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RG, 14.04.1919 - VI 33/19

Daten
Fall: 
Mutter eines Kriegsteilnehmers
Fundstellen: 
RGZ 95, 262
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.04.1919
Aktenzeichen: 
VI 33/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bochum
  • OLG Hamm

Hat die Mutter eines Kriegsteilnehmers, der ledig war und in ihrem Haushalte gelebt hatte, als von ihm stillschweigend ermächtigt zu gelten, während seiner Einziehung ein Armenrechtsgesuch für ihn bei Gericht einzureichen?

Tatbestand

Das Reichsgericht hat die Frage bejaht.

Aus den Gründen

... "Die Mutter des Klägers, der zum Heer eingezogen war, hat am 7. August 1918, elf Tage vor Ablauf der Berufungsfrist, also rechtzeitig für ihn beim Oberlandesgericht ein schriftliches Gesuch um Bewilligung des Armenrechts eingereicht. Am 14. August forderte das Gericht sie auf, binnen zehn Tagen die Vollmacht des Klägers vorzulegen. Die Vollmacht ist am 23. August bei dem Gericht eingelaufen und gleichen Tages das Armenrecht bewilligt worden. Die Berufungsfrist war jedoch bereits am 18. August verstrichen.

Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert. Es sei kein unabwendbarer Zufall, daß der Kläger so spät seine Vollmacht beigebracht habe. Da er als Kriegsteilnehmer nicht die Aussetzung des Verfahrens erwirkt habe, so habe er rechtzeitig persönlich das Armenrecht beantragen müssen, wozu er so gut wie seine Mutter imstande gewesen sei, da er sich damals nicht im Felde, sondern anscheinend in Minden ober Paderborn befunden habe. Schon nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils habe er die Einlegung der Berufung und die Einreichung des Armenrechtsgesuchs vorbereiten, insbesondere Vollmacht hierfür ausstellen können. Auch seine Mutter habe sich deswegen mit dem Armenanwalte der ersten Instanz benehmen können. Die Auflage des Gerichts, das nicht wußte, wann das Urteil zugestellt worden, die Vollmacht binnen zehn Tagen einzureichen, bedeute keinen unabwendbaren Zufall für den Kläger, der daraus nicht schließen mußte, daß er mit der Berufung bis zum Ablauf der zehn Tage warten dürfe.

Diese Ausführungen liegen neben der Sache. Daher kann auf sich beruhen, wie weit sie von Feststellungen des Berufungsgerichts getragen sind. Entscheidend ist allein, ob das bei dem Oberlandesgerichte rechtzeitig eingegangene Gesuch, das es als begründet erachtet hat, als Gesuch des Klägers anzusehen war. Das Gesuch um Bewilligung des Armenrechts ist an keine Förmlichkeit gebunden. Es kann von der Partei selbst oder von einer von ihr bevollmächtigten Person gestellt werden. Die Vollmacht bedarf im letzteren Falle keiner Form. Sie kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden. Laut des Armutszeugnisses war der Kläger ledig, hat mit seiner Mutter den gleichen Haushalt geführt und stand seit Kriegsausbruch im Felde; zuletzt befand er sich in wechselnden Garnisonen. Unter solchen Verhältnissen mußte seine Mutter ohne weiteres als stillschweigend von ihm ermächtigt gelten, während seiner Einziehung seine Interessen zu wahren und unverschiebliche Geschäfte, die ihm keinen Nachteil bringen konnten, soweit er an ihrer Besorgung behindert war, für ihn vorzunehmen. Auch ohne ausdrückliche Vollmacht war sie deshalb für befugt zu halten, das Armenrechtsgesuch für ihn anzubringen. Hegte das Gericht hierüber Zweifel, so konnte es das Gesuch mit der Auflage bewilligen, die Vollmacht bei Vermeidung der Entziehung des Armenrechts nachzubringen. Statt dessen setzte es sieben Tage nach Eingang des Gesuches eine Frist von zehn Tagen zur Vorlage der Vollmacht und versetzte dadurch den Kläger in den Irrtum, daß ihm kein Rechtsnachteil erwachsen werde, wenn er diese Frist einhalte.

Mithin war es für den Kläger ein unabwendbarer Zufall, daß das Oberlandesgericht das Gesuch nicht vor Ablauf der Berufungsfrist bewilligt hat. Daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist rechtzeitig gestellt wurde, ist außer Streit." ...