom 4371/2 Der Börsenvertreter hat nach den Einrichtungen der Beklagten die Ausführung auf einem Zettel zu notieren. Ein Bote teilt auf Grund des Zettels der Depositenkasse mit, zu welchem Kurse der Auftrag ausgeführt ist. Gleichfalls auf Grund dieser Zettel werden die sogenannten Börsenbogen zusammengestellt, durch die jede Depositenkasse nochmals über die Ausführung unterrichtet wird. Der Börsenvertreter St. schrieb nun versehentlich 3371/2 statt 4371/2 auf den Zettel. Dies wurde der Depositenkasse mitgeteilt, und ein Beamter der Kasse, S., setzte einen nachfragenden Boten des Klägers in Kenntnis, daß die Ausführung zu 3371/2 erfolgt sei. Das Versehen wurde bald bemerkt. Die Beamten der Depositenkasse erklärten dem Kläger am Nachmittage des 10. Oktober, es sei ein Irrtum vorgekommen, der Kurs sei 4371/2. Der Kläger wollte jedoch den höheren Kurs nicht gelten lassen. Da die Beklagte zu 3371/2 nicht liefern wollte, hat Kläger sich nach seiner Behauptung anderweitig eingedeckt und verlangt klagend Schadensersatz.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers wurde vom Kammergerichte zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers blieb gleichfalls erfolglos.

Gründe

"Der Auftragszettel vom 10. Oktober 1916, den der Kläger unterzeichnet hat, stellt sich seinem Wortlaute nach als Kaufangebot dar. Das vorgedruckte Formular rührt von der Beklagten her; diese wollte also offensichtlich bei ihren Geschäften in der Regel als Eigenhändlerin, nicht als Kommissionärin auftreten. Dementsprechend hat das Kammergericht -- bei Unterstellung einer Abschlußbefugnis des Beamten der Depositenkasse S. -- einen Kaufvertrag als vorliegend angenommen. Dem kann nicht zugestimmt werden. Es ist anerkannt, daß in der kaufmännischen Praxis Eigenhandel und Kommission vielfach ineinander übergehen. Ob Eigenhandel- oder Kommission vorliegt, dafür ist nicht die Wahl des Ausdrucks im Auftrag entscheidend. Der Gebrauch des Wortes Auftrag hindert nicht, daß in Wahrheit ein Kauf vorliegt, und ebenso findet sich der Ausdruck kaufen, wenn es sich in Wahrheit um eine Kommission handelt. Auch eine etwaige Vereinbarung von Provision deutet nicht mit Sicherheit darauf, daß nur eine Kommission beabsichtigt war. Vielmehr ist -- neben etwaigen beweiserheblichen Vorverhandlungen -- das in der Regel entscheidende Merkmal, ob ein fester Preis vereinbart ist. Nur bei solcher Vereinbarung liegt der Regel nach ein Kauf vor. Der Preis braucht nicht in bestimmten Zahlen ausgedrückt zu sein, aber er muß objektiv feststellbar sein, z. B. 1/4% über Berliner Kurs (vgl. Breit im Verbandskommentar zum Börsengesetz, Anhang, Einführung Anm.42; Nußbaum, Kommentar zum Börsengesetz, Anhang II; B. Lehmann, Handelsrecht, §189, 8; Düringer-Hachenburg, § 383 Anm. 22; Staub-Koenige, § 383 Anm. 9).

Ist ein objektiv bestimmbarer Preis nicht festgesetzt, verlangt vielmehr der Kunde, daß zu einem möglichst günstigen Preise abgeschlossen werden und daß der Bankier sich bemühen soll, einen solchen zu erzielen, so ist eine Kommission gegeben. So liegt die Sache hier. Als Preis ist angegeben: höchstens 340/42. Das heißt, die Beklagte sollte sich bemühen, möglichst billig zu kaufen, und sollte jedenfalls die Grenze von 340/42 nicht überschreiten. Eine solche Abmachung ist mit einem Kaufvertrage nicht vereinbar. An diesem Ergebnis wird auch nichts durch die Klausel des Zettels geändert "aus die vorstehenden ohne Kursbegrenzung oder bestens gegebenen Anerbieten wollen Sie den Kurs nach billigem Ermessen (§ 315 BGB.) bestimmen". Einmal ist der Preis weder "ohne Kursbegrenzung", noch "bestens" angegeben. Und zweitens kann durch eine Klausel nicht aus der Welt geschafft werden, daß die verlangten Bemühungen, billig einzukaufen (höchstens 340/42), mit einem Kaufvertrag unvereinbar sind.

