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RG, 01.04.1919 - II 227/18

Daten
Fall: 
Rechnungslegung und Moniturverfahren
Fundstellen: 
RGZ 95, 231
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.04.1919
Aktenzeichen: 
II 227/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Kann der Gläubiger eines Gesellschafters, der dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen hat pfänden lassen, den anderen Gesellschaftern gegenüber Rechnungslegung verlangen und das Moniturverfahren betreiben?

Tatbestand

Der Beklagte und F. G. in Berlin schlossen am 9. Mai 1911 einen Gesellschaftsvertrag zur Ausschüttung und Planierung eines Geländes. Gleich im Beginne der Gesellschaft trat F. G. seine Ansprüche aus dem Vertrag an den Kläger ab. Im Sommer 1913 war der Zweck der Gesellschaft erreicht und diese beendet. Auf Klage F. G.s hat der Beklagte über das Geschäftsergebnis Rechnung gelegt. Sodann hat der jetzige Kläger, indem er die gelegte Rechnung mehrfach beanstandete, im Wege der Klage Zahlung von 14300 M beansprucht. Das Landgericht hat durch Teilurteil über einen Betrag von 10000 M im Sinne der Klage entschieden. Das Kammergericht hat die Klage in dieser Höhe abgewiesen, weil der Kläger auf Grund der Zession nicht berechtigt sei, auf Rechnungslegung zu klagen und nach gelegter Rechnung das Moniturverfahren zu betreiben. Das ist vom Reichsgerichte bestätigt worden (vgl. RGZ. Bd. 90 S. 19).

Darauf hat der Kläger auf Grund eines vollstreckbaren Titels gegen F. G. dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen pfänden lassen, um nunmehr seinen Restanspruch in erster Linie wiederum auf die Zession, sodann aber auf die Pfändung zu stützen. Beide Instanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

Aus den Gründen

"Die Vorinstanzen haben gegenüber dem Anspruche des Klägers, soweit er sich auf die Abtretung des Gesellschafters G. stützt, an der vom Reichsgerichte gebilligten Rechtsauffassung des Kammergerichts festgehalten. Die Revision stellt die Frage nochmals zur Entscheidung, vermag aber neue durchschlagende Gründe für die entgegengesetzte Auffassung nicht vorzubringen." ... (Wird ausgeführt). ..."Das von der Abtretung Gesagte gilt auch von der Pfändung. Auch hierin ist den Vorinstanzen beizutreten. Nach § 719 BGB. kann der Gesellschafter über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen nicht verfügen. Gleichwohl kann dieser Anteil nach § 859 ZPO. gepfändet werden. Es ist unter den Parteien streitig, ob die vom Kläger nachträglich erwirkte Pfändung der Forderung auf das Auseinandersetzungsguthaben rechtswirksam zustande gekommen ist. Wie der Vorderrichter mit Recht angenommen hat, kommt hierauf nichts an, weil mit der allen Anforderungen des Gesetzes entsprechend vollzogenen Pfändung des Anteils zugleich auch die Forderung auf das erfaßt worden ist, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zukommen wird (soweit das in Gestalt einer Forderung erscheint). Aber damit hat der Kläger nichts erreicht. Es handelt sich um die Pfändung eines abtretbaren Anspruchs, die inhaltlich nach § 804 ZPO. und § 1273 BGB. keine andere, jedenfalls keine weitergehende Wirkung hat als die Abtretung. Der pfändende Gläubiger muß sich - von anfechtbaren Rechtsgeschäften abgesehen - mit der Vermögenslage seines Schuldners abfinden, so wie er sie vorfindet, und wie er im allgemeinen eine Forderung seines Schuldners überhaupt nicht pfänden kann, die nicht übertragbar ist, so vermag ihm dann auch die Pfändung einer übertragbaren Forderung inhaltlich keine bessere Rechtsstellung zu verschaffen als die Übertragung. Daher stehen die Grunde des vorausgegangenen Teilurteils auch unter der neuen Begründung mit ungeminderter Kraft dem Klaganspruch entgegen.

