RG, 25.02.1919 - II 304/18

Daten
Fall: 
Auflösung einer GmbH durch Kündigung
Fundstellen: 
RGZ 95, 39
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
25.02.1919
Aktenzeichen: 
II 304/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mainz
  • OLG Darmstadt

Auflösung einer Gesellschaft m. b. H. durch Kündigung.

Tatbestand

Durch notariellen Vertrag vom 9. November 1904 errichteten der Beklagte, der Kläger und der Fabrikant Kr. die Flaschenfabrik K., Gesellschaft m. b. H. Von dem auf 200000 M festgesetzten Stammkapital übernahmen der Beklagte 100000 M. der Kläger 80000 M und Kr. 20000 M. In § 16 des Vertrags wurde die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses mit einjähriger Frist zugelassen und unter anderem bestimmt:

"Erfolgt seitens eines oder mehrerer Gesellschafter eine Kündigung, so sind die oder der Gesellschafter, welchen gekündigt wurde, sowie die Gesellschaft selbst berechtigt, die Stammanteile des Kündigenden zu dem Werte zu übernehmen, der sich aus der Bilanz ergibt, die für das Ende desjenigen Geschäftsjahres aufgestellt wird, nach welchem der Austritt des Kündigenden erfolgt."

Der Kläger wurde zum Geschäftsführer bestellt. Im Dezember 1908 erwarb er den Kr.schen Geschäftsanteil, so daß er seitdem, wie der Beklagte, mit 100000 M beteiligt war. Am 30. Dezember 1915 kündigten beide Parteien den Gesellschaftsvertrag zum 31. Dezember 1916 auf, sie vereinbarten jedoch vor Ablauf der Kündigungsfrist deren Verlängerung bis zum 31. März 1917. Es fanden dann Verhandlungen darüber statt, ob und in welcher Weise das Geschäft fortgeführt oder aufgelöst werden solle, bis schließlich der Kläger am 4. Dezember 1917 dem Beklagten mitteilte, daß er von dem ihm in § 16 des Vertrags gewährleisteten Rechte Gebrauch machen und den Stammanteil des Beklagten für sich und die Gesellschaft zu dem Wert übernehmen wolle, der sich aus der Bilanz zum 31. Dezember 1916 ergebe. Da der Beklagte dieses Recht bestritt, wurde der Kläger auf Übertragung des Stammanteils klagbar.

Dem Antrage des Beklagten gemäß wies das Landgericht die Klage ab. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen, ebenso seine Revision.

Aus den Gründen

... "Dem Berufungsgerichte fällt jedenfalls insofern keine Gesetzesverletzung zur Last, als es den § 16 des Gesellschaftsvertrags dahin ausgelegt hat, daß die Befugnis, den Stammanteil des kündigenden Gesellschafters zu übernehmen, den nicht kündigenden Gesellschaftern und der Gesellschaft selbst einzig und allein zu dem Zwecke gegeben worden sei, den Eintritt der Wirkung der Kündigung, nämlich den der Auflösung der Gesellschaft beim Ablaufe der Kündigungsfrist (vgl. §§ 723 flg., 729 BGB., § 60 Abs. 2 GmbHG.), zu verhindern. Selbst wenn daher der Kläger, sei es für seine Person, sei es für die Gesellschaft, den Stammanteil des Beklagten zu übernehmen befugt gewesen wäre, hätte er dieses Übernahmerecht vor dem Ende der Kündigungsfrist, also, da nach der einwandfreien Feststellung des Berufungsgerichts die Parteien vor dem 31. Dezember 1916 die Verlängerung der Frist bis zum 31. März 1917 vereinbart hatten, vor dem Ablaufe des letzteren Tages, durch Erklärung gegenüber dem Beklagten, als dem Kündigenden, ausüben müssen. Er hat aber die erforderliche Übernahmeerklärung erst am 4. Dezember 1917 abgegeben. Ob er die (verlängerte) Kündigungsfrist hat verstreichen lassen, weil es ihm zweckmäßig erschien, zunächst die Fertigstellung der für den Übernahmepreis maßgebenden Bilanz abzuwarten und erst noch mit einem Gläubiger und stillen Teilhaber der Gesellschaft zu verhandeln, ist völlig unerheblich. Ebenso ist es ohne Belang, ob nach dem Ablaufe der Frist noch Verhandlungen der Parteien über die Fortsetzung der Gesellschaft stattgefunden haben. Die gegenteilige Auffassung der Revision beruht auf der irrigen Rechtsansicht, daß der Ablauf der (verlängerten) Kündigungsfrist die Auflösung der Gesellschaft nicht zur Folge gehabt habe." ...