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RG, 14.04.1917 - V 866/16

Daten
Fall: 
Herrschaft des preuß. Wassergesetzes
Fundstellen: 
RGZ 90, 52
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.04.1917
Aktenzeichen: 
V 866/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Trier
  • OLG Cöln

1. Zeitliche Herrschaft des preuß. Wassergesetzes vom 7. April 1913.
2. Ist durch Art. 89 Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. Art. 644 Code civil auch so weit, als er noch bestand, aufgehoben, worden?
3. Recht des Ufereigentümers zur Ableitung des Wassers
a) nach Art. 644 Code civil,
b)nach dem preuß. Wassergesetze.
4. Können die Rechte des Uferanliegers auch von demjenigen geltend gemacht werden, dem das Ufergrundstück auf Grund eines Kaufvertrags von dem Eigentümer übergeben, aber noch nicht aufgelassen worden ist?
5. Kann Schadensersatz auch beansprucht werden für die Entziehung von Vorteilen, welche nur durch eine rechtswidrige Handlung hätten erlangt werden können?

Tatbestand

Die beklagte Stadtgemeinde hat auf Grund einer ihr am 6. Juni 1910 von dem zuständigen Kreisausschusse gemäß § 16 GewO. erteilten Genehmigung in der kleinen Ohr eine Stauanlage errichtet, durch die sie das Wasser des genannten Flusses anstaut und zu dem von ihr errichteten Elektrizitätswerke leitet. Diesem dient das Wasser als Triebkraft, wird darauf jedoch nicht in die kleine Ohr zurückgeleitet, sondern durch einen Tunnel unmittelbar in die Mosel geführt. Der Betrieb des Elektrizitätswerkes ist im Frühjahr 1913 begonnen worden, nachdem der Bau von Anfang 1912 ab gewährt hatte. Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Grundflüsse, die an der großen Ohr belegen sind, unterhalb des Einflusses der kleinen Ohr in die große Ohr. Er hat auf Grund einer ihm am 22. Januar 1910 durch den zuständigen Kreisausschuß erteilten Konzession von dem Ufergrundstücke 740/239 aus, das damals noch Eigentum eines gewissen Johann Sch. war, seit 26. Oktober 1915 aber als sein Eigentum im Grundbuch eingetragen steht, ein Staumehr in den Ohrfluß gelegt, mittels dessen er das Flußwasser anstaut und durch einen Obergraben über verschiedene ihm gehörige Grundstücke hinweg nach der Parzelle 739/88 leitet. Auf dieser Parzelle befindet sich eine Turbinenanlage, die ein auf demselben Grundstück errichtetes Mühlen- und Sägewerk treibt. Das Wasser wird, nachdem es die Turbinenanlage gespeist hat, durch einen Untergraben weitergeführt und fließt bei dem im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke Flur 8 Nr. 40 wieder der Ohr zu.

Der Kläger verlangt Ersatz des ihm durch die Ableitung des Wassers der kleinen Ohr von selten der Beklagten angeblich entstandenen Schadens. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers erklärte das Oberlandesgericht durch das jetzt mit der Revision angefochtene Urteil den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Gründe

1.

