RG, 02.12.1918 - VI 296/18
1. Kann derjenige, der sich einen Geldbetrag durch Überweisung zahlen läßt, obwohl er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß der Zahlende sich das Geld durch Betrug verschafft hat, wider die guten Sitten verstoßen, wenn er einen rechtlich begründeten Anspruch auf die Zahlung hat?
2. Hat hier der Betrogene, wenn der Betrüger in Konkurs verfallen ist, einen Schadensersatzanspruch gegen den bösgläubigen Empfänger, weil ihm ohne dessen Dazwischentreten ein Aussonderungsrecht gegen die Konkursmasse entstanden sein würde?
3. Ist der Betrogene durch den Empfänger um deswillen nicht geschädigt, weil sein Schaden bereits durch den Betrug entstanden ist?
Tatbestand
Der Kläger hat zur Begründung seines Anspruchs auf Zahlung von 200000 M, den er auf §§ 812, 823 Abs. 2, 830, 826 BGB. stützt, folgende Behauptungen aufgestellt. Er sei am 2. Januar 1917 von der Frau Marta K., die ihm betrüglich ein erdichtetes Speckgeschäft vorgespiegelt habe, an dem er sich mit sicherem Gewinne beteiligen sollte, bestimmt worden, ihr 200000 M bar vorzustrecken. Das Geld habe er auf ihre Anweisung bei der Dr. Bank auf das Konto des Beklagten eingezahlt. Die Marta K. habe seit Jahren Kreditschwindeleien in größtem Umfange getrieben, sei Mitte Januar 1917 verhaftet worden und Ende Januar in Konkurs geraten, bei dem eine Dividende kaum zu erwarten sei. Der Beklagte habe lange mit der K. in Geschäftsverbindung gestanden, sich an ihren Unternehmungen mit hochverzinslichen Darlehen beteiligt und sehr hohe Gewinne gezogen, die sich von April bis Oktober 1916 auf fast eine Million beliefen und auf ehrliche Weise nicht hätten gemacht werden können. Ende 1916 habe er gemerkt, daß sie sich in schwerer Zahlungsbedrängnis befinde. Sie habe eine Gesellschaft m. b. H. zur Verwertung eines neuen Stahlhärtungsverfahrens gegründet, aber weder ihren Geschäftsanteil von 900000 M noch trotz schärfster Mahnungen die Stempelkosten von 60000 M aufbringen können. Um Weihnachten 1916 habe er erfahren, daß sie zum Zwecke der Täuschung von einer gefälschten Schuldurkunde über 3800000 M Gebrauch gemacht habe. Er und andere Personen, denen sie mehrere hunderttausend Mark schuldete, seien sich darüber einig gewesen, daß sie durch betrügliche Machenschaften Geldmittel zu beschaffen suchte. Von Weihnachten 1916 bis zu ihrer Verhaftung habe sie durch Schwindeleien zwei Millionen errafft, wovon dem Beklagten 675000 M, damit sie vor der Beschlagnahme durch die Behörden gesichert würden, als Gewinnanteil zugeflossen seien.
Die beiden Vordergerichte wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden.
Gründe
(Das Reichsgericht tritt dem Berufungsgerichte darin bei, daß mangels einer unmittelbaren Vermögensverschiebung zwischen den Parteien keine ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten vorliege, da das Geld, das die K. von dem Kläger erhalten habe, an die Dr. Bant gezahlt und auf die Weisung der K. von der Bank dem Beklagten gutgeschrieben worden sei; weiter auch darin, daß sich den von dem Kläger angeführten Tatsachen keine Handlungen des Beklagten entnehmen ließen, die eine Teilnahme an dem Betruge der K. gegen den Kläger im Sinne des § 830 BGB. darstellten. Sodann wird fortgefahren:)
... "Wohl aber könnten jene Tatsachen dafür verwertet werden, daß der Beklagte, als er hohe Summen von der K. bezog, gewußt hat oder den Umständen nach annehmen mußte, daß sie durch Betrügereien erlangt seien. In dieser Hinsicht fragt sich, ob der Beklagte die Schutzgesetze der §§ 257, 259 StGB. (Begünstigung und Hehlerei) übertreten habe. Begünstigung erfordert die Absicht des Täters, durch seine Beistandsleistung dem Begünstigten die Vorteile seiner Straftat zu sichern, vornehmlich also die zivilrechtliche Ausgleichung dieser Tat zu vereiteln oder zu erschweren. Ob der Beklagte bei der Annahme des Geldes diese Absicht gehabt hat, läßt sich erst beurteilen, wenn ersichtlich ist, aus welchem Grunde die Zahlung an ihn erfolgt ist, und welchem Zwecke sie dienen sollte. Hehlerei liegt nicht vor, weil der Beklagte keine körperlichen Sachen, die unmittelbar durch den Betrug erlangt waren, an sich gebracht, sondern durch die Überweisung seitens der K. lediglich eine Forderung an die Dr. Bank erworben hat (vgl. Olshausen, Komm. z. StGB, § 259 Anm. 2, 5).
