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RG, 28.04.1919 - IV 1/19

Daten
Fall: 
Rechtshilfe im Erbscheinverfahren
Fundstellen: 
RGZ 95, 286
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.04.1919
Aktenzeichen: 
IV 1/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • AG Mainz
  • OLG Darmstadt

Ist das Nachlaßgericht befugt, ein anderes Amtsgericht zu ersuchen, den Erben, der die Ausstellung eines Erbscheins beantragt hat, über die sein Erbrecht begründenden tatsächlichen Verhältnisse zu vernehmen und ihm die vorgeschriebene eidesstattliche Versicherung abzunehmen?

Tatbestand

Die Frage ist bejaht worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Das Amtsgericht in Rüdesheim ist in seiner Eigenschaft als Nachlaßgericht durch den schriftlichen Antrag der Anna Eva R. in Mainz vom 6. Februar 1919, in dem sie als angebliche einzige Schwester und Erbin des zuletzt in Geisenheim wohnhaften Peter R. die Erteilung eines Erbscheins nach ihrem Bruder beantragte, mit dieser Angelegenheit befaßt worden, und es hatte nun nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften von Amtswegen für die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen Sorge zu tragen (§ 2358 BGB., § 12 FGG.). Innerhalb des Bereichs der so begründeten Zuständigkeit war es nach § 2 FGG. und § 158 GVG. befugt, das Amtsgericht in Mainz zu ersuchen, von der in dessen Bezirke wohnenden Erbin die in den §§ 2354 bis 2356 BGB. vorgeschriebenen Erklärungen entgegenzunehmen (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 23. Dezember 1912, Jahrb. Bd. 44 S. 102). Die Zulässigkeit eines solchen Ersuchens an sich scheint auch weder vom Amtsgericht in Mainz noch von dem Oberlandesgericht in Darmstadt in Abrede gestellt zu werden. Beide Gerichte rechtfertigen vielmehr die Ablehnung der vom Amtsgericht in Rüdesheim im Schreiben vom 12. Februar 1919 beantragten Aufnahme der eidesstattlichen Versicherung damit, daß ein ordnungsmäßiger Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nicht vorliege. Das Oberlandesgericht sagt in dieser Beziehung zunächst, es könne keinem Zweifel unterliegen, daß der Antrag vom 6. Februar 1919 den Vorschriften der §§ 2354 flg. BGB. nicht entspreche, daß in ihm insbesondere Angaben in Gemäßheit des § 2354 Abs. 1 Nr. 3 und 4 und Abs. 2 vollständig fehlten. Danach scheint das Oberlandesgericht anzunehmen, daß durch den Antrag, weil in ihm jene Angaben nicht enthalten waren, ein Verfahren vor dem Amtsgericht in Rüdesheim in rechtswirksamer Weise nicht eröffnet worden und das Amtsgericht vor Behebung des Mangels zu dem Erlaß des Rechtshilfeersuchens nicht befugt gewesen sei. Eine solche Auffassung läßt sich aber aus den gesetzlichen Vorschriften nicht rechtfertigen. Es ist zwar im § 2354 gesagt, daß, wer die Erteilung des Erbscheins beantrage, die dort vorgeschriebenen Angaben zu machen habe. Aber weder aus dem Wortlaute dieser Vorschrift noch aus den Vorarbeiten ergibt sich ein Anhalt dafür, daß diese Angaben bereits in dem Antrag auf Erteilung des Erbscheins enthalten sein müßten. Fehlen sie, so ist es nach § 2358 BGB. Sache des Nachlaßgerichts, die Ergänzung des Antrags zu veranlassen.