Der Berufungsrichter geht davon aus, daß die Beklagte eine Überschreitung der ihr als Flußanliegerin zustehenden Befugnisse zur Wassernutzung dadurch begangen habe, daß sie in ihrem Stauwerke das gesamte Wasser der kleinen Ohr auffange, ohne es in das Bett dieses Flusses zurückzuleiten, bevor der Fluß ihren Grundbesitz verläßt und das Ufer eines fremden Grundstücks berührt. Hinsichtlich des maßgebenden Rechtes steht der Berufungsrichter auf dem Standpunkte, daß die Anwendung des am 1. Mai 1914 in Kraft getretenen preußischen Wassergesetzes vom 7. April 1913 "für die hier in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse" durch § 379 des Gesetzes ausgeschlossen sei. Diese Auffassung kann, wie der erkennende Senat in dem Urteile vom 3. März 1917, V 370/161 ausgesprochen hat, nicht gebilligt werden. Die Anstauung und Ableitung des Wassers, in welcher der Kläger einen Eingriff in sein Flußanliegerrecht findet, ist durch die Beklagte auch nach dem 1. Mai 1914 noch fortgesetzt worden und wird von ihr auch jetzt noch fortgesetzt. Insoweit unterliegt das Rechtsverhältnis an und für sich der zeitlichen Herrschaft des neuen Gesetzes. Dessen Anwendung wird aber auch durch die Übergangsbestimmung des § 379 nicht in der Weise, wie es der Berufungsrichter annimmt, ausgeschlossen; denn durch diese Vorschrift wird, wie in dem erwähnten Urteil auseinandergesetzt ist, keineswegs die zeitliche Herrschaft des neuen Gesetzes im Verhältnis zu dem bisherigen Rechte allgemein geregelt, sondern sie bezieht sich nur auf die Aufrechterhaltung der im Abs. 1 Nr. 1 bis 3 dort einzeln aufgeführten Wassernutzungsrechte, die anderen als den Eigentümern des Wasserlaufs als solchen zustehen, während die zeitliche Geltung des neuen Gesetzes hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an den Wasserläufen durch die §§ 7 bis 9 des Gesetzes geregelt ist. ... Ist aber danach die Anwendung des neuen Rechtes auf den erst nach seinem Inkrafttreten zur Entstehung gelangten Teil des der Klage zugrunde liegenden Tatbestandes grundsätzlich geboten, so muß die Rechtslage nach Maßgabe des älteren und des neuen Rechtes zunächst getrennt erörtert werden.

a)

Der Berufungsrichter führt aus, daß als anzuwendendes früheres Recht zunächst das Privatflußgesetz vom 28. Februar 1843 (eingeführt in den hier fraglichen Landesteilen durch Königliche Verordnung vom 9. Januar 1845) in Frage komme, da die Ohr ein Privatfluß im Sinne dieses Gesetzes sei. Nach diesem Gesetze habe es für die Benutzung des Wassers zu Triebwerken bei den bis dahin bestehenden Vorschriften verbleiben sollen, soweit diese nicht durch das Privatflußgesetz ausdrücklich abgeändert wurden (§ 1 Satz 2 des Gesetzes). Die Vorschriften des Privatflußgesetzes aber befaßten sich, wie der Berufungsrichter näher darlegt, nur mit den Rechten solcher Mühlen und anderer Triebwerke, die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestanden hätten (vgl. namentlich § 16 des Gesetzes); diesen sei ein Widerspruchsrecht gegeben gegen Anlagen, die der Uferbesitzer auf Grund der ihm nach den §§ 1 und 13 des Gesetzes zustehenden Rechte errichte, während demjenigen, der künftig ein Triebwerk anlege oder erweitere, ohne ein besonders verliehenes Recht zu haben, ein solcher Widerspruch nicht zustehen solle. Solche älteren Rechtsbeziehungen bestünden aber im vorliegenden Falle nicht, da es sich beiderseits um Triebwerke handle, die erst in neuester Zeit errichtet worden seien. Deshalb müsse auf die Vorschrift des Art. 644 Code civil zurückgegriffen werden, die zwar ihrem Wortlaute nach nur die Benutzung des Wassers zu Bewässerungszwecken zum Gegenstande habe, nach der erweiternden Auslegung der Rechtslehre und Rechtsprechung aber auch die Wasserkraftnutzung für gewerbliche Zwecke regle und demnach insoweit durch das Privatflußgesetz aufrechterhalten worden sei. Der Berufungsrichter verkennt nicht, daß durch Art. 89 Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. der Art. 644 Code civil ausdrücklich aufgehoben worden ist, und zwar in der (nach der Ansicht des Berufungsrichters unrichtigen) Voraussetzung, er sei durch das Gesetz über die Benutzung der Privatflüsse vom 28. Februar 1843 ersetzt worden. Dem "eigenartigen" Ergebnis, daß es für die Benutzungsrechte der Flußanlieger in Ansehung der Wasserkraft für gewerbliche Zwecke seit dem 1. Januar 1900 überhaupt an einer gesetzlichen Vorschrift gefehlt haben würde, will der Berufungsrichter in erster Linie dadurch entgehen, daß er ausführt, als eine dem Wasserrecht angehörende landesgesetzliche Vorschrift sei gemäß Art. 65 EG. z. BGB. auch das Privatflußgesetz von 1843 unberührt geblieben; deshalb lasse sich behaupten, daß mit dem Fortbestande dieses Gesetzes auch diejenigen älteren Vorschriften fortbeständen, auf die es zu seiner Ergänzung ausdrücklich verweise, woraus sich ergebe, daß auch Art. 644 Code civil trotz Art. 89 AG. insoweit fortbestehe, als es sich um die Wasserkraftnutzung für gewerbliche Zwecke handle.

