RG, 12.03.1919 - V 363/18

Daten
Fall: 
Handlungsagenturvertrag
Fundstellen: 
RGZ 95, 134
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
12.03.1919
Aktenzeichen: 
V 363/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht III Berlin, Kammer für Handelssachen
  • Kammergericht Berlin

1. Rechtliche Natur des Handlungsagenturvertrags im Unterschiede vom Mäklervertrage.
2. Kann der Mäkler, dessen Provisionsanspruch zufolge besonderer Vereinbarung von der Ausführung des Geschäfts abhängt, die Provision verlangen, wenn das Unterbleiben der Ausführung auf das Verhalten des Geschäftsherrn zurückzuführen ist, ohne daß wichtige Gründe in der Person des Geschäftsgegners vorliegen?

Tatbestand

Die Beklagte suchte im August 1917 Heeresaufträge für ihren Fabrikationsbetrieb zu erlangen. Die Klägerin erklärte ihr in einem Schreiben vom 7. August 1917, daß ein Herr Gr. ihr größere, in ihren Fabrikrahmen passende Heeresaufträge beschaffen bzw. dafür sorgen könne, daß ihr die Aufträge durch seine oder der Klägerin Vermittelung zugingen. Es heißt in diesem Schreiben weiter:

"Herr Gr. beansprucht dafür natürlich eine Provision, und wäre es der Einfachheit wegen am zweckmäßigsten, wenn Sie uns eine schriftliche Provisionszusicherung - wir denken etwa 5% - für alle perfekt gewordenen Geschäfte von der Bruttokalkulation zusenden würden, und zwar für solche Geschäfte, die durch unser bzw. sein Zutun zustande kommen. Wir würden dann mit ihm auf dieser Basis ein gesondertes Abkommen treffen."

Die Beklagte entgegnete in ihrem Schreiben vom 13. August 1917, sie erteile die Provisionszusage von 5% und dies sei so zu verstehen, "daß sie durch Herrn Gr. Aufträge erhalte und auch weiter darauf reflektiere." Zum Schluß heißt es dann: "die 5% Provision wird von uns an Sie ausbezahlt, sobald wir den Betrag von den M.-R.-Werken erhalten haben."

Die M.-R.-Werke haben der Beklagten einen Auftrag zum Gesamtpreise von 96000 M erteilt. Die Beklagte hat aber nur einen geringen Teil der Bestellung ausgeführt. Die hierauf entfallende Provision hat sie der Klägerin bezahlt. Die Klägerin verlangt den Restbetrag, berechnet auf Grund des Gesamtpreises. Das Landgericht gab dem Klagantrag statt. Dagegen erkannte das Kammergericht auf Abweisung der Klage.

Die Revision der Klägerin ist zurückgewiesen worden.

Gründe

"Der Berufungsrichter erachtet die Annahme des ersten Richters, daß die Klägerin Handlungsagentin der Beklagten im Sinne des §84 HGB. gewesen sei und deshalb §88 das. zur Anwendung zu kommen habe, für rechtsirrig, da die Klägerin nicht ständig damit betraut gewesen sei, für die Beklagte Geschäfte zu vermitteln. Es liegt nach Ansicht des Berufungsrichters vielmehr ein Mäklervertrag im Sinne des § 652 BGB. vor. Die Klägerin habe sich bereit erklärt, der Beklagten Aufträge auf Heereslieferungen durch einen gewissen Gr., der anscheinend Einfluß auf die Vergebung dieser Lieferungen hatte, zukommen zu lassen; eine ständige Vereinbarung sei insbesondere auch nicht daraus zu folgern, daß die Beklagte in ihrem Schreiben vom 11. August 1917 um Überweisung weiterer Aufträge gebeten habe.

Diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum, insbesondere eine Verletzung des Rechtsbegriffs des "ständigen Betrautseins" in §84 HGB. nicht erkennen. Dazu genügt nicht, daß die Vermittelung einer Mehrzahl von Verträgen innerhalb einer nicht fest bestimmten Frist in Aussicht genommen ist. Vielmehr ist erforderlich ein auf die Dauer berechnetes Verhältnis zu dem Geschäftsherrn, auf Grund dessen der Agent verpflichtet ist, in dessen Interesse für den Abschluß von Geschäften als Vermittler tätig zu sein (vgl. Denkschrift zum Entwurf des HGB. S. 73). Der Agent steht zu dem Geschäftsherrn im Verhältnis des Dienstverpflichteten zu dem Dienstberechtigten, obwohl er nicht als Handlungsgehilfe angestellt ist, sondern als selbständiger Gewerbetreibender tätig wird (vgl. Staub zu § 84 Anm. 3, 4 und 5; Wüstendörfer in Zeitschr. f. Handelsrecht Bd. 58 S. 123, OLG. Karlsruhe in Rechtspr. d. OLG. Bd. 12 S. 423, RGZ. Bd. 31 S. 60). Ein solcher Dienstvertrag (Agenturvertrag) ist hier nicht festgestellt; es liegt vielmehr nur das einseitige Provisionsversprechen der Beklagten vor, das abgegeben ist auf Grund der bloßen Mitteilung der Klägerin, daß sie oder Gr. ihr Heeresaufträge verschaffen könne. ...