Dagegen kann, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, in der bezeichneten Handlung des Beklagten ein Verstoß gegen die guten Sitten gefunden werden. Der Beklagte und der Nebenintervenient leugnen dies. Sie meinen, der Beklagte habe das Geld als Geschäftsanteil der K. für die Gesellschaft m. b. H. erhalten und es, falls er einen rechtlich begründeten Anspruch darauf gehabt, annehmen dürfen, auch wenn er gewußt habe, daß die K. es sich auf unredlichem Wege verschafft hatte; ein solches Verhalten sei nicht als sittenwidrig anzusehen, möge es auch der Empfindung eines vornehm denkenden Mannes widerstreben.
Der Auffassung des Beklagten ist in dieser Allgemeinheit nicht beizupflichten. Der Gläubiger hat an sich nur das Recht, aus dem Vermögen des Schuldners befriedigt zu werden. Zu diesem Vermögen gehören zwar äußerlich und unter Umständen nach formalem Rechte, nicht aber nach dem wahren Rechte Gelder, die der Schuldner einem Dritten durch Betrug abgelockt hat. Weiß der Gläubiger oder muß er annehmen, daß die Leistung des Schuldners aus dermaßen gewonnenen Mitteln bewirkt wird, so kann in der Annahme des unrechtmäßig erlangten Geldes nach der Gestaltung des Falles eine das Anstandsgefühl jedes rechtlich denkenden Menschen verletzende und damit wider die guten Sitten verstoßende Handlungsweise erblickt werden. Auf eine solche Betrachtung weist schon die Verwandtschaft mit der Begünstigung und Hehlerei hin. Vielfach wird es auf die Art des Anspruchs des Gläubigers und der Beziehungen zwischen ihm und dem Schuldner ankommen. Hier ist über den Anspruch des Beklagten auf die 200000 M bis jetzt nichts festgestellt. Wäre richtig, daß der Betrag ganz oder teilweise als Gewinnanteil aus den von ihm als schwindelhaft erkannten Unternehmungen der überschuldeten K. an den Beklagten fallen sollte, so würde die Annahme eines Sittenverstoßes des Beklagten kaum einem Bedenken begegnen. Aber auch wenn die Zahlung, wie der Beklagte behauptet, auf die von der K. übernommene Einlage für die Ferrosilicium-Gesellschaft m.b.H. geschehen wäre, so wäre die Sittenwidrigkeit der Empfangnahme des Geldes nicht ohne weiteres ausgeschlossen, sondern es wäre zu untersuchen, ob es sich nicht auch bei der Gründung dieser Gesellschaft und der Einziehung der Geschäftsanteile um unlautere, auf unredlichen Gewinn abzielende, Machenschaften gehandelt hat.
Das Berufungsgericht, das, wie bemerkt, eine sittlich anstößige Handlung des Beklagten unterstellt, kommt aus folgenden Gründen zur Abweisung der Klage. Der Beklagte könne, da er mit der K. nicht zu einem gemeinschaftlichen Zwecke zusammengewirkt habe, lediglich für den Schaden haftbar gemacht werden, der durch seine eigene Handlung entstanden sei. Der Kläger sei aber hierdurch nicht geschädigt worden. Denn sein Schaden sei dadurch entstanden, daß er auf Grund der betrüglichen Vorspiegelungen der K. ihr das Geld aushändigte. Ohne das Dazwischentreten des Beklagten würde der Erfolg der gewesen sein, daß das Geld in der Konkursmasse verblieben wäre. Zur Geltendmachung des durch das Dazwischentreten des Beklagten entstandenen Schadens wäre nur der Konkursverwalter berechtigt, der sich mit dem Beklagten dahin geeinigt habe, daß dieser einen entsprechenden Betrag zur Konkursmasse zurückgewährt habe.
Die Revision wendet hiergegen ein, der Beklagte habe durch die Annahme des Geldes auch den Kläger geschädigt, wäre das Geld.
bei der Dr. Bank nicht auf das Konto des Beklagten eingezahlt worden, dann würde die Bank es auf das Konto der K. gebucht haben. Nach der Konkurseröffnung habe der Kläger sein Geschäft mit der K. dem Konkursverwalter gegenüber wegen arglistiger Täuschung angefochten, die Herausgabe des Guthabens der K. bei der Bank erwirkt und seine Aussonderung gefordert. Das Aussonderungsrecht sei nur deshalb nicht entstanden, weil der Beklagte den Betrag auf sein Konto habe gutschreiben lassen.