Der Revision muß zugegeben werden, daß diese Ausführungen des Berufungsrichters insofern rechtlich bedenklich sind, als aus Art. 65 EG. z. BGB. hergeleitet wird, es sei der Art. 644 Code civil, ungeachtet der durch Art. 89 Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. ausgesprochenen Aufhebung des Code civil mit alleiniger Ausnahme der dort einzeln bezeichneten, den Art. 644 indes nicht mitenthaltenden Vorschriften, bestehen geblieben. Wenn Art. 65 a. a. O. bestimmt, daß die wasserrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt bleiben, so ist damit nichts darüber gesagt, ob diese Vorschriften nicht etwa durch andere reichs- oder landesgesetzliche Vorschriften, die gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft traten oder später erlassen wurden, außer Kraft gesetzt worden sind. Daher ist die Frage, ob Art. 644 Code civil durch Art. 89 AG. aufgehoben worden ist, lediglich nach dem Inhalte dieser Gesetzbestimmung zu beantworten. Aber auch auf diesem Wege gelangt man zu dem gleichen Ergebnis wie der Berufungsrichter. Denn es kann nicht angenommen werden, daß das Ausführungsgesetz den Art. 644 auch insoweit hat aufheben wollen, als er zur Ergänzung des Privatflußgesetzes diente, dessen Weiterbestehen das Ausführungsgesetz voraussetzte. Die Nichtaufführung des Art. 644 unter den von der Aufhebung ausgenommen Artikeln des Code civil ist, wie aus der Begründung zu Art. 87 des Entwurfs (S. 215) deutlich hervorgeht, lediglich darauf zurückzuführen, daß unrichtigerweise angenommen wurde. Art. 644 sei durch das Privatflußgesetz "ersetzt", habe also auch bisher schon keine Geltung mehr gehabt. Daraus ergibt sich, daß dem Ausführungsgesetze der Wille, den Art. 644 Code civil aufzuheben, vollständig ferngelegen hat. Soweit also Art. 644 noch bestand, muß ungeachtet des die Aushebung des Code civil summarisch aussprechenden Wortlauts angenommen werden, daß er auch weiter in Kraft geblieben ist. Auch bei der Auslegung von Gesetzen darf der Richter nicht am Wortlaute haften, sondern muß den der Vorschrift zugrunde liegenden Rechtsgedanken erforderlichenfalls durch Einschränkung oder Erweiterung des Wortsinnes zur Geltung bringen, wobei die gesetzgeberischen Vorarbeiten in zweckentsprechender Weise als Hilfsmittel zu benutzen sind. Unerörtert kann bei dieser Sachlage bleiben, ob auch der andere Weg gangbar wäre, den der Berufungsrichter hilfsweise eingeschlagen hat, um das Vorhandensein einer Lücke in der Rechtsordnung zu vermeiden, und der ihn dazu geführt hat, das Privatflußgesetz selbst auch auf die Benutzung des Wassers für gewerbliche Zwecke für anwendbar zu erachten, falls Art. 644 Code civil als aufgehoben zu gelten hätte.

