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RG, 12.10.1920 - VII 168/20

Daten
Fall: 
Schadensersatzanspruchsverjährung und Schiedsgericht
Fundstellen: 
RGZ 100, 118
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
12.10.1920
Aktenzeichen: 
VII 168/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • OLG Köln

Wird ein Schadensersatzanspruch, der an sich einer kurzfristigen Verjährung unterliegt, dadurch der dreißigjährigen Verjährung unterworfen, daß ihn ein Schiedsgericht, dessen Aufgabe darauf beschränkt ist, über den Grund des Anspruchs zu entscheiden, dem Grunde nach als gerechtfertigt feststellt ?

Tatbestand

Die Klägerin hat auf ihre Bestellung im Jahre 1909 von der Beklagten zunächst eine und sodann eine zweite Trennbandsäge geliefert erhalten und um die Zeit der ersten Lieferung 4000 M an die Beklagte gezahlt. Für den Fall von Mängelrügen war die Bildung eines Schiedsgerichts vorgesehen. Schon nach Lieferung der ersten Maschine kam es zu Mängelrügen der Klägerin, die zu weiteren Verhandlungen führten. Am 12. Februar 1910 übernahm die Klägerin die Bandsägen zum Betrieb. Im März dess. Jahres rügte sie wiederum gewisse Mängel und stellte der Beklagten beide Bandsägen mit dem Verlangen der Nachlieferung mängelfreier Maschinen zur Verfügung. Die Beklagte erkannte die Rügen nicht an und lehnte das Lieferungsverlangen ab. Die Parteien beriefen sodann ein Schiedsgericht. In dessen erster Sitzung am 3. Mai 1910 erklärten sie zu Protokoll, daß die ordentlichen Gerichte ausschließlich über die Höhe der sich aus dem zu fällenden Schiedsspruch ergebenden Geldforderungen entscheiden sollten und daß für den Tatbestand und alle übrigen Streitfragen das einberufene Schiedsgericht zuständig sei; der Schiedsspruch habe auch die sämtlichen Erhebungen technischer Art, soweit sie im Bereiche des Wissens der Schiedsrichter liegen, zu enthalten. Am 28. April 1911 erließen die Schiedsrichter den mit Gründen versehenen Schiedsspruch, in dessen Formel unter I die Mängelrüge der Klägerin hinsichtlich einer Reihe von Punkten für berechtigt erklärt,

unter II bis V die Verurteilung der Beklagten ausgesprochen wurde, der Klägerin die ihr entstandenen Auslagen für Zoll, Fracht, Abladen, Montage, Beihilfe bei den verschiedenen Änderungen, Demontage, Aufladen und etwaige Versicherung für die gelieferten Trennbandsägen und Bandsägeblätter zu vergüten,

der Klägerin die Auslagen für die Aufführung und den Abbruch der für die beiden Sägen erforderlich gewesenen Fundamente zu vergüten,

die Kosten, welche der Klägerin für die Umänderung bei Transmissionen, d. i. der Wellen, Lager, Befestigungsteile, Kuppelungen, Stellringe, Riemenscheiben, Ausrücker und Fundamente der Lager entstanden waren, um die 2 Ersatz Bolinder Bandsägen betreiben zu können, zu ersetzen, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der infolge mangelhaften Arbeitens der Trennbandsägen durch Wertminderung des bis zum 14. Mai 1910 geschnittenen Holzes entstanden war, wobei zu jedem der vier Posten der von den Schiedsrichtern für angemessen erachtete Betrag angegeben und unter VII über die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens erkannt wurde.

