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RG, 05.10.1920 - III 213/20

Daten
Fall: 
Drittbezogenheit einer Amtspflicht eines Katasterbeamten
Fundstellen: 
RGZ 100, 102
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.10.1920
Aktenzeichen: 
III 213/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Verden
  • OLG Celle

1. Liegt die Amtspflicht, dem Grundbuchamt wahrheitsgemäße Mitteilungen zu machen und irrtümliche zu berichtigen, den Katasterbeamten in Preußen auch gegenüber Dritten ob?
2. Setzt die Haftung des Staates nach dem preuß. Gesetze vom 1. August 1909 voraus, daß die Persönlichkeit des schuldigen Beamten festgestellt wird?

Tatbestand

Die Klägerin verkaufte im August 1919 ihr Haus Bismarckstraße 1 in L. Da im Grundbuch als Bismarckstraße 1 die Parzelle 498 / 32 bezeichnet war, wurde in der notariellen Urkunde diese Parzelle als Kaufgegenstand angegeben. Später stellte sich heraus, daß Bismarckstraße 1 in Wirklichkeit die Parzelle 487 / 32 war und die unrichtige Eintragung im Grundbuch auf ein Versehen des Katasteramts L. zurückging. Es wurde eine Rück- und eine Neuauflassung notwendig, und die Klägerin verlangte den Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens nach dem Gesetze vom 1. August 1909 in Verb, mit § 839 BGB. von dem beklagten preußischen Staat. Das Landgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht gab ihr statt. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Gründe

... In der rechtlichen Beurteilung des Klageanspruchs ist dem Berufungsgericht zunächst darin beizustimmen, daß es sich bei dem den Katasterbeamten zur Last gelegten Versehen um eine Verletzung von Amtspflichten handelt, die den Beamten gegenüber Dritten oblagen. Das Grundsteuerkataster bildet die Grundlage für die dem Rechtsverkehr dienenden Eintragungen in das Grundbuch, und es muß deshalb jedenfalls die Verpflichtung, dem Grundbuchamt wahrheitsgemäße Mitteilungen zu machen und irrtümliche nach Entdeckung des Irrtums alsbald zu berichtigen, als eine den Katasterbeamten auch gegenüber den am Grundstücksverkehr beteiligten Personen obliegende Amtspflicht angesehen werden. Diese Amtspflicht ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von den beteiligten Beamten schuldhaft verletzt worden. Mit Unrecht beschwert sich die Revision darüber, daß die Persönlichkeit der schuldigen Beamten weder mit Namen noch sonstwie festgestellt sei. Das Verlangen, daß der durch das Verhalten eines Staatsbeamten Geschädigte in jedem Falle die Person des Schuldigen bezeichne, ist im Gesetze nicht begründet und enthält auch eine Verkennung der Lage, in der sich der einzelne gegenüber dem Staat und seinen Beamten befindet. Der Staat handelt nur durch seine Beamten und zwingt dadurch Dritte, teils mit Beamten zu verhandeln, deren Persönlichkeit er nicht kennt, teils sich den Einwirkungen von Amtshandlungen auszusetzen, mit deren Urheber er in einen unmittelbaren Verkehr überhaupt nicht getreten ist. Es ist daher nur recht und billig und deshalb selbstverständlich, daß, soweit es nötig wird, der Staat, der ja seine Beamten kennt, dem durch ihr Verhalten Geschädigten Auskunft über die Persönlichkeit der beteiligten Beamten gibt, nicht umgekehrt der Geschädigte dem Staate. Und wenn es im einzelnen Falle ausnahmsweise unmöglich ist, die Person des Beamten festzustellen, dann muß einen hierdurch begründeten Nachteil nicht der außerhalb der Beamteneinrichtung stehende Dritte, sondern der Staat tragen, dessen Einrichtung diese Unmöglichkeit verursacht hat. Auch das Gesetz selbst fordert nach seinem Wortlaut für die Haftung des Staates nur, daß "ein unmittelbarer Staatsbeamter", also irgendeiner, sich im Sinne des § 839 BGB. verantwortlich gemacht habe (§ 1 Ges. v. 1. Aug. 1909). Der Staat kann deshalb seine Haftung nicht aus dem Grunde ablehnen, daß ihm durch die Unmöglichkeit, die Person des schuldigen Beamten festzustellen, die Verteidigung erschwert und die Möglichkeit eines Rückgriffes genommen werde. In diesem Sinne ist die Bestimmung des Gesetzes schon bei den gesetzgeberischen Verhandlungen (vgl. Kommiss. Bericht S. 3) verstanden worden, und in dem gleichen Sinne wird sie auch von der Rechtsprechung angewendet. Daß aber die Schuld einen unmittelbaren Staatsbeamten, nicht etwa einen Privatbediensteten oder sonstigen Nichtbeamten trifft, stellt das Berufungsgericht mit der Begründung einwandfrei fest, daß eine Beteiligung von Nichtbeamten nach der erfahrungs- und regelmäßigen Art der Personalzusammensetzung der Katasterämter nicht anzunehmen und ein Ausnahmefall vom Beklagten nicht behauptet worden sei. Das Berufungsgericht durfte bis zum Beweise des Gegenteils durch den Beklagten vom Regelfalle ausgehen. Es hatte auch keinen Anlaß zur Ausübung des Fragerechts. ...