Nach Art. 644 Code civil war aber der Beklagte, wie der Berufungsrichter ohne Rechtsirrtum angenommen hat, zur Ableitung des Wassers, ohne es überhaupt wieder in den Ohrbach zurückzuleiten, nicht befugt. Art. 644 Satz 2 gibt demjenigen, durch dessen Grundstück ein Wasserlauf fließt, das Recht zur Benutzung des Wassers auch durch Ableitung, aber mit der Beschränkung, daß er es beim Austritt aus seinem Grundstücke seinem gewöhnlichen Laufe wieder zurückgeben muß. Von der Rechtsprechung und Rechtslehre wird, mit Rücksicht auf Art. 645, angenommen, daß ein Verbrauch des Wassers, der bis zu völliger Erschöpfung geht, unzulässig ist (vgl. Zachariae-Crome, Franz. Zivilrecht § 171 Note 10). Bestritten ist, inwieweit die Benutzung des Wassers auch für solche Grundstücke ausgeübt werden darf, die nicht unmittelbar an den Flußlauf angrenzen. Proudhon, Traité du domaine public t. 4 No. 1426, und Duranton t. 5 No. 235 vertreten unter Bezugnahme auf 1. 24 Dig. de servitut praed. rustic. (8, 3) die Ansicht, daß die Wassernutzung nur für diejenigen Parzellen statthaft sei, die das ursprüngliche, von vornherein in der Hand des Uferanliegers befindlich gewesene Ufergrundstück bilden, nicht für spätere Hinzuerwerbungen. Dagegen steht die Rechtsprechung des Kassationshofs und die Mehrzahl der Rechtslehrer auf dem Standpunkte, daß der Uferanlieger das Wasser auch für diejenigen Parzellen benutzen darf, die er zu dem ursprünglichen Ufergrundstücke hinzuerworben und mit diesem zu einer (körperlichen und wirtschaftlichen) Einheit - un seul et même ténemat - verbunden hat.

Vgl. namentlich das Urteil des Kassationshofs ch. req. vom 24. Januar 1865 (Sirey, recueil Bd. 65 I S. 62); ferner Laurent, principes du droit civil, Bd. 7 Nr. 274; Aubry u. Rau, 5. Ausg. § 246 S. 82 bei Note 10; Zachariae-Puchelt, § 237 Note 5 (Bd. 2 S. 43); Zachariae-Crome, § 171 Note 5 (Bd. 1 S. 501).

Die von der Beklagten vorgenommene Wasserableitung ging somit nach französischem Rechte unter allen Umständen über ihre Befugnisse hinaus und enthielt einen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Unterlieger.

b)

Für denjenigen Teil des Tatbestandes, der sich unter der zeitlichen Herrschaft des neuen Wassergesetzes verwirklicht hat, ist obigen Darlegungen zufolge dieses Gesetz maßgebend. Danach ist - da ein gemäß § 9 des Gesetzes bestehen bleibendes Eigentum anderer Personen an dem Wasserlaufe für das Gebiet des früheren rheinischen Rechtes, das ein Privateigentum an den Wasserläufen nicht anerkannte, nicht in Frage kommt - die Beklagte mit dem 1. Mai 1914 Eigentümerin des Wasserlaufs der kleinen Ohr, im Sinne des Gesetzes eines Wasserlaufs zweiter oder dritter Ordnung, insoweit geworden, als sie an ihrem Grundstücke vorüberfließt (§ 8 des Gesetzes). Als solche ist sie daher auch gemäß §§ 40, 43 des Gesetzes befugt, das Wasser abzuleiten, mit der Beschränkung jedoch, daß sie jenes, soweit sie es nicht auf ihrem Ufergrundstück und auf ihren dahinterliegenden, mit jenem eine wirtschaftliche Einheit bildenden Grundstücken verbraucht, in den Wasserlauf zurückleiten muß, bevor dieser auf der Seite, auf welcher die Ableitung erfolgt, ein fremdes Grundstück berührt. Das frühere Recht würde für den hier in Frage stehenden Teil des Tatbestandes nur insofern in Betracht kommen, als etwaige, über die jetzt der Beklagten als Eigentümerin des Wasserlaufs zustehenden Befugnisse hinausgehende Wassernutzungsrechte, die bei Inkrafttreten des Gesetzes lediglich auf der früheren Gesetzgebung, nicht aber auf einem besonderen Rechtstitel beruhten, so lange aufrecht erhalten geblieben sein und bleiben würden, als die Stauanlage der Beklagten besteht, mit deren Errichtung vor dem 1. Januar 1913 begonnen worden ist (§ 3?9 Abs. 2 des Gesetzes). Solche Rechte waren aber nicht vorhanden, da das aus Art. 644 Code civil sich ergebende Ableitungsrecht nach den unter a) gegebenen Darlegungen, auch wenn man der am weitesten gehenden Ansicht folgt, keinesfalls über dasjenige hinausgeht, was der Beklagten jetzt auf Grund des neuen Gesetzes zusteht. Sonach stellt sich die Annahme des Berufungsrichters, daß die Beklagte durch ihre Stauanlage ihre Befugnisse überschritten hat, auch für den hier in Frage stehenden Teil des Tatbestandes als frei von Rechtsirrtum dar.