Inzwischen hatte Klägerin mit der im Mai 1910 erhobenen Klage des vorliegenden Rechtsstreites 23250 M beansprucht, und zwar 3250 M als Rückgewähr des für die erste Säge gezahlten Kaufpreises und 20000 M Schadensersatz für zunächst 20 Tage. Zu einer streitigen sachlichen Verhandlung ist es in diesem Prozeß jahrelang nicht gekommen. Vom 8. März 1911 an hat der Prozeß geruht, bis Klägerin mittels Schriftsatzes vom 13. November dess. Jahres den Antrag ankündigte, die Beklagte zur Zahlung von 24774,11 M zu verurteilen und mit Schriftsatz vom 30. November 1911 Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins beantragte. In der ersten streitigen Verhandlung vom 9. Juli 1912 verlas Klägerin den im Schriftsatze vom 13. November 1911 angekündigten Antrag und bezog sich zur Begründung auf eine Rechnungsaufstellung. Die Beklagte beantragte Klagabweisung.

Nachdem das Landgericht durch Zwischenurteil die Einwände der unzulässigen Klagänderung und der Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs verworfen hatte, verurteilte es die Beklagte, Zug um Zug gegen Rücknahme der der Klägerin gelieferten beiden Trennbandsägen 19295,45 M an sie zu zahlen, und wies die Mehrforderung ab. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Durch Teilurteil des Berufungsgerichts wurde die Klage in Höhe von 16045,45 M abgewiesen. Die Revision der Klägerin, mit der diese das Urteil anfocht, soweit es die Klage für mehr als 3931,50 M abwies, führte zur Aufhebung.

Gründe

Die im angefochtenen Berufungsteilurteile der Klägerin abgesprochenen 16045,45 M umfassen die ihr vom Landgerichte zuerkannten 19295.45 M mit Ausschluß des schon in der Klageschrift enthaltenen besonderen Rechnungspostens von 3250 M und setzen sich aus den in erster Instanz als erstattungspflichtig berechneten Schiedsgerichtskosten von 3931,50 M sowie aus den in erster Instanz auf Grund der Nummern II bis V des Schiedsspruchs unter Aufrechnung gewisser Gegenforderungen zugesprochenen Beträgen zusammen. Die Revision fügt sich dem Entscheidungsgrunde des Berufungsrichters hinsichtlich der Schiedsgerichtskosten, daß insoweit Erstattungsansprüche vor dem Schiedsgerichte geltend zu machen seien, und greift nur die vorinstanzliche Abweisung der auf die schiedsrichterliche Entscheidung zu II bis V mitgestützten Klagansprüche als unberechtigt an. Nach Ansicht des Berufungsrichters sind die letzterwähnten Ansprüche, wenn sie entstanden sein sollten, durch Verjährung untergegangen. Das angefochtene Urteil legt eingehend dar, daß es sich insoweit um Ansprüche handelt, die an und für sich - abgesehen vom Schiedsspruche - der sechsmonatigen Verjährung des § 477 BGB. unterlagen, daß sie nicht schon in der Klageschrift des vorliegenden Prozesses, sondern als nachträglich neu erhoben wirksam erst in der gerichtlichen Verhandlung vom 9. Juli 1912 geltend gemacht seien, damals aber die sechsmonatige Verjährungsfrist - deren Lauf zwar durch das schiedsgerichtliche Verfahren und zufolge Verhandlungen der Parteien auch noch für geraume Zeit nach Abschluß jenes Verfahrens hinausgeschoben sei, indes spätestens am 3. November 1911 begonnen habe - schon abgelaufen gewesen sei. Die mit Hinweis auf die §§ 209, 218, 220 BGB. begründete Replik der Klägerin, daß hier die dreißigjährige Verjährung Platz greife, ist im Berufungsurteile mit der Erwägung verworfen, die Entscheidung des Schiedsgerichts stehe einem nur über den Grund entscheidenden gerichtlichen Urteile gleich, und gegen ein solches laufe nicht die dreißigjährige, sondern die ursprüngliche Verjährungsfrist (vgl. hierzu RGZ. Bd. 66 S. 10). Die Revision zieht in Zweifel, ob sich der Berufungsrichter mit der Verjährungseinrede überhaupt befassen durfte. ... (Es folgen Erwägungen, mit denen das Bedenken zurückgewiesen wird.) Sodann können Bedenken beiseite bleiben, die von der Revision gegen die Ansicht des Berufungsrichters entwickelt werden, die von ihm als verjährt befundenen Klagansprüche seien noch nicht mit der ursprünglichen Klage, sondern erst am 9. Juli 1912 rechtshängig gemacht worden. Von grundlegender Bedeutung für die Annahme der Verjährung mit Bemessung der Verjährungsfrist auf 6 Monate und nicht, wie Klägerin wollte, auf 30 Jahre war die Auffassung des Berufungsrichters, daß die in betreff jener Ansprüche ergangene Entscheidung des Schiedsgerichts nicht einem gerichtlichen Feststellungsurteile (ZPO. § 256), sondern einem nach § 304 ZPO. erlassenen gerichtlichen Zwischenurteil entspreche. Diese Auffassung wird von der Revision mit Recht bekämpft.

