RG, 29.04.1919 - III 433/18
Unterliegt der Anspruch des Pächters auf die Übertaxe des Pachtinventars der Verjährungsvorschrift des § 558 BGB.?
Tatbestand
Der Beklagte hat an den Kläger sein Rittergut Sch. für die Zeit vom 1. Juli 1892 bis dahin 1910 verpachtet. In § 6 des Pachtvertrags ist bestimmt, daß die dem Pächter übergebenen Inventarstücke bei Pachtbeendigung nach dem Werte der vorhandenen Taxe zurückgewährt werden müßten. Die am 4. Juli 1892 vorgenommene Inventuraufnahme stellte sich auf 37607 M, die Aufnahme vom 10. Juli 1910 auf 56934,67 M. Schon in einem Vorprozesse verlangte der Kläger als Teilbetrag des Unterschieds beider Taxen 4200 M, die ihm rechtskräftig zugesprochen wurden. Späterhin berühmte er sich des Anspruchs auf weitere 10200 M und verlangte mit der nunmehrigen Klage wiederum einen Teilbetrag von 6000 M. Der Beklagte erhob Feststellungswiderklage dahin, daß überhaupt kein weiterer Anspruch mehr bestehe.
Das Landgericht hat unter Abweisung der Widerklage der Klage teils unbedingt, teils eidbedingt entsprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und gemäß der Widerklage erkannt, weil sämtliche Ansprüche des Klägers verjährt seien. Die Revision wurde zurückgewiesen.
Gründe
"Der Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Anspruch des Klägers auf den Mehrwert des Inventars gemäß §§ 558, 581 BGB. verjährt sei, ist beizutreten. Auf das im Jahre 1892 begründete Pachtverhältnis, das nach Art. 170, 171 EG. z. BGB. dem preußischen Allgemeinen Landrecht untersteht, finden gemäß Art. 169 das. die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in dem Sinne Anwendung, daß nicht bloß dessen allgemeine Verjährungsregeln, sondern auch die von ihm für die einzelnen Schuldverhältnisse gegebenen Verjährungsvorschriften Platz greifen (RGZ. Bd. 62 S. 330). In § 558 BGB. ist eine sechsmonatige Verjährungsfrist für die Ersatzansprüche des Verpächters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Pachtsache sowie für die Ansprüche des Pächters auf Ersatz von Verwendungen und auf Gestaltung der Wegnahme einer Einrichtung festgesetzt. Daß diese Verjährungsfrist sich auf die bezeichneten Ansprüche jeder Art bezieht, einerlei ob sie sich unmittelbar aus dem Gesetze oder aus besonderen Vertragsbestimmungen ergeben, ist in Übereinstimmung mit dem Schrifttum vom Reichsgerichte bereits in RGZ. Bd. 62 S. 330, Bd. 66 S 363 ausgesprochen und begründet worden. Die Behauptung des Klägers, daß die mit der Klage verfolgte Forderung kein Pachtanspruch sei, sondern ein Anspruch aus Kauf, weil Übergabe und Rückgabe des Inventars sich im Wege des Rückkaufs vollziehe, geht fehl. Nach der rechtlich einwandfreien, nicht angefochtenen Auslegung kommt dem § 6 des Pachtvertrags die Bedeutung zu, daß die Parteien bei der Beendigung der Pacht den Wertunterschied auszugleichen haben, der sich aus der Vergleichung der Anfangs- und Schlußtaxe des Inventars ergibt. Die Rechtslage war gemäß §§ 597 flg. I 21 ALR. die, daß der Verpächter nicht bloß Eigentümer der übergebenen Inventarstücke blieb, sondern auch als Eigentümer des gesamten Inventars als einer Sachgesamtheit galt; den Pächter traf die Gefahr des Bestands und Wertes des Inventars, für dessen ordnungsmäßige Erhaltung er zu sorgen hatte (vgl. Eccius Preuß. Privatrecht Bd. 2 S. 222).
Verwendungen des Pächters im Sinne vermögenswerter, auf die Sache gemachter Leistungen liegen unzweifelhaft dann vor, wenn der Pächter an Stelle der ursprünglich ihm vom Verpächter übergebenen Inventarteile aus eigenen Mitteln neue Inventarstücke angeschafft hat. Nach der tatsächlichen, auf die lange Pachtzeit gegründeten Annahme des Berufungsgerichts traf dies bei den meisten Inventarstücken zu. Um Verwendungen des Pächters handelte es sich aber auch dann, wenn er die ihm übergebenen Inventarstücke durch von ihm bestrittene Ausgaben verbessert oder erhalten und so den gesamten Inventarwert gesteigert hat. Nun besteht allerdings die auch vom Berufungsgericht angedeutete Möglichkeit, daß die bei der Rückgabe des Inventars festgestellte Übertaxe teilweise durch eine Preissteigerung bewirkt wurde, die nur in den verschiedenen Wertverhältnissen zur Zeit der Übergabe und der Rückgabe ohne Mitwirkung von Leistungen des Pächters ihren Grund hatte. Dies kann aber nicht zu einer auch nur teilweisen Unanwendbarkeit des § 558 BGB. führen. Der Ersatzanspruch des Pächters auf die Übertaxe ist ein einheitlicher Anspruch. Der Pächter hat Anspruch auf den Betrag, um den der Wert des ganzen Inventars den früheren Wert übersteigt. Es wäre ein unhaltbares, dem Zwecke der Gesetzesvorschrift zuwiderlaufendes Ergebnis, für die Verjährungsfrage zwischen den einzelnen Gründen, die zur Veränderung des Wertes im Laufe der Pachtzeit geführt haben, unterscheiden zu wollen. Eine solche Unterscheidung wäre praktisch schwer durchführbar, da vielfach die Grenze dafür, ob eine Wertsteigerung auf die Leistungen des Pächters oder Veränderungen in den Wertsverhältnissen zurückzuführen sei, eine flüssige ist. Der Grundgedanke des § 558 geht dahin, daß innerhalb kurzer Frist nach der Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses die Ersatzansprüche geltend gemacht werden müssen, weil das Interesse beider Parteien eine möglichst rasche Auseinandersetzung fordert. Auch für die Forderungen aus Anlaß der Rückgabe des Inventars hat dieser Grundgedanke seine volle Berechtigung. Es entspricht daher dem Zwecke und der Bedeutung des § 558, den gesamten Anspruch des Pächters auf einen Überinventarbetrag der dort enthaltenen Verjährungsvorschrift zu unterwerfen."