RG, 13.05.1919 - III 310/18

Daten
Fall: 
Heilungskosten eines Beamten
Fundstellen: 
RGZ 95, 318
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.05.1919
Aktenzeichen: 
III 310/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Von welchem Zeitpunkt ab und in welcher Höhe kann ein Beamter, der im Reichsdienst einen Betriebsunfall erlitten hat und darauf in den preußischen Staatsdienst zurückgetreten ist, Ersatz der Kosten des Heilungsverfahrens beanspruchen?

Tatbestand

Im Dezember 1905 wurde der als Polizeikommissar im preußischen Staatsdienste stehende Kläger zur Verwendung im Kolonialdienste bis zum 31. März 1909 unter Wahrung seines Dienstalters beurlaubt und dem Gouvernement von Deutsch-Südwestafrika zur kommissarischen und widerruflichen Verwendung überwiesen. Am 23. Januar 1907 zog er sich eine Quetschung des rechten Fußes zu, als er als kommissarischer Distriktschef von Swakopmund den Anordnungen des Gouverneurs entsprechend zur Einwanderungsüberwachung einen auf der dortigen Reede liegenden Dampfer besteigen wollte. Mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand wurde er im Mai 1907 nach Deutschland beurlaubt. Sechs Monate, bis zum 13. Dezember 1907, wurde ihm das volle Auslandsdiensteinkommen von 6900 M belassen; von da ab erhielt er nur Bezüge in Höhe seines Pensionsfähigen Gehalts von 3300 M. Nach Beendigung des ihm von der preußischen Regierung bis zum 31. März 1909 erteilten Urlaubs wurde er am 1. April 1909 in den preußischen Staatsdienst zurückübernommen und der Polizeiverwaltung in Essen als Polizeikommissar überwiesen. Er bezog nun wieder sein Gehalt als Polizeikommissar wie vor der Übernahme in den Kolonialdienst. Zum 1. April 1912 wurde er, ohne vorher wieder Dienst getan zu haben, mit einem Ruhegehalte von 2004 M und einer widerruflichen Erhöhung von 900 M in den Ruhestand versetzt.

Mit der Behauptung, daß der Unfall vom 23. Januar 1907 auf ein Verschulden des Gouverneurs von Deutsch-Südwestafrika zurückzuführen sei und erhebliche Störungen seiner Gesundheit zur Folge gehabt habe, beansprucht der Kläger mit der am 10. Juli 1908 erhobenen Klage Ersatz des ihm durch den Unfall erwachsenen Schadens, vor allem der Kosten der Rückreise nach Deutschland, des Kuraufenthalts in Hofheim und Wiesbaden und der sonstigen Kur- und Arzneikosten. In einem zweiten Rechtsstreite hat er Erhöhung des Ruhegehalts gefordert und eine Unfallpension auf Grund des Reichs-Beamtenunfallfürsorgegesetzes vom 18. Juni 1901 rechtskräftig zuerkannt erhalten (vgl. RGZ. Bd. 86 S. 6, Bd. 87 S. 352).

In dem vorliegenden Rechtsstreit erklärte das Landgericht einen Teil der erhobenen Ansprüche, unter Abweisung der übrigen, dem Grunde nach für gerechtfertigt. Auf die Berufung des Beklagten wies das Kammergericht durch Teilurteil den Kläger auch mit jenen Ansprüchen ab mit Ausnahme eines Teilanspruchs, über den es die Entscheidung noch vorbehielt. Die Revision des Klägers wurde zum Teil für begründet erachtet.

Gründe

"... Die Klage kann nur auf § 1 Abs. S BUFG. gegründet werden, nach welchem dem verletzten Beamten "nach dem Wegfalle des Diensteinkommens die noch erwachsenden Kosten des Heilverfahrens" zu ersetzen sind. ...