Vorweg ist der Standpunkt der Revisionsbeantwortung abzulehnen, welche in den Aussprüchen unter II bis V der Schiedsspruchformel Zwischenentscheidungen finden will, die einem gerichtlichen Urteile nach §303 ZPO. gleichzustellen sind. Jene Aussprüche entscheiden nicht über einzelne Angriffsmittel, sondern über das Bestehen gewisser vollständig umschriebener Ansprüche im ganzen bis auf deren Geldbetrag, hinsichtlich dessen sich die Schiedsrichter nur gutachtlich geäußert haben. Für solche Entscheidung kann nur die Gleichstellung mit einem Zwischenurteil nach § 304 ZPO. oder mit einem Feststellungsurteil in Frage kommen. Für die Auffassung im ersteren Sinne, die das angefochtene Urteil vertritt, könnte man auf Bemerkungen im Kommentar zur ZPO. von Struckmann und Koch § 1040 Anm. 1 und in Daubenspecks Schrift: "Die Schiedsgerichte für Regulierung der Bergschäden" S. 83 hinweisen. Überzeugende Gründe lassen jedoch die angedeuteten Bemerkungen nicht ersehen. Insbesondere ist für den in jenem Kommentar aufgestellten Satz, ein Schiedsspruch, der sich vertragsmäßig auf den Grund des Anspruchs beschränke, habe die Kraft eines Zwischenurteils nach § 304, aus der ebendort angezogenen Entscheidung RGZ. Bd. 69 S. 52 eine irgendwie beweiskräftige Stütze nicht zu entnehmen. Man muß von vornherein beachten, daß sich Grundurteile nach § 304 und Feststellungsurteile nach § 256 ZPO. inhaltlich sehr nahe stehen. Dabei ist zu der Frage, welcher der beiden Arten von Urteilen ein gewisser Schiedsspruch entspricht, nicht einmal verwertbar, daß Klagen auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses ein rechtliches Interesse des Klägers daran erfordern, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Denn bei der freien Stellung, die einem Schiedsgerichte für die Gestaltung seines Verfahrens im allgemeinen einzuräumen und grundsätzlich auch im vorliegenden Falle eingeräumt ist, kann dafür, welcher der beiden fraglichen Entscheidungsarten ein Schiedsspruch zuzuweisen ist, der - wie hier - bestimmte einzelne Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien feststellt, nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob auf seiten der klagenden Partei ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 bestand. Wichtiger könnte sein, welchen Inhalt und welche Fassung der Sachvortrag der Klägerin vor dem Schiedsgerichte hatte, da es nicht denkbar erscheint, die in Betracht kommenden schiedsrichterlichen Aussprüche auch in dem Falle, wenn und soweit von der Klägerin im Schiedsverfahren noch nicht bestimmte Geldansprüche vorgebracht waren, als eine Zwischenentscheidung zu beurteilen (vgl. RGZ. Bd. 97 S. 120). Es mag indes, wiewohl in der Begründung des Berufungsurteils bestimmte Feststellungen nach der Richtung nicht getroffen sind, unterstellt werden (vgl. auch die Formel des Schiedsspruchs zu II bis V), daß Klägerin ihre Ersatzansprüche schon im Schiedsverfahren dem Betrage nach bezeichnet hat. Daraus folgt aber nach Lage des Falles noch keineswegs, daß dem Berufungsrichter beizustimmen sei. Als ein Zwischenurteil nach § 304 ist nur ein Urteil anzusehen, das im Laufe eines einheitlich auch zur Entscheidung über den streitigen Betrag des Klaganspruchs