2.

Die weitere Annahme, daß die Beklagte durch die ihre Wassernutzungsrechte überschreitende Anlage ihres Stauwerks einen Eingriff in die Gerechtsame des Klägers begangen habe, dem dieser mit einer Abwehrklage entgegenzutreten an sich befugt gewesen wäre, begründet der Berufungsrichter mit der Ausführung, daß der Kläger als Eigentümer des durch die Parzellen 740/239, 724/238, 723/238 und 722/237 gebildeten Ufergeländes Uferanlieger der großen Ohr sei, welche die kleine Ohr inzwischen in sich aufgenommen habe, und daß der Kläger sein Stauwehr von dem Grundstücke 740/239 aus in den Fluß gelegt und das Wasser durch einen auf diesem Grundstücke beginnenden Obergraben abgeleitet habe, der dann über die anderen ihm gehörigen Grundstücks hinüberführt. Eigentümer dieser letzteren Grundstücke ist der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsrichters seit dem 4. Februar 1910, während er als Eigentümer des Grundstücks 740/239 allerdings erst seit dem 26. Oktober 1915 auf Grund der Auflassung vom 24. Oktober 1915, also nach Erhebung der Klage im gegenwärtigen Rechtsstreit, eingetragen worden ist. Der Berufungsrichter stellt aber fest, daß der Kläger dieses Grundstück bereits durch notariellen Vertrag vom 15. Januar 1910 gekauft und daß der Vorbesitzer Johann Sch. ihm bereits am 13. Januar 1910 den Besitz des Grundstücks eingeräumt und ihm gestattet hatte, die jetzige Parzelle 740/239, welche damals einen Teil der Parzelle 725/239 bildete, mit einem Flächeninhalte von 43 qm "zur Errichtung einer Turbinenanlage" zu benutzen. Der Berufungsrichter führt aus, daß sowohl nach Art. 644 Code civil wie nach dem Privatflußgesetze der Uferbesitzer berechtigt sei, die ihm in dieser Eigenschaft zustehenden Befugnisse zur Wassernutzung einem Dritten insoweit zu übertragen, als ihre Ausübung mit dem Besitze des Ufergrundstücks verknüpft bleibe und nicht etwa zugunsten anderer Grundstücke ausgenutzt werde; wie dem Pächter eines Ufergrundstücks die Wassernutzung überlassen werden könne, so auch dem Käufer bis zur endgültigen Eigentumsübertragung. Deswegen sei der Kläger als Unterlieger am Ohrflusse mit dem durch die genannten Parzellen gebildeten Ufergelände schon seit Anfang 1910 befugt gewesen, einem Eingriff auf seine gesetzlichen Rechte auf Nutzung der Wasserkraft entgegenzutreten.

Die Revision rügt gegenüber diesen Ausführungen, der Berufungsrichter habe die "Aktivlegitimation" des Klägers für die Zeit bis zu seiner Eintragung als Eigentümer auf der Parzelle 740 zu Unrecht als gegeben angesehen. Ihre in dieser Richtung erhobenen Angriffe gehen indessen fehl. Es handelt sich nicht um eine Abtretung des Wassernutzungsrechts in der Weise, daß dieses dadurch von dem Ufergrundstücke getrennt und für ein anderes Grundstück verwertet werden sollte, also nicht um einen Fall, wie er in dem von der Revision angeführten, sich übrigens nur auf Bewässerungsanlagen beziehenden § 25 Nr. 5 PrivFlG. vorgesehen ist und in der von der Revision in Bezug genommenen Abhandlung von Biesantz (Archiv für Zivil- und Strafr. der Rheinprov. Bd. 109 S. 48 flg. bef. S. 65, 66) erörtert wird. Vielmehr ist hier zugleich mit dem Wassernutzungsrecht auch der Besitz an dem Ufergrundstücke mit der Befugnis, dieses wie ein Eigentümer zu benutzen, im Hinblick auf die demnächstige Übertragung des Eigentums selbst (die sich nur wegen der erforderlichen Vermessungsarbeiten verzögerte) auf den Kläger übertragen worden. Dadurch ist das Rechtsverhältnis dem Rahmen eines bloßen Schuldverhältnisses zwischen dem Kläger und dem nur noch formell als Eigentümer eingetragenen Vorbesitzer entwachsen und ein von jedermann zu achtendes (absolutes) Recht des Klägers auf die Wasserbenutzung entstanden, das durch eine quasinegatorische Klage in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB. geschützt ist.

