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RG, 21.09.1920 - VII 143/20

Daten
Fall: 
Anspruch auf angemessene Entschädigung aus § 642 BGB
Fundstellen: 
RGZ 100, 46
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.09.1920
Aktenzeichen: 
VII 143/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hamburg
  • Oberlandesgericht Hamburg

1. Kann der Anspruch auf angemessene Entschädigung aus § 642 BGB. neben dem Anspruch auf die vereinbarte Vergütung aus § 631 das. geltend gemacht werden?
2. Schließt eine vorübergehende Verhinderung des Bestellers an der Vornahme der bei Herstellung des Wertes erforderlichen Handlung dessen Annahmeverzug im Sinne des § 642 BGB, aus?

Tatbestand

Durch Schreiben vom 16. März 1917 hat der Beklagte der Klägerin auf Grund ihres Angebots vom 12. desselben Monats die Anfertigung von 100 Greiferrädern übertragen. Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei mit der Anlieferung des von ihm zu stellenden Materials in Verzug geraten und dadurch sei ihr die bereits für Herbst 1917 vorgesehene Erledigung des Auftrags erst im Juli 1918 ermöglicht worden. Mit der Klage fordert sie Zahlung von 11715,24 M, da sie in dieser Höhe durch die verspätete Materiallieferung geschädigt worden sei. Der Beklagte hat den Anspruch nach Grund und Höhe bestritten. Die Vorinstanzen. erklärten den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen

... Die von der Revision erbetene Nachprüfung, ob der Unternehmer neben der Vergütung für die Herstellung des Werkes eine Entschädigung aus § 642 zu fordern in der Lage ist, ergibt kein Bedenken gegen die angefochtene Entscheidung. Diese Vorschrift gibt dem Unternehmer für den Fall, daß der Besteller durch Unterlassen der zur Herstellung des Werkes erforderlichen Handlung in Verzug der Annahme kommt, mit Rücksicht darauf, daß der Unternehmer wahrend der Dauer des Verzugs seine Arbeitskraft und sein Geschäftskapital für die Herstellung des Werkes so lange bereit halten muß, als seine Verpflichtung aus dem Vertrage noch nicht durch Aufkündigung seitens des Bestellers nach § 649 BGB. oder infolge seines eigenen Vorgehens nach § 643 daselbst aufgehoben ist, einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, Dieser Anspruch besteht selbständig und unabhängig sowohl neben dem Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, falls es nach Nachholung der Gläubigerhandlung zur Herstellung des Werkes kommt, wie auch neben den Ansprüchen, die die §§ 649 und 645 Abs. 1 S. 2 geben für den Fall, daß das Werk infolge Aufkündigung durch den Besteller oder gemäß § 643 unvollendet bleibt. In diesem Sinne hat sich der V. Zivilsenat des Reichsgerichts bereits in einem Urteile vom 14. Juni 1919 V 53/19 für den Fall der Aufkündigung nach § 649 ausgesprochen. Nimmt man aber in einem solchen Falle einen selbständigen Anspruch auf Entschädigung aus § 642 neben dem sich aus § 649 ergebenden Anspruch an, so muß die Selbständigkeit des ersten Anspruchs notwendig auch in dem Falle anerkannt werden, daß der Unternehmer in Erfüllung seiner trotz des Gläubigerverzugs fortbestehenden Vertragspflicht nach Beendigung des Verzugs das Werk hergestellt hat und für dieses die vertragsmäßige Vergütung verlangen kann. Hätte das Gesetz im Falle der Vollendung des Werkes den Anspruch aus § 642 neben dem aus § 631 versagen wollen, so hätte dies ausdrücklich gesagt sein müssen. Das Nebeneinanderbestehen beider Ansprüche wird denn auch allgemein in der Wissenschaft anerkannt.

Schließlich versagt aber auch die Revisionsrüge, die sich gegen die Zurückweisung des Einwandes des Beklagten richtet, daß ihm die rechtzeitige Beschaffung des Materials infolge der Kriegsverhältnisse unmöglich gewesen sei. Zu diesem Einwand hat sich der Berufungsrichter allerdings auf die Ausführung beschränkt: "Unmöglichkeit liegt nicht vor, da es sich nur um vorübergehende Behinderung in der Beschaffung gehandelt hat." Immerhin ist hierin erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß der Berufungsrichter in tatsächlicher Würdigung des Parteivorbringens nur eine vorübergehende subjektive Behinderung des Beklagten, nicht aber eine für die Frage des Gläubigerverzugs

möglicherweise in Betracht kommende objektive Unmöglichkeit als vorliegend angesehen hat. Daß aber ein vorübergehendes, subjektives Unvermögen des Gläubigers, die zur Herstellung des Wertes erforderliche Handlung vorzunehmen, dessen Verzug nicht ausschließt, ergibt sich nicht nur daraus, daß der Gläubigerverzug als eine Folge der Nichtvornahme der Handlung unabhängig von einem Verschulden des Gläubigers eintritt, sondern entspricht auch dem der Vorschrift, des § 642 zugrunde liegenden Rechtsgedanken. daß der Besteller eines Werkes billigerweise seinerseits die Gefahr eines vorübergehenden Unvermögens zur Vornahme der zur Herstellung des Werkes erforderlichen Handlung zu tragen hat. ...