Der Angriff ist verfehlt. Nach § 43 KO. unterliegen der Aussonderung Gegenstände, nämlich individuell bestimmte körperliche Sachen oder Rechte, die sich in der Konkursmasse befinden, aber dem Gemeinschuldner nicht gehören, wenn der Gläubiger ein dingliches oder persönliches Recht an ihnen hat. Geld als Zahlungsmittel ist danach, von bestimmten Geldstücken abgesehen, regelmäßig kein Gegenstand der Aussonderung. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat der Kläger die 200000 M an die K. ausgezahlt, die den Betrag dem Beklagten hat gutbringen lassen. Näheres ist über den Zahlungsvorgang nicht bemerkt. Durch die Auszahlung ist das Eigentum des Klägers an dem Gelde auf die K. übergegangen. Wäre es an den Beklagten nicht überwiesen worden, so wäre es als der Gemeinschuldnerin gehörig in der Konkursmasse geblieben. Hätte der Kläger das Geschäft mit der K. angefochten, so wäre das Geld nicht etwa in sein Eigentum zurückgefallen, sondern nur der Konkursverwalter zur Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet gewesen. Der Kläger hätte eine Konkursforderung, aber keinen Aussonderungsanspruch erworben. Durch die Anfechtung wäre natürlich auch kein dingliches oder persönliches Recht an einem etwaigen Guthaben der K. an die Dr. Bank, wie es § 43 voraussetzt, begründet worden. Die Konkursforderung wegen des gegen ihn begangenen Betrugs steht aber auch jetzt dem Kläger zu.
Dagegen sind die Erwägungen des Berufungsgerichts aus anderen Gründen zu beanstanden. Zunächst ist bis jetzt nicht ersichtlich, wie das Rechtsverhältnis zwischen dem Konkursverwalter und dem Beklagten für den Anspruch des Klägers von Bedeutung sein soll. Es mag sein, daß das Geld des Klägers, wenn es der Beklagte nicht bekommen hätte, in der Konkursmasse verblieben wäre. Aus welchem Rechtsgrunde der Konkursverwalter von dem Beklagten Erstattung verlangt hat, die durch den Vergleich zwischen ihnen bereinigt wurde, erhellt nicht. Daß nur der Konkursverwalter, wie das Berufungsgericht sagt, berechtigt sei, den durch das Dazwischentreten des Beklagten entstandenen Schaden geltend zu machen, trifft für den Schaden zu, den der Beklagte der K. oder der Konkursmasse, nicht aber für den Schaden, den er dem Kläger zugefügt hat.
Zu Unrecht verneint sodann das Berufungsgericht, daß der Kläger durch eine etwaige sittenwidrige Handlung des Beklagten geschädigt wurde, weil sein Schaden bereits durch die Aushändigung der 200000 M an die K. entstanden sei. Wohl hat er sein Geld dadurch eingebüßt, daß er es an die K. bezahlt hat. Allein er konnte das Geschäft mit ihr anfechten und Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung oder er konnte Schadensersatz von ihr fordern (§§ 123, 142, 812, 823 Abs. 2, 249 BGB.). Daß er diesen Anspruch nicht verwirklichen und von der K. Rückerstattung des Geldes nicht zu erlangen vermochte, kann dadurch herbeigeführt worden sein, daß es sofort an den Beklagten mit dessen Einverständnis verschoben und für den Kläger nicht mehr erreichbare wurde. Der Kläger ist durch die Verschiebung gehindert worden, seine Ansprüche gegen die K. durchzusetzen, weil ihr der Beklagte die Mittel zur Befriedigung dieser Ansprüche entwunden hat. Insofern kann daher der Kläger allerdings geschädigt worden sein. Welchen Lauf die Dinge genommen hätten, wenn dem Beklagten das Geld nicht überwiesen worden wäre, ob der Kläger den Betrug alsbald entdeckt, die möglichen und geeigneten Schritte zur Wiedererlangung seines Geldes unternommen hätte und mit welchem Ergebnis, steht zunächst dahin und wird gegebenenfalls der Aufklärung und Feststellung bedürfen. Der Ansicht des Berufungsgerichts mußte indes entgegengetreten werden, weil sie dahin führt, daß derjenige, an den der Erlös von Sachen, die durch eine strafbare Handlung erlangt wurden, oder entwendetes, veruntreutes oder erschwindeltes Geld nicht als körperliche Sache, sondern etwa im Wege der Überweisung oder auf ähnliche Art verschoben wurde, gegen den also die Eigentumsklage (§§ 985 bis 992 BGB.) in keinem Falle durchdringen wird, seine Beute in Sicherheit bringen und unangefochten genießen dürfte. Denn er könnte, wenn das Berufungsgericht recht hätte, dem Verletzten entgegenhalten, sein Schaden sei bereits durch die Vortat entstanden, an der er - der Belangte - nicht teilgenommen habe."...