Das Berufungsgericht hat angenommen, daß dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Heilverfahrens erst vom 1. April 1912 ab, vom Tage seines Ausscheidens aus dem preußischen Staatsdienste, zustehe. Demgegenüber macht die Revision mit Recht geltend, daß nicht dieser Zeitpunkt, sondern der Austritt des Klägers aus dem Dienste des Schutzgebiets, der 1. April 1909, maßgebend sei. Unter dem Diensteinkommen, dessen Wegfall nach § 1 Abs. 6 BUFG. die Voraussetzung für den Ersatz der Heilungskosten bildet, kann unmöglich etwas anderes verstanden werden als unter dem Diensteinkommen im Sinne des Abs. 1 desselben § 1, von dem die Unfallpension des verletzten Beamten berechnet wird, und das ist in dem vorliegenden Falle das Diensteinkommen des Klägers als Kolonialbeamter, nicht sein Gehalt als preußischer Polizeikommissar. Hierfür spricht ferner auch die Vorschrift des § 6, nach der der Bezug der Unfallpension "mit dem Wegfalle des Diensteinkommens" beginnt. Daß hiermit nur derselbe Zeitpunkt wie im § 1 Abs. 6 gemeint ist, kann schon nach dem Wortlaute keinem Zweifel unterliegen. Es wird aber auch durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt. Der Abs. 6 des § 1 ist von dem Reichstag in den Entwurf des Gesetzes vom 15. März 1886 eingeschaltet worden. Zu der Sitzung vom 4. Februar 1886 (Stenogr. Ber. S. 876) wurde nun die Beschränkung des Anspruchs auf die Heilungskosten auf die Zeit nach dem Wegfalle des Diensteinkommens von dem Antragsteller damit begründet, solange ein Beamter sein volles Diensteinkommen erhalte, liege kein Grund vor, weiter für ihn zu sorgen, wenn er infolge eines Unfalls erkrankt sei; deshalb werde mit dem Antrage nicht beabsichtigt, dem Beamten neben dem Diensteinkommen den Ersatz der Kosten des Heilungsverfahrens zu geben, sondern gerade so wie er die übrigen Wohltaten des Gesetzes erst dann genießen solle, wenn er aus dem Dienste austrete, solle das auch in Bezug auf die Kosten des Heilverfahrens gelten. Deshalb beantragte der Antragsteller außer der Abänderung des § 1, den Eingang des (dem jetzigen § 6 entsprechenden) § 4 des Entwurfs: "Der Bezug der Pension beginnt mit dem Wegfalle des Diensteinkommens" dahin zu fassen: "Die in § 1 gedachten Bezüge beginnen mit dem Wegfalle des Diensteinkommens." Bei der dritten Beratung des Gesetzentwurfs im Reichstage wurde dann auf Antrag desselben Abgeordneten, der die Abänderung ausdrücklich nur als eine redaktionelle bezeichnete, die zeitliche Beschränkung des Heilungskostenanspruchs in den Abs. 6 des § 1 statt in den § 4 eingerückt (Sitzung vom 15. Februar 1886, Stenogr. Ber. S. 1087 und Drucksache Nr. 244). Unter dem Diensteinkommen in § 6 kann nun aber ebenfalls nur dasjenige verstanden werden, welches der durch den Unfall verletzte Beamte als Reichsbeamter (§ 1 Abs. 1) bezogen hat. Bezieht er nach seinem Ausscheiden aus dem Reichsdienst, in dem er den Unfall erlitten hat, ein Diensteinkommen im Staatsdienste, so schiebt dieser Umstand nicht etwa den Beginn des Bezugs der Unfallpension hinaus, sondern hat gemäß dem nach § 9 BUFG. anwendbaren § 57 RBG. das Ruhen dieser Pension insoweit zur Folge, als der Betrag dieses neuen Diensteinkommens unter Hinzurechnung der Unfallpension den Betrag des von dem Beamten vor seinem Ausscheiden aus dem Reichsdienste bezogenen Diensteinkommens übersteigt. Nicht anders verhält es sich mit dem Anspruch auf Erstattung der Heilungskosten. Der § 9 des Gesetzes erklärt "die für die Beteiligten geltenden Bestimmungen über die Pension", also auch den § 57 RBG., nicht nur auf die Unfallpension, sondern allgemein "auf die nach den §§ 1 bis 3 zu gewährenden Bezüge", also auch auf den Anspruch auf Ersatz der Kosten des Heilungsverfahrens, für anwendbar. Damit auch diese von den Vorschriften des jetzigen § 9 mitgetroffen würden, wurde bei der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs in der Reichstagssitzung vom 4. Februar 1886 die Fassung des § 7 des Entwurfs geändert (Stenogr. Ber. S. 887). Die Anwendung dieser Vorschriften auf Schutzgebietsbeamte ergibt sich aus den Kaiserlichen Verordnungen vom 9. August 1896 Art. I und vom 23. Mai 1901 Art. I. Ihrer Anwendung auf den vorliegenden Fall steht auch der vom Berufungsgerichte hervorgehobene Umstand nicht entgegen, daß der Kläger bei seinem Eintritt in den Kolonialdienst preußischer Beamter war, als solcher nur zur Verwendung in diesem Dienste beurlaubt wurde und mit dem Ablaufe des Urlaubs ohne weiteres in den preußischen Staatsdienst zurücktrat. Daß die Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 2 RBG. auch auf solche Beamte Anwendung findet, die vor ihrem Eintritt in den Reichsdienst Staatsbeamte waren und das Staatsdienstverhältnis nach dem Ausscheiden aus dem Reichsdienste fortsetzen, ergibt sich aus den Ausführungen des in RGZ. Bd. 92 S. 395 veröffentlichten Urteils des erkennenden Senats zu der entsprechenden Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 3 des Mannschaftsversorgungsgesetzes, und für den hier gegebenen Sonderfall ist eine Ausnahmebestimmung nicht getroffen. Nach Art. III der Kaiserlichen Verordnung vom 23. Mai 1901 geht allerdings ein Kolonialbeamter, der dauernd oder vorübergehend nicht mehr zum Tropendienste, wohl aber zum Dienst in der Heimat fähig ist, der im Dienste des Schutzgebiets erworbenen Ansprüche auf Gehalt, Pension, Wartegeld und Hinterbliebenenversorgung verlustig, wenn er das Anerbieten ablehnt, ihn unter Wahrung seines früheren Ranges und Dienstalters in den Staatsdienst, aus dem er in den Dienst des Schutzgebiets übernommen ist, wieder aufzunehmen. Daraus ist aber nicht, wie der Beklagte meint, zu folgern, daß der Schutzgebiets- und der Staatsdienst im Sinne der hier in Betracht kommenden Vorschriften als ein einheitlicher anzusehen, das Diensteinkommen in dem letzteren dem in jenem im Sinne des § 1 Abs. 6 BUFG. gleichzustellen sei. Die genannten Kaiserlichen Verordnungen enthalten endlich auch keine dem § 29 Abs. 2 des Kolonialbeamtengesetzes vom 8. Juni 1910 entsprechende Bestimmung, daß mit der Aufnahme des Schutzgebietsbeamten in den heimischen Staatsdienst alle bis dahin nicht fällig gewordenen Ansprüche aus dem bisherigen Dienstverhältnis erlöschen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Dieses Erlöschen versteht sich nicht etwa, wie in der Begründung zu dem Entwurfe des Kolonialbeamtengesetzes (Drucksache Nr. 387 der RT.-Verh. 1909/1910, S. 35 zu § 28) anscheinend angenommen ist, von selbst. Es würde zu großen Härten führen, was auch bei der Abfassung des Kolonialbeamtengesetzes anerkannt ist und zu verschiedenen Ausnahmevorschriften (§ 29 Abs. 1 Satz 3, §§ 30, 31, 35) Anlaß gegeben hat, und kann schon deshalb ohne besondere Bestimmung nicht als gewollt angesehen werden. Es steht aber auch im Widerspruche mit der ausdrücklichen Vorschrift des Art. I Nr. 4 der Verordnung vom 23. Mai 1901, nach der auf eine durch den früheren Schutzgebietsbeamten im Staatsdienste neu erdiente Pension die Vorschrift des § 58 Abs. 2 RBG. Anwendung findet.