Vgl. RGZ. Bd. 59 S. 328, ferner das obenerwähnte Urteil des erk. Senats vom 3. März 1917 und die dort angeführten weiteren Urteile des Reichsgerichts.

3.

Der Berufungsrichter erörtert sodann die Frage, ob der Kläger berechtigt sei, wegen des festgestellten Eingriffs der Beklagten in seine Gerechtsame als Flußanlieger ohne weiteres Schadensersatz zu verlangen. Er bejaht diese Frage mit der Begründung, daß der Beklagten für ihre Stauanlage im Juni 1910 die gewerbepolizeiliche Genehmigung erteilt und der vom Kläger dagegen erhobene Rekurs verworfen worden sei. Infolgedessen stehe die Anlage, die die Ableitung des Ohrwassers bis zur Mosel hin umfasse, unter dem Schutze des § 26 GewO. Da auch die Herstellung von Einrichtungen, welche dem Ohrwasser nach der Ansammlung im Stauweiher den Lauf wieder zur Ohr geben würden, unzweifelhaft untunlich sei, so könne der Kläger von der Beklagten lediglich Schadloshaltung, diese aber ohne den Nachweis eines Verschuldens, verlangen. Gegen diese Auffassung, welche den § 26 GewO. auf Eingriffe in das Wassernutzungsrecht des Flußanliegers anwendet, sind Angriffe von der Revision in dieser Sache nicht erhoben worden; sie läßt auch einen von Amts wegen zu beachtenden Rechtsirrtum nicht erkennen, entspricht vielmehr der Auffassung, die der erkennende Senat in dem Urteile vom 3. März 1917 gegenüber den von der damaligen Revision gegen die Anwendbarkeit des § 26 erhobenen Bedenken vertreten hat (vgl. auch RGZ. Bd. 49 S. 86).

4.

