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RG, 28.04.1919 - VI 34/19

Daten
Fall: 
Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung als "sonstiges Recht"
Fundstellen: 
RGZ 95, 283
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.04.1919
Aktenzeichen: 
VI 34/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Frankfurt a.O.
  • KG Berlin

1. Kann der Anspruch des Verletzten auf die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. angesehen werden?
2. Unfall eines Jugendlichen im landwirtschaftlichen Betrieb?
3. Unterlassung der Unfallanzeige seitens des Betriebsunternehmers.

Tatbestand

Am 1. August 1912 ist der Kläger Max H.; damals etwa 13jährig, dadurch körperlich verletzt worden, daß er, in Gemeinschaft mit dem erstehelichen Sohne der Beklagten Karl K. an der Häckselmaschine der Beklagten sich betätigend, die linke Hand an die Messer der - nicht mit einer Messerverkleidung versehenen - Maschine brachte. .

Das Berufungsgericht hat die Klage auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft vom 5. Juli 1900 § 146, soweit sie auf Schmerzensgeld gerichtet war, vollständig abgewiesen und im übrigen nur Ersatz für die ersten dreizehn Wochen nach dem Unfall zuerkannt. Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen

"Die Revision hat zunächst zur Nachprüfung gestellt, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutreffe, daß der Unfall des Klägers Max H. sich im landwirtschaftlichen Betriebe der Beklagten ereignet habe. Die Ausführung des Berufungsgerichts, daß die Betätigung des Verletzten an der Maschine keine bloß spielartige, tändelnde gewesen, und daß sie mit Einwilligung der Beklagten geschehen sei, bewegt sich ausschließlich auf tatsächlichem Gebiet, ist insoweit der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen und trägt die Entscheidung, wonach der Verletzte seines jugendlichen Alters ungeachtet als Arbeiter im Betriebe der Beklagten verunglückt ist. (Für die zutreffend vom Berufungsgericht angeführte Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes - Amtl. Nachr. 1899 S. 774 und 1901 S. 420 - sei weiter noch auf das Handbuch der Unfallversicherung 3. Aufl. Bd. 2 S. 15 unter b und auf Breithaupt, Rechtspr. des RVA., S. 432 flg. unter Nr. 3 bis 12 verwiesen. Vgl. auch RGZ. Bd. 66 S. 42.) Gemäß § 146 landw. UVG. war daher die Haftung der Beklagten wie geschehen einzuschränken.

Auch soweit die Klage auf das Verhalten der Beklagten nach dem Unfall, im besonderen auf die Unterlassung der in § 70 das. vorgeschriebenen Unfallanzeige, gestützt ist, war dem Berufungsgerichte darin beizutreten, daß nach den gegebenen Umständen, insbesondere bei der Zweifelhaftigkeit der Rechtslage, der Beklagten diese Unterlassung nicht als Verschulden im Sinne des BGB. §§ 276, 823 anzurechnen ist. Hiernach kann unerörtert bleiben, ob jene Vorschrift überhaupt als ein den Schutz des Verunglückten bezweckendes Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. angesehen werden könnte (vgl. dagegen Warneyer 1909 Nr. 227). Daß, wie die Revision meint, auch der Abs. 1 des § 823 anwendbar sei, trifft nicht zu. Dafür, daß die durch den Unfall eingetretene Verletzung des Körpers und der Gesundheit durch das dem Unfall nachgefolgte Verhalten der Beklagten ungünstig beeinflußt worden wäre, liegt nichts vor. Und daß aus dem Verhalten der Beklagten ein schädigender Eingriff in das durch den Unfall an und für sich entstandene Recht des Verunglückten auf die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung entnommen werden könnte, kann der Klage nicht zur Stütze dienen. Nach fester Rechtsprechung des Reichsgerichts (Komm. v. RGR. § 823 Anm. 9) sind unter "sonstigen Rechten" im Sinne des § 823 Abs. 1 nur solche zu verstehen, die mit dem voraufgeführten Eigentum und den weiter genannten Rechtsgütern Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit das gemeinsam haben, daß sie von jedermann beachtet werden müssen, - ausschließliche Rechte, die alle Personen binden und deshalb auch von allen verletzt werden können. Nicht dahin zählen Forderungsrechte, ebensowenig aber auch das der Unfallversicherungsgesetzgebung entspringende Recht des Verletzten auf die Leistungen dieser Versicherung, deren Gegenstand (GewUVG, § 8, landw. UVG. § 7) der Ersatz des durch Körperverletzung oder Tötung entstandenen Schadens ist. Auf diesen Schadensersatz ist der Anspruch gerichtet, der dem Verletzten aus dem Unfalle gegen den Träger der Versicherung, die Berufsgenossenschaft, erwächst. Dieser Anspruch ist nur persönlich gerichtet, insoweit, wenngleich auf öffentlichrechtlicher Grundlage erwachsen, den Forderungsrechten gleichartig und mithin nicht geeignet, als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 zu gelten."...