anhängig gemachten und auf letztere Entscheidung mitgerichteten Prozeßverfahrens ergeht und lediglich den Charakter einer das Endurteil vorbereitenden Entscheidung hat (vgl. JW. 1904 S. 493 Nr. 2; RGZ. Bd. 66 S. 10, auch Bd. 21 S. 387, 388). Bei Übertragung der Erwägung auf ein Schiedsverfahren setzt die Beurteilung eines Schiedsspruchs als einer dem § 304 entsprechenden Zwischenentscheidung notwendig voraus, daß die Schiedsrichter über den Grund eines bei ihnen anhängig gemachten, auch dem Betrage nach streitigen Anspruchs entschieden haben, um damit eine vorbereitende Grundlage für einen Endschiedsspruch, den sie gleichfalls zu fällen berufen und gewillt sind, zu schaffen (vgl. JW. 1918 S. 137 Nr. 12). Hier kam für die Schiedsrichter nach ihrem Spruche vom 28. April 1911 eine Fortsetzung ihres Verfahrens und ein späterer Endschiedsspruch über den Anspruchsbetrag nicht in Frage. Der von ihnen gefällte Spruch hat die Bedeutung einer ganz selbständigen Entscheidung, mit der das anhängig gemachte Schiedsverfahren in der Hauptsache endgültig seinen Abschluß fand. Die Entscheidung über den Betrag der Ansprüche gehörte nach dem Abkommen der Parteien vom 3. Mai 1910 nicht zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Sie konnte nur in einem besonderen, bei dem ordentlichen Richter anhängig gemachten Prozesse herbeigeführt werden und erfolgen. Wenn sich die Schiedsrichter, denen in jenem Abkommen Aufgaben von untereinander verschiedener Natur und Tragweite mit vorzugsweiser Berücksichtigung der technischen Fragen zugewiesen sind, über den angemessenen Geldbetrag der Ansprüche äußerten, so gaben sie insoweit nur Gutachten ab, und die Angaben, welche die Parteien selbst den Schiedsrichtern über die Anspruchsbeträge unterbreiteten, konnten nur auf Erreichung günstiger Gutachten zielen. Soweit aber die Schiedsrichter in den Nummern II bis V Entscheidungen getroffen haben, steht mit der Beurteilung ihres Spruches als End- und nicht als Zwischenentscheidung in vollem Einklange, daß sie auch über die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens entschieden haben und, wie das Berufungsurteil mit Grund annimmt, nach dem Willen der Parteien über diese Kosten entscheiden sollten. Denn bei Erlaß von Zwischenurteilen und diesen gleichzustellenden Entscheidungen ist über die Kosten des Verfahrens nicht zu befinden (vgl. RGZ. Bd. 16 S. 316, Bd. 40 S. 369, Bd. 66 S. 10), Nach alledem bleibt nur übrig, den Schiedsspruch vom 28. April 1911 in seinen Entscheidungen zu II bis V als einen einem gerichtlichen Feststellungsurteil entsprechenden Endschiedsspruch zu beurteilen. Kann sonach die im Berufungsurteile vertretene abweichende Beurteilung des Schiedsspruchs nicht bestehen bleiben, so muß auch die in Anlehnung an RGZ. Nd. 66 S. 10 gezogene Folgerung jenes Urteils, daß die vom Schiedsgericht im Grunde als berechtigt festgestellten Schadensersatzansprüche der Klägerin nach wie vor der ursprünglichen kurzen Verjährungsfrist unterlagen, als hinfällig erscheinen. Vom Standpunkte der vorstehenden Erörterungen aus ist vielmehr unbedenklich anzunehmen, daß jene Ansprüche nur noch der dreißigjährigen Verjährung unterworfen sind (BGB. §§ 218, 220; ZPO. § 1040).