Bei Erörterung der weiteren Frage, ob der Kläger Schadensersatz gerade in der Richtung verlangen kann, in der er mit der vorliegenden Klage Ansprüche erhoben hat, läßt der Berufungsrichter dahingestellt, ob das Ufergelände, von welchem aus der Kläger das Wasser entnimmt (Parzelle 740/239), mit demjenigen Gelände, über welches der das Wasser zu dem Triebwerke des Klägers führende Graben gelegt ist, und mit dem Grundstück, auf welchem das Triebwerk selbst, für das die Wasserkraft ausgenutzt wird, sich befindet, eine wirtschaftliche und räumliche Einheit bildet, und ob deshalb der Kläger an sich befugt sein würde, das abgeleitete Wasser auf dem Verbrauchsgelände zu nutzen. Er sieht als feststehend an, daß jedenfalls die "zwischenliegenden" Uferbesitzer kraft der ihnen zustehenden Gerechtsame an sich berechtigt sein würden, der Verwendung des Wassers auf dem Verbrauchsgelände zu widersprechen und zu verlangen, daß das bei der Parzelle 740 abgeleitete Wasser dem Flusse wieder zugeführt werde, bevor der Flußlauf bei 722/237 den Uferbesitz des Klägers zunächst verläßt. Der Berufungsrichter erwägt ferner, ob die Beklagte hieraus einen Einwand gegen den Schuldensersatzanspruch des Klägers herleiten könne, und er verneint diese Frage für den Fall, daß sich die Eigentümer der zwischen Entnahme- und Verbrauchsgelände belegenen Ufergrundstücke mit der Art, wie der Kläger das Wasser benutzt, einverstanden erklärt haben würden, wofür er sich auf RGZ. Bd. 49 S. 85 flg. (91) beruft. Er unterstellt aber sodann, daß die Beklagte, wie sie behaupte, als Eigentümerin des Grundstücks 720/235 selber zu den zwischenliegenden Uferbesitzern gehöre und als solche jedenfalls die Ansprüche des Klägers auf Ersatz desjenigen Schadens, dessen Entstehung in die Zeit nach dem Erwerb ihres genannten Grundstücks fällt, an und für sich würde abwehren können, und zwar auch dann, wenn ihre Vorbesitzerin dem Kläger gegenüber auf ihre Rechte als Uferanliegerin verzichtet haben sollte, da ein solcher Verzicht nicht ohne weiteres für die Beklagte bindend wäre. Der Berufungsrichter meint aber, daß alle diese Fragen unentschieden bleiben können, weil die Zwischenlieger, sowohl die Beklagte wie die sonstigen Eigentümer, der Ausnutzung der Wasserkraft auf dem Verbrauchsgelände (dem Triebwerksgrundstücke) durch den Kläger seit dem 22. Januar 1910 überhaupt nicht mehr widersprechen könnten. Denn infolge der an diesem Tage erteilten Genehmigung stehe die gesamte Stau- und Turbinenanlage des Klägers, einschließlich des Ober- und Unterwassergrabens, unter dem Schutze des § 26 GewO. (RGZ. Bd. 49 S. 87 flg.). Müßte aber der Kläger das auf dem Entnahmegrundstück abgeleitete Wasser dem Flusse wieder zuführen, bevor dieser ein fremdes Grundstück berühre, so würde das gleichbedeutend mit der Einstellung seines Gewerbebetriebes (des Betriebes seiner Wasserkraftanlage) sein, und es ließen sich auch Einrichtungen nicht herstellen, welche die benachteiligende Wirkung der dem Kläger genehmigten Anlage auf die Wassernutzungsrechte der Zwischenlieger ausschlössen. Deshalb seien die Zwischenlieger nunmehr auf die Erhebung von Ansprüchen auf Schadloshaltung angewiesen, der Kläger aber in der Benutzung der Wasserkraft auf dem Verbrauchsgelände gesichert. Diese Sicherung beruhe letzten Endes darauf, daß die Zwischenlieger die Erhebung von Einwendungen gemäß § 17 GewO. unterlassen und sich dadurch stillschweigend mit der der Behörde zur Genehmigung unterbreiteten Stauanlage des Klägers einverstanden erklärt hätten. Auf diese durch die Genehmigung ihm gewährte Sicherheit könne der Kläger sich zur Begründung seiner Schadensersatzansprüche berufen. Das stehe keineswegs in Widerspruch damit, daß die gewerbepolizeiliche Erlaubnis als solche die Schadensersatzansprüche des Klägers nicht zu rechtfertigen vermöge. Es handle sich hier nur um die Frage, ob dem Kläger seine Ufergerechtsame, in welche die Beklagte rechtswidrig eingegriffen habe, im vorliegenden Falle tatsächlich die Möglichkeit gewährt habe, das Flußwasser auf dem Betriebsgelände auszunutzen; um diese Möglichkeit darzulegen, könne der Kläger von der Sachlage ausgehen, wie sie sich durch die Genehmigung seiner Anlage und ihre privatrechtlichen Folgen zu seinen Gunsten gestaltet habe. Für die besondere Art seiner tatsächlichen Schadensbegründung könne jeder Ersatzberechtigte die Gesamtheit der tatsächlichen Vorteile ins Feld führen, die für seine Vermögenslage vor dem schädigenden Eingriffe des Gegners in Betracht kamen. Freilich sei der Kläger den Schadensersatzansprüchen der Zwischenlieger ausgesetzt geblieben und die Beklagte würde sich unter Umständen darauf haben berufen können, daß die vom Kläger behaupteten Betriebsvorteile ganz oder zum Teil durch seine Schadensersatzpflicht gegenüber den Zwischenliegern aufgehoben würden. Das aber habe sie nicht getan und auch nicht den ihr als Eigentümerin des Ufergrundstück 720/235 erwachsenen Schaden gegenüber der Forderung des Klägers zur Aufrechnung gestellt.

