RG, 10.07.1920 - V 437/19

Daten
Fall: 
Einlösung eines Verrechnungsschecks
Fundstellen: 
RGZ 100, 31
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.07.1920
Aktenzeichen: 
V 437/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht I Berlin
  • Kammergericht Berlin

Zur Frage der Haftung des Bezogenen aus der Einlösung eines Verrechnungsschecks, an dem zur Zeit der Vorlegung der Verrechnungsvermerk im Wege der Fälschung entfernt worden war.

Tatbestand

Die Klägerin hat von der Nebenintervenientin einen von dieser am 15. Januar 1918 auf die Beklagte gezogenen, an die Klägerin oder Überbringer zahlbaren Scheck über 4000 M zugesandt erhalten und mit einfachem Briefe der Dr. Bank übersandt. Diese hat jedoch den Scheck nicht erhalten; er ist vielmehr am 16. Januar 1918 der Beklagten von einer unbekannt gebliebenen Person vorgelegt und dieser gegenüber eingelöst worden. Der Scheck war, als er der Klägerin zuging, an zwei Stellen mit dem Vermerke "nur zur Verrechnung" versehen und wurde in diesem Zustande der Dr. Bank übersandt; der Beklagten ist dagegen der Scheck ohne diese Vermerke in dem Zustand, in dem er sich jetzt befindet, vorgelegt worden.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des Schadens, den sie durch Einlösung des Schecks erlitten haben will, in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage, das Kammergericht wies die Berufung der Klägerin zurück; ihre Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

Gemäß § 14 ScheckG. kann der Aussteller sowie jeder Inhaber eines Schecks durch den quer über die Vorderseite gesetzten Vermerk "nur zur Verrechnung" dessen bare Auszahlung verbieten, so daß dann die Einlösung nur durch die als Zahlung im Sinne des Schecks, geltende Verrechnung erfolgen kann. Die Übertretung des nicht rücknehmbaren Verbots "macht den Bezogenen für den dadurch entstehenden Schaden verantwortlich".

Es darf dem Berufungsgericht zugestimmt werden, wenn es die Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruchs jedem am Schecke Beteiligten zugesteht, der durch die verbotswidrige Bareinlösung einen Schaden erleidet, also nicht nur demjenigen, der den Verrechnungsvermerk auf den Scheck gesetzt hat (Begründung S. 30, Lessing, ScheckG. § 14 II. 4 Abs. 1. Breit, Pflichten und Rechte des Bankiers unter dem ScheckG. S. 38; Merzbacher, ScheckG. § 14 Anm. 6).

Würde eine verbotswidrige Bareinlösung vorliegen, so würde daher die Klägerin sich auf § 14 ScheckG. berufen können, wenn sie durch die Nichtbeachtung des Verbots einen Schaden erlitten hätte. Dies nimmt das Berufungsgericht an, weil die Klägerin ihre Forderung an die Nebenintervenientin ohne Gegenwert verloren habe, was es wieder daraus folgert, daß der Scheck eingelöst und die Nebenintervenientin von der Beklagten jedenfalls entsprechend belastet worden sei, und daß daher der Zahlungsversuch als gelungen und, für diesen Rechtsstreit wenigstens, die Nebenintervenientin als von ihrer Schuld bei der Klägerin befreit angesehen werden müsse.

Da das die Klage abweisende Ergebnis, zu dem beide Gerichte gelangen, zu billigen ist, so kann es dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen frei von Rechtsirrtum sind. Auch wenn man davon ausgeht, daß eine dem Verbote der baren Einlösung zuwider erfolgte Auszahlung des Scheckbetrags als Einlösung anzusehen sei (Breit a. a. O. S. 36), so daß die Zahlung ebenso zu Lasten des Ausstellers geht wie die bloße Verrechnung, so wird doch dadurch das Verhältnis zwischen dem Aussteller oder Begeber des Schecks und dem befugten Inhaber nicht berührt. Es erscheint bedenklich, in einer diesem nicht zugute kommenden Einlösung grundsätzlich einen gelungenen, den Schuldner seinem Gläubiger gegenüber befreienden Zahlungsversuch zu finden. Ob der Gläubiger rechtlich oder doch wirtschaftlich durch Entstehung einer zur Aufrechnung geeigneten Gegenforderung seine Forderung, die durch den Scheck getilgt werden sollte, verloren hat, wird von der Lage des einzelnen Falles abhängen, auf die hier nicht einzugehen ist.

Darin kann dem Berufungsgericht jedenfalls nicht beigetreten werden, daß die Vorschrift des § 14 Abs. 2 ScheckG. nicht dahin ausgedehnt werden könne, daß der Bezogene auch für den Schaden, der durch bare Einlösung entsteht, haften müsse, wenn er bei Prüfung des Schecks hätte erkennen können, daß dessen Text verändert worden, und wenn er durch die alsdann vorzunehmende Anfrage bei den bekannten Beteiligten erfahren hätte, daß der Scheck ein Verrechnungsscheck und die Beseitigung dieser Eigenschaft durch Fälschung herbeigeführt worden sei. Diese Ansicht ist damit begründet worden, daß eine derartige Prüfungspflicht der Bezogenen solchen Scheckbeteiligten gegenüber, mit denen sie nicht in Vertragsbeziehungen steht, nicht anzuerkennen sei.

Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen (RGZ. Bd. 92 S. 52; JW. 1919 S. 821 Nr. 3), daß zur Vermeidung mißbräuchlicher Benutzung von Schecks den Bezogenen die Pflicht ganz besonders sorgsamer Prüfung des ihm zur Einlösung vorgelegten Schecks trifft. Die dort entschiedenen Fälle betrafen aber nur Parteien, die auf Grund des Scheckvertrags in einem Vertragsverhältnis zueinander standen, nämlich den Bezogenen und den Aussteller, ein Verhältnis, das hier nicht vorliegt. Eine gleiche Pflicht wird daher dem Bezogenen gegenüber einem Scheckinhaber an sich und allgemein nicht aufzuerlegen sein. Ist aber § 14 Abs. 2 ScheckG. dahin zu verstehen, daß der Schadenersatzanspruch wegen Nichtbeachtung des Verrechnungsvermerks auch dem (befugten) Inhaber zusteht, so muß dies notwendig zu der Forderung führen, daß der Bezogene auch diesem Inhaber gegenüber schadenersatzpflichtig ist. wenn er bei nicht fahrlässiger Handhabung hätte erkennen können, daß der ihm vorgelegte Scheck ein Verrechnungsscheck war und dieser Vermerk von unbefugter Seite auf dem Wege vom befugten Inhaber zum Bezogenen entfernt worden ist, Der Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung nötigt zugunsten des befugten Inhabers zu dieser Auffassung.

Kann daher mit der oben wiedergegebenen Erwägung des Berufungsgerichts der Klaganspruch nicht beseitigt werden, so wird doch das Urteil durch den weiteren, auf tatsächlichen Feststellungen beruhenden Entscheidungsgrund getragen, daß die Bezogene ein Verschulden daran, daß sie die ursprüngliche Eigenschaft des Schecks als Verrechnungsscheck nicht erkannt hat, nicht trifft.

Der Scheck enthielt, als er von der Klägerin an die Dr. Bank abgesandt wurde, den Verrechnungsvermerk an zwei Stellen. Der eine, an der linken oberen Ecke der Urkunde, berührte den Text des Schecks überhaupt nicht, so daß dem Berufungsgericht nicht entgegengetreten werden kann, wenn es diesen nicht quer über die Vorderseite des Schecks, gesetzten Vermerk als ein nach § 14 ScheckG. unwirksames Verbot bezeichnet, dessen Beseitigung keine für die Scheckbeteiligten nachteiligen zivilrechtlichen Folgen haben könne. Den zweiten Vermerk, wenn er auch in ungewöhnlich kleiner und gedrängter Schrift hergestellt gewesen zu sein scheine, sieht es als der Vorschrift des § 14 ScheckG. ausreichend Rechnung tragend und seine Beseitigung als eine Fälschung an. Daraus kann aber nicht etwa gemäß dem Grundsatze, daß im Scheckverkehr durch Fälschung oder Verfälschung des Schecks entstandener Schaden grundsätzlich vom Bezogenen zu tragen sei (RGZ. Bd. 92 S. 51), entnommen werden, daß die Folgen der Fälschung hier an sich von der Bezogenen zu tragen seien. Denn dieser Grundsatz bezieht sich, wie in jenem Urteil dargelegt ist, nur auf das auf dem Scheckvertrag beruhende Rechtsverhältnis zwischen Aussteller und Bezogenen, eine Auffassung, die vom Schrifttume geteilt wird (s, Anm. 1 zu dem erwähnten Urteile). Ob er im vorliegenden Falle, wenn der Aussteller gegen die Bezogene klagen würde, überhaupt Anwendung fände, bedarf hier keiner Erörterung. Es kann sich daher nur fragen, ob in dem Nichterkennen, daß dieser Vermerk von unbefugter Seite entfernt worden war, eine fahrlässige Behandlung des zur Einlösung vorgelegten Schecks zu finden wäre, die die Bezogene der Klägerin gegenüber gemäß § 14 Abs. 2 ScheckG. zum Ersatz eines etwa entstandenen Schadens verpflichten würde. Dies wird vom Berufungsgericht mit der Begründung verneint, daß die Rasuren so sorgfältig ausgeführt, von so geringem Umfang und an so wenig auffallenden Stellen angebracht seien, daß sie von einem Kassenbeamten, der bei der Vorlegung des Schecks das ihm mit Rücksicht auf seine im Bankverkehr unvermeidliche Belastung zuzumutende Maß von Sorgfalt anwendete, nicht wahrgenommen zu werden brauchten. Es könne von ihm nicht verlangt werden, daß er jede, auch die äußerlich unverdächtige, Scheckurkunde mit besonderer Gründlichkeit und Genauigkeit etwa gegen das Licht prüfe und nach Veränderungen an Stellen forsche, wo solche nicht zu vermuten seien. Es kann der Revision nicht zugegeben werden, daß hierin eine Verkennung des Maßes der der Beklagten obliegenden Sorgfalt liege. ...