Vergebens beruft der Kläger sich für seine Auffassung auf § 859 ZPO., wo in Abs. 2 bestimmt wird, daß das in Abs. 1 vom Gesellschaftsanteil Bestimmte auch von dem Erbteil eines Miterben gelten soll. Allerdings erwirbt der Gläubiger, welcher einen Erbteil seines Schuldners hat pfänden lassen, das selbständige Recht, die Auseinandersetzung unter den Erben zu betreiben (§ 86 Abs. 2 FGG.). Aber das beruht darauf, daß nach § 2038 BGB. jeder Miterbe über seinen Anteil an dem Nachlasse verfügen kann, was von dem Gesellschaftsanteile gerade nicht gilt. Wenn die Zivilprozeßordnung sagt, daß der Erbteil nach derselben Vorschrift soll gepfändet werden können, wie ein Gesellschaftsanteil, so bestimmt sie damit darüber nichts, welche Rechte inhaltlich eine solche Pfändung verschafft.

Eher könnte sich die Revision mit einem Scheine von Berechtigung auf § 725 BGB. berufen. Wenn in Abs. 2 daselbst die Bestimmung, daß der pfändende Gläubiger die sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebenden Rechte nicht geltend machen könne, auf die Zeit beschränkt wird "solange die Gesellschaft besteht", so legt das ein argumentum a contrario für die Zeit nach der Aufkündigung der Gesellschaft nahe. So wenigstens meint die Revision den Zeitpunkt festlegen zu sollen, an den hierbei das Gesetz denkt. Aber entschieden dagegen spricht der oben angeführte allgemeine Gedanke, daß es mit dem Wesen der Gesellschaft unvereinbar ist daß sich auf diese Weise, sei es auch nur im Stadium der Liquidation, ein Dritter in die Gesellschaft sollte eindrängen können. Daß man hieran materiellrechtlich nichts hat ändern wollen, ergibt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Ursprünglich war erwogen worden, ob man nicht dem Gläubiger, der den Anspruch auf das Ergebnis der Auseinandersetzung hat pfänden lassen, in der Gestalt eine Sicherung verschaffen sollte, daß er die Bestellung eines Verwalters betreiben könne, der den Gesellschafter in der Ausübung seiner Rechte zu vertreten hätte (Protokolle der II. Komm. Bd. 2 S. 427). Das wurde abgelehnt, weil es dem Wesen der Gesellschaft nicht entsprechen würde, den übrigen Gesellschaftern eine fremde Person aufzudrängen, wie es denn auch nach Handelsrecht unstreitig nicht zulässig sei, daß der Gläubiger eines Gesellschafters dessen Rechte als solche im Wege der Zwangsvollstreckung ausübe (a. a. O. S. 437). Wenn einem solchen Gläubiger (die Möglichkeit, den Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zu pfänden, kam damals noch nicht in Frage) das Recht gegeben wurde, die Gesellschaft sofort zu kündigen, weil dieser auch in der Lage sein müsse, die Auseinandersetzung herbeizuführen, so hat damit offenbar nicht gesagt sein sollen, daß einem solchen Gläubiger das Recht zukomme, anstelle des Gesellschafters an der Auseinandersetzung mitzuwirken. In der Regel wird schon die Kündigung vermöge des eigenen Interesses der Gesellschafter die Auseinandersetzung zwischen ihnen zur Folge haben. Es wird auch unbedenklich anzuerkennen sein, daß der Gläubiger gegen seinen Schuldner einen klagbaren Anspruch darauf hat, daß dieser die Auseinandersetzung betreibt. Auch wird er z. B. gegen eine offene Handelsgesellschaft das amtliche Verfahren auf Löschung der Gesellschaft im Handelsregister als "Beteiligter" betreiben können ( Staub HGB. § 137 Anm. 7). Später, nachdem inzwischen zur Abänderung der Zivilprozeßordnung der Vorschlag gemacht war, die Pfändung des Gesellschaftsanteils zuzulassen, hat man die jetzige Fassung des § 725 BGB. beschlossen. Damit war dem Gläubiger die Möglichkeit eröffnet, mit der einen Maßregel zugleich sämtliche Rechte seines Schuldners aus der Gesellschaft insoweit zu erfassen, als diese, weil veräußerlich, auch der Verpfändung und damit auch der Pfändung zugänglich sind. Daß man mehr als eine Vorschrift des Verfahrens erweitern wollen, ist nirgends zum Ausdruck gekommen. Im Gegenteil damit hätte geben, die Rechte des Pfandgläubigers auch inhaltlich hätte [??? Zeilen fehlen oder unvollständig] Gerade mit dem Abs. 2 des § 725 BGB. wollte man dem Gedanken vorbeugen, als könne die Vorschrift des jetzigen § 1258 BGB. entsprechende Anwendung finden, nach welchem die Pfändung eines Miteigentums dem Gläubiger die Rechte verleiht, die sich aus der Gemeinschaft der Miteigentümer in Ansehung der Verwaltung der Sache und der Art ihrer Benutzung ergeben (Protokolle Bd. 6 S. 327). Wenn das nur für die Zeit bestimmt worden ist, solange die Gesellschaft besteht, so ist damit noch nicht positiv vorgeschrieben, daß für die Folgezeit der § 1258 BGB. entsprechend anzuwenden sei. Jedenfalls könnte eine entsprechende Anwendung nur insofern in Frage kommen, als dem einzelnen Gesellschafter bei der Auseinandersetzung Sachen, d. h. körperliche Gegenstände, zufallen. Kommt, wie hier, nur eine Forderung in Frage, so bietet die Sachlage nicht die erforderlichen Anhaltspunkte für eine entsprechende Anwendung dessen, was § 1258 vorschreibt. Aber selbst wenn sie das täte, so wäre das noch nicht entscheidend. Hat jeder Gesellschafter nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen das unentziehbare Recht, daß ihm nicht ein Dritter als Gesellschafter aufgedrängt werden kann, auch nicht im Stadium der Liquidation, so ist nicht abzusehen, wieso dieses sein Recht dadurch sollte beeinträchtigt werden können, daß sein Mitgesellschafter eine Zwangsvollstreckung über sich ergehen lassen muß. Dazu bedürfte es einer positiven Vorschrift des Gesetzes. Es mag sein, daß man, als man die Pfändung eines Gesellschafteranteils für zulässig erklärte, sich der Tragweite dessen und der Zweifel, die sich daraus für die materiellrechtliche Beurteilung der Rechtslage ergeben könnten, nicht nach jeder Richtung hin völlig bewußt gewesen ist. Aber klar ist, daß man eine positive Vorschrift des genannten Inhalts zu treffen die Absicht nicht gehabt hat. Selbst wenn zuzugeben wäre, daß sich aus der Fassung des § 725 Abs. 2 BGB. ergäbe, die Verfasser seien von der Annahme ausgegangen, daß nach Beendigung der Gesellschaft der Gläubiger die Rechte aus dem Gesellschaftsverhältnis geltend machen könne, so wäre das damit doch noch nicht zur positiven Gesetzesvorschrift erhoben.