Diese Ausführungen sind, wie die Revision mit Grund rügt, nicht frei von Rechtsirrtum. Wenn, wie der Berufungsrichter unterstellt, die Art, wie der Kläger das Wasser ableitet und benutzt, in die Gerechtsame der Zwischenlieger eingreift und diese sich damit nicht einverstanden erklärt haben, so ist seine Handlungsweise eine rechtswidrige und hat diesen Charakter ungeachtet der erteilten gewerbepolizeilichen Genehmigung behalten, § 26 GewO. schützt denjenigen, dem eine derartige Erlaubnis erteilt ist, zwar gegen solche Ansprüche, die eine Beseitigung der genehmigten Anlage zur Folge haben würden, und sieht an ihre Stelle einen Anspruch auf Schadloshaltung, greift aber im übrigen nicht in die privatrechtlichen Verhältnisse ein. Solche tatsächlichen Vorteile aber, die jemand nur durch eine rechtswidrige Handlung zu erlangen in der Lage gewesen sein würde, kann er einem Ersatzpflichtigen gegenüber nicht zur Begründung von Schadenersatzansprüchen geltend machen. Der entgangene Gewinn, der nach § 252 BGB. den zu ersehenden Schaden mitumfaßt, ist nur der in erlaubter Weise zu erzielende Vorteil. Aus rechtswidrigen Handlungen soll niemand Vorteil ziehen dürfen; daher kann die Entziehung eines solchen Vorteils auch keinen Schadenersatzanspruch begründen.

Vgl. Urt. des RG.'s vom 24. Oktober 1902. II. 190/02 (Jur. Wochenschr. 1902 Beil. S. 283 Nr. 237); Komm. d. RGRäte zu § 252 Bem. 2.

Das muß um so mehr gelten, wenn, wie der Berufungsrichter weiter unterstellt, die Beklagte selbst Eigentümerin eines zwischen dem Entnahme und dem Verbrauchsgelände liegenden Ufergrundsstücks ist. In diesem Falle verletzt die Handlungsweise des Klägers nicht nur die Rechte dritter Personen, sondern enthält einen Eingriff in das Recht der Beklagten selbst. Dem Versuch, aus der Entziehung eines dadurch dem Kläger erwachsenen Vorteils einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte herzuleiten, würde diese, wie die Revision mit Recht geltend macht, die Einrede der Arglist ( exc. doli generalis) entgegenzusetzen berechtigt sein. Es ist deshalb rechtsirrig, wenn der Berufungsrichter annimmt, die Beklagte müßte, um den Schadensersatzanspruch des Klägers zurückzuweisen, dartun, daß der von ihm an die Zwischenlieger zu zahlende Schadensbetrag den Betrag des ihm erwachsenen Schadens erreiche, oder sie müßte mit ihrer eigenen Schadensersatzforderung gegen den Schadenersatzanspruch des Klägers aufrechnen.

Anders würde, wie der Berufungsrichter mit Recht annimmt, die Sache liegen, wenn der Kläger durch eine Vereinbarung mit den Zwischenliegern das Recht erworben hätte, das abgeleitete Wasser für sein Triebwerk zu benutzen und erst unterhalb ihrer Grundstücke wieder dem Flusse zuzuleiten. In solchem Falle würde hinsichtlich der Zulässigkeit der Wasserbenutzung das Ufergelände des Klägers mit demjenigen der Zwischenlieger als ein einziges Grundstück anzusehen und der Kläger deshalb berechtigt sein, das Wasser auf sein Triebwerksgrundstück abzuleiten, dort zu benutzen und es erst wieder da dem Flusse zuzuleiten, wo der Fluß seinen Grundbesitz und den der Zwischenlieger, mit denen die Vereinbarung getroffen ist, verläßt. Vgl. die übereinstimmenden Vorschriften der §§ 13 Abs. 2 PrivFlG., 44 WassG. die sachlich auch so weit, als das rheinisch-französische Recht maßgebend ist, zutreffen. Eine solche Vereinbarung ist indessen vom Berufungsrichter nicht festgestellt. ...

Der Berufungsrichter durfte sonach den Schadensersatzanspruch des Klägers nicht für dem Grunde nach gerechtfertigt erklären, ohne festzustellen, daß der Kläger zu der Art der Wasserbenutzung, die ihm durch die Stauanlage der Beklagten entzogen worden ist, berechtigt war, und zwar einerseits in der Richtung, daß das Verbrauchsgrundstück mit dem Entnahmegrundstück eine räumliche und wirtschaftliche Einheit bildete, anderseits in der Richtung, daß die Ufereigentümer, deren Grundstücke zwischen der Entnahme- und der Wiederzuleitungsstelle liegen, mit der Anlage einverstanden waren." ...

  • 1. Vgl. oben Nr. 18.