Das Oberlandesgericht führt weiter aus, das Amtsgericht in Rüdesheim habe das Amtsgericht in Mainz um Aufnahme der in § 2356 Abs. 2 BGB. vorgeschriebenen eidesstattlichen Versicherung ersucht. Eine solche sei aber nur zu bestimmten Angaben möglich, die hier in wesentlichen Teilen noch fehlten. Sie herbeizuführen und dadurch erst die genügende Grundlage für die eidesstattliche Versicherung zu schaffen, gehöre zu den Verpflichtungen des ersuchenden Gerichts ebensogut, wie bei einem Ersuchen um Beweiserhebung der Erlaß eines inhaltlich derart gestalteten Beweisbeschlusses, daß daraufhin ohne weiteres die Beweiserhebung stattfinden könne. Dabei wird auf den Beschluß des Reichsgerichts vom 21. Novembers 1899 (Jur. Wochenschr. 1899 S. 826 und Gruchot Bd. 44 S. 1187) verwiesen. Auch dieser Standpunkt ist nicht zu billigen. In jenem Beschluß ist die Ablehnung des Ersuchens um Zeugenvernehmung für gerechtfertigt erklärt worden, weil in dem Beweisbeschlusse die Tatsachen, über welche die Zeugen vernommen werden sollten, nicht angegeben waren und es nicht Sache des ersuchten Richters sein könne, auf Grund der Akten dasjenige Beweismaterial zu ermitteln, das für die von ihm zu vernehmenden Zeugen in Betracht komme. Anders liegt der Fall, wenn ein Erbe über die tatsächlichen Verhältnisse vernommen werden soll, aus denen sich sein Erbrecht ergibt. Welche Tatsachen dafür erheblich sein können, ist ohne weiteres aus den erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ersichtlich, und es bedarf daher nicht wie bei einem Beweisbeschlusse der Formulierung bestimmter Fragen durch den ersuchenden Richter. Überdies würde der letztere dazu ohne vorherige Anhörung des Erben, die durch das Rechtshilfeersuchen gerade vermieden werden soll, gar nicht in der Lage sein. Denn die Einzelheiten ergeben sich erst aus der Vernehmung des Erben. Das ersuchte Gericht hätte im vorliegenden Falle um so weniger Anlaß, das Ersuchen abzulehnen, als ohne weiteres ersichtlich war, daß die Feststellung des Erbrechts der Antragstellerin ohne besondere Schwierigkeit würde erfolgen können.

Ausdrücklich war nun allerdings das Ersuchen des Amtsgerichts in Rüdesheim nur auf die Aufnahme einer eidesstattlichen Versicherung gerichtet. Aber nach dem Inhalte der Akten, namentlich der zwischen den beiden Amtsgerichten bereits seit September 1918 gewechselten Schreiben, konnte es, wie dieses Amtsgericht in der Beschwerdeschrift zutreffend hervorhebt, nicht zweifelhaft sein, daß es den Zweck verfolgte, die Antragstellerin zunächst über die ihren Antrag begründenden Tatsachen vernehmen und im Anschlusse daran die eidesstattliche Versicherung nach Maßgabe des § 2356 Abs. 2 BGB. entgegennehmen zu lassen. Diesem Ersuchen mußte das Amtsgericht in Mainz entsprechen, da keiner der Ausnahmefälle des § 159 Abs. 2 GVG. vorliegt. Die anscheinend vom Oberlandesgerichte vertretene Ansicht, daß vor Abgabe der Erklärung auch sämtliche nach § 2356 BGB. erforderliche Urkunden hätten beigebracht werden müssen, findet im Gesetze keine Stütze. Es steht nichts im Wege, daß diese Urkunden nachträglich eingereicht werden. Wegen Fehlens dieser Urkunden durfte das Amtsgericht in Mainz übrigens das Ersuchen schon deshalb nicht ablehnen, weil es nicht Sache des ersuchten Richters ist, die Richtigkeit des vom ersuchenden Richter eingeschlagenen Verfahrens nachzuprüfen. Schließlich war das Amtsgericht in Mainz auch in der Lage, der Erbin die Beibringung der nach seiner Ansicht noch fehlenden Urkunden aufzugeben, da dies im Rahmen des Ersuchens gelegen haben würde."