Hiernach liegt eine Kommission vor. Da nun die Beklagte die Ausführung der Kommission angezeigt hat, ohne zu bemerken, daß sie selbst eintreten wolle, so gilt dies als Erklärung, daß die Ausführung durch Abschluß mit einem Dritten für Rechnung des Klägers erfolgt ist (§ 405 Abs. 1 HGB.). Mithin ist dem Kläger mitgeteilt worden, daß für seine Rechnung mit einem Dritten zu 3371/2 abgeschlossen sei. Diese Mitteilung war inhaltlich unrichtig und beruhte auf einem Irrtum. Die Beklagte war daher in der Lage, sie auf Grund des § 119 Abs. 1 BGB. mit Erfolg anzufechten. Das hat sie, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, unverzüglich getan. Sie ist deshalb an ihre Mitteilung nicht gebunden, so daß der Schadensersatzanspruch des Klägers sich als unbegründet erweist.

Allerdings ist es etwas Seltenes, daß eine Bank einen Kommissionsauftrag durch Abschluß mit einem Dritten (und nicht durch Selbsteintritt) ausführt. Man könnte deshalb annehmen, daß die Ausführungsanzeige dahin von der Beklagten gemeint und vom Kläger unter Zustimmung verstanden war, daß die Beklagte selbst eintreten und zu 3371/2 liefern wollte. Auch dann wäre das Endergebnis kein anderes. Freilich liegt die Sache dann insofern nicht ganz so klar, als in Betracht zu ziehen wäre, ob es sich solchenfalls bei der Beklagten nicht um einen -- zur Anfechtung nicht berechtigenden -- Irrtum im Beweggrunde handelte. Diese Annahme wäre indessen nicht gerechtfertigt. Die Erklärung der Beklagten wäre zwar ihrem Wortlaute nach nur dahin gegangen, daß sie zu 3371/2 liefern wollte. Aber nicht alles, was in der Erklärung keinen wörtlichen Ausdruck gefunden hat. ist darum reiner Irrtum im Beweggründe. Auch die -- irrtümlich für richtig gehaltenen -- Grundlagen der Erklärung, auf denen diese sich aufbaut und die an sich nur einen Irrtum im Motiv abgeben, werden zum Inhalte der Erklärung, wenn sie in einer dem Gegner erkennbaren Weise die Erklärung beeinflußt haben und wenn sie Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Parteien geworden sind (RGZ. Bd. 64 S. 268, Bd. 85 S. 323 flg.). So liegt die Sache hier. Der Kläger hat sich nach seiner Darstellung am 9. Oktober bei der Beklagten nach dem Kurse der Aktien erkundigen lassen. Ihm soll ein Kurs von 340 bis 342 genannt worden sein. Er hat sodann nochmals nachfragen lassen, ob dieser ihm zu niedrig erscheinende Kurs richtig sei. Als das bejaht wurde, hat er am Mittag des 10. Oktober den Kaufauftrag erteilt und sodann nach 5 Uhr, also nach der Börse, nachfragen lassen, ob das Geschäft in Ordnung sei. Aus dieser Darstellung geht hervor, daß der Kläger nichts anderes erwartete, als zu dem am 10. Oktober bestehenden Kurse die Aktien zu erhalten. Das war die ausdrückliche, sich übrigens auch von selbst verstehende Grundlage, von der die gesamten Verhandlungen und der Kaufvertrag ausgingen. Die Preisbestimmung "höchstens 340/42" ließ weiter deutlich erkennen, daß die Beklagte möglichst billig für ihn einkaufen sollte. Wenn diese Momente im Auge behalten werden, so gewinnt der dem Kläger schließlich gewordene Bescheid, der Kauf sei mit 3371/2 in Ordnung, eine weitergehende Bedeutung. Es wurde in einer dem Kläger erkennbaren Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagte den Auftrag zum Tageskurse von 3371/2 gedeckt habe. Damit zeigt sich, daß die erwähnte Erklärung des Beamten der Beklagten einen über den reinen Wortlaut hinausgehenden Sinn hatte, nämlich daß der Auftrag zum Tageskurse von 3371/2 ausgeführt sei und die Beklagte deshalb -- nach der gemachten Unterstellung -- zu diesem Kurse als Selbstkontrahentin liefern wollte. Dies war Inhalt der Erklärung. Da er auf Irrtum beruhte, war der Inhalt der.Erklärung irrtümlich. Somit ist die unverzüglich vorgenommene Anfechtung berechtigt."