Demnach steht dem Kläger der Anspruch auf Ersatz der Kosten des Heilungsverfahrens nicht nur insoweit zu, als diese nach dem 1. April 1912 erwachsen sind, sondern auch für die Zeit vom 1. April 1909 bis zum 31. März 1912, aber nur mit der aus § 57 Abs. 1 Nr. 2 RBG. sich ergebenden Einschränkung. Nach dieser Bestimmung fällt jedoch der Anspruch auf die Heilungskosten nicht etwa stets dann fort, wenn das neue Diensteinkommen in dem Staatsdienst unter Hinzurechnung der Unfallpension den Betrag des früheren Diensteinkommens im Kolonialdienst erreicht oder übersteigt. Da vielmehr nach § 1 BUFG. Unfallpension und Heilungskosten zusammen unter Umständen den Betrag des bisherigen Diensteinkommens des verletzten Beamten überschreiten können und dieser durch den Eintritt in den Staatsdienst keine Schmälerung jener Bezüge erleiden darf, muß die entsprechende Anwendung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 zu dem Ergebnis führen, daß der in den Staatsdienst eingetretene frühere Reichsbeamte seinen Anspruch auf die Unfallbezüge (Unfallpension und Heilungskosten) nur insoweit verliert, als sein neues Diensteinkommen sowohl das frühere als auch die Unfallbezüge, die ihm an sich zukommen, übersteigt. Es bedarf daher im Einzelfalle der Feststellung der Höhe der Heilungskosten, auf die der Beamte nach § 1 Abs. 6 BUFG. Anspruch erheben kann. Da das Berufungsgericht bisher weder die dem Kläger zukommenden Heilungskosten noch auch den Betrag seines Diensteinkommens als preußischer Polizeikommissar in der Zeit vom 1. April 1909 bis dahin 1912 und der ihm etwa in dieser Zeit gewährten Unfallbezüge festgestellt hat, ist die Sache unter Aufhebung des Urteils, soweit dieses den Kläger mit seinen Ansprüchen für diese 3 Jahre abweist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen." ...