Vor allem aber nötigt nichts, die Worte "solange die Gesellschaft besteht" von dem Zeitpunkte der Aufkündigung der Gesellschaft zu verstehen. Es ist nicht richtig, daß mit der Aufkündigung und Auflösung der Gesellschaft diese auch sofort verschwindet. Nur die weitere Verfolgung des Zweckes der Gesellschaft nimmt sofort ein Ende und nur ausnahmsweise erlischt damit auch zugleich jedes gesellschaftliche Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern, das in der Regel vielmehr, weil weiterbestehend, noch der Auseinandersetzung bedarf. Wenn § 730 Abs. 2 BGB. diese Rechtslage in die Worte kleidet, daß insofern die Gesellschaft als fortbestehend gilt, so darf auch die Wendung in § 725 Abs. 2 "solange die Gesellschaft besteht" in dem weiteren Sinne verstanden werden, daß sie das Stadium der Liquidation mitumfaßt.

Bei dieser Sachlage braucht auf das Bedenken nicht eingegangen zu werden, das schließlich unter allen Umständen den Ausschlag gegen den Klaganspruch geben würde und das sich daraus ergibt, daß der Kläger, ehe er zur Pfändung des Gesellschaftsanteils schritt, den Anspruch auf das Ergebnis der Auseinandersetzung durch Abtretung bereits erworben hatte. Insofern richtet sich die Pfändung des Anteils gegen ein Recht, das dem Schuldner nicht mehr zustand. Sie war insofern, und da weitere Rechte des Schuldners aus dem Gesellschaftsverhältnis nicht in Frage kommen, überhaupt wirkungslos und hat dem Kläger materiell weitere Rechte nicht verschaffen können, als er vermöge der Abtretung bereits besaß."