Sonach ist die Annahme des Berufungsrichters, daß nicht ein Handlungsagenturvertrag, sondern ein Mäklervertrag im Sinne des §652 BGB. vorliege, rechtlich nicht zu beanstanden. Durch diese Annahme wird übrigens die Klägerin an sich günstiger gestellt, als sie bei Annahme eines Handlungsagenturvertrags stehen würde, da nach § 652 BGB. die Mäklergebühr schon verdient ist, wenn das Geschäft zustandegekommen ist, während nach § 88 HGB. der Handlungsagent im Zweifel bei Verkäufen den Anspruch auf Provision erst nach der Ausführung des Geschäfts, und dem Eingange der Zahlung und nur nach dem Verhältnis des eingegangenen Betrags erwirbt. Der Berufungsrichter ist aber durch Auslegung des unter den Parteien abgeschlossenen Vertrags dazu gelangt, anzunehmen, daß eine dieser Bestimmung entsprechende Vereinbarung unter den Parteien getroffen worden ist. Diese Vereinbarung findet er in dem Satze, der besagt, daß die Provision ausgezahlt werde, sobald die Beklagte den Betrag von den M.-R.-Werken erhalten habe. Der Berufungsrichter entnimmt hieraus, daß - wie es bei Kriegslieferungen die Regel geworden sei - die Provision erst mit der Durchführung des Geschäfts, insbesondere der Zahlung des Kaufpreises durch die M.-R.-Werke, verdient sein sollte. "Zur Vollendung geführte" Geschäfte seien solche gewesen, welche durch gegenseitige Vertragserfüllung erledigt waren. Die Provision habe nicht etwa bis zur Zahlung gestundet, sondern erst mit der Zahlung verdient sein sollen; in diesem Sinne habe das Berufungsgericht Provisionen ähnlichen Inhalts stets dann ausgelegt, wenn es sich um Vermittelung von Kriegslieferungen und um Provisionen von so erheblicher Höhe wie vorliegend gehandelt habe. Hiervon ausgehend gelangt der Berufungsrichter dazu, daß die Beklagte nicht verpflichtet sei, für den nicht ausgeführten Teil der Bestellung Provision zu zahlen. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte der Bestellerin gegenüber die Nichtlieferung zu vertreten habe; der Klägerin gegenüber sei sie Herrin des Geschäfts geblieben. Nur dann würde sie der Klägerin gegenüber sich nicht auf die Nichtausführung des Geschäfts berufen können, wenn sie dabei die Absicht verfolgt hätte, den Provisionsanspruch der Klägerin zu vereiteln. Das behaupte aber die Klägerin selbst nicht; sie trage lediglich vor, daß die Beklagte die Lieferung an die M.-R.-Werke schuldhaft verzögert und die Bestellerin darauf hin den Vertrag für aufgehoben erklärt habe.

Auch diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Der zweite Absatz des §88 HGB., dessen Nichtanwendung die Revision rügt, kann zunächst keinesfalls unmittelbare Anwendung finden, da ein Fall des Handlungsagenturvertrags, für welchen die Vorschrift gegeben ist, nicht vorliegt. Es könnte nur in Frage kommen, ob etwa diese Vorschrift einen allgemeinen Rechtssatz, der auch auf den Provisionsanspruch des Mäklers entsprechende Anwendung finden dürfte, zum Ausdrucke bringt des Inhalts, daß, wenn der Provisionsanspruch, sei es auf Grund Gesetzes (wie nach § 88 Abs. 1 beim Handlungsagenten) oder auf Grund besonderer Vereinbarung (wie im vorliegenden Falle), davon abhängig ist, daß das vermittelte Geschäft zur Ausführung gelangt, ein gänzliches oder teilweises Unterbleiben der Ausführung, das auf das Verhalten des Geschäftsherrn zurückzuführen ist, ohne daß hierfür wichtige Gründe in der Person des Geschäftsgegners vorliegen, die Entstehung des Provisionsanspruchs in voller Höhe nicht ausschließt. Der Senat nimmt aber, wie schon in seinem kürzlich ergangenen Urteile V 312/1918 vom 18. Januar 1919, in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. Bolze, Praxis Bd. 6 Nr. 491; Jur. Wochenschr. 1916 S. 1585 Nr. 4) an, daß bei dem Mäklervertrage, wenn durch besondere Vereinbarung der Anspruch auf Provision von der Ausführung des Geschäfts abhängig gemacht worden ist, der Geschäftsherr gegenüber dem Mäkler keine Verpflichtung hat, das Seinige zur Ausführung des Geschäfts zu tun, daß er vielmehr in dieser Beziehung freie Hand hat und daß der Provisionsanspruch nicht entsteht, wenn aus irgendeinem Grunde, sei es auch durch ein gegenüber dem Geschäftsgegner schadhaftes Verhalten des Geschäftsherrn, das Geschäft nicht zur Ausführung gelangt, mit der einzigen schon aus § 162 BGB. sich ergebenden Einschränkung, daß der Geschäftsherr die Ausführung des Geschäfts nicht in einer gegenüber dem Mäkler wider Treu und Glauben verstoßenden Weise, also insbesondere nicht in der Absicht, diesem den Provisionsanspruch zu entziehen, vereiteln darf. Die Vorschrift des §88 Abs. 2 beruht auf den besonderen, zwischen dem Geschäftsherrn und dem Handlungsagenten bestehenden gegenseitige Verpflichtungen erzeugenden Vertrauensverhältnissen und kann deshalb auf das nicht wesensgleiche oder rechtsähnliche Verhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Mäkler nicht entsprechend angewendet werden."