RG, 25.02.1919 - III 432/18
Befreit beim Kauf nach Probe die Probemäßigkeit der Kaufsache den Verkäufer von der Haftung wegen heimlicher Mängel, die an der Probe nicht zu erkennen waren?
Tatbestand
Der Geschäftsvermittler L. hat am 17. Dezember 1915 der Beklagten geschrieben, er habe für ihre Rechnung der Klägerin 70/75 Barrels Tran (es waren 71 Faß hellen Trans) "laut Muster" zu 300 M per 100 kg verkauft. Die Beklagte bestätigte der Klägerin an demselben Tage den Abschluß dahin, daß sie "genau nach Muster" verkauft habe. Eine Antwort hat die Klägerin, die von L. vor dem Abschluß ein Muster erhalten hatte, nicht erteilt. Sie hat die Ware am 22. Dezember 1915 in Empfang genommen und den Kaufpreis bezahlt. Am 29. Dezember 1915 bemängelte sie die Lieferung, weil sich beim Spaltungs- und Siedeprozeß herausgestellt habe, daß die Ware 21 1/2 %, Unverseifbares enthalte; an dem Muster sei dieser Mangel nicht zu erkennen gewesen.
Mit der Klage behauptete die Klägerin einen Minderwert von 6933 M; davon rechnete sie eine Gegenforderung von 112,50 M ab und klagte 6820,50 M nebst 5% Zinsen seit dem 1. April 1916 als Minderungsanspruch, fürsorglich als Schadensersatz ein. Die Beklagte ihrerseits beantragte Abweisung und erhob Widerklage auf Zahlung der anerkannten Gegenforderung.
Das Landgericht gab dem Antrag der Beklagten statt. Das Oberlandesgericht erklärte unter Abweisung der Widerklage den Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt. Auf Revision der Beklagten wurde das Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe
"Der erste Richter stellte fest, es werde von der Klägerin nicht bestritten, daß die der Klägerin vor dem Abschluß ausgehändigte Probe als ordnungsgemäß gezogen anzusehen sei. Damit sollte gesagt sein, daß die gelieferte Ware nicht hinter dem Muster an Güte zurückstehe; denn die Klage wurde abgewiesen, weil nach Muster verkauft sei. In der zweiten Instanz ist nichts anderes vorgetragen worden. Der Berufungsrichter äußert sich allerdings zu diesem Punkte nicht ausdrücklich; er läßt das Beweiserbieten der Beklagten dahingestellt, wonach ausdrücklich beim Abschlusse jede andere Garantie als die für Mustermäßigkeit ausgeschlossen worden wäre, ebenso die Frage nach der Angemessenheit des Kaufpreises, welchen der Sachverständige nicht als unverhältnismäßig hoch erachtet. Seine Entscheidung stützt sich auf arglistiges Verschweigen eines Mangels (§§ 472, 478, 480 BGB.). Er stellt fest, daß die Ware reichlich 36% Unverseifbares enthielt und deshalb nach dem Gutachten, für die Seifenfabrikation nicht zu verwenden sei, weil die Seife keine Festigkeit erlange. Der Mangel sei ein heimlicher, aus dem Aussehen der Probe nicht zu entnehmender gewesen.
Die Beklagte hat selbst vorgetragen, sie sei bei Bearbeitung der Ware zu transparenter Schmierseife auf Schwierigkeiten gestoßen. Der Berufungsrichter läßt dahingestellt, ob die Beklagte die Unbrauchbarkeit der Ware zur Seifenfabrikation erkannt habe oder habe erkennen können; er läßt es auch dahingestellt, ob nicht die Beklagte an die Verwendbarkeit der Ware zu allen Seifen, außer zu transparenter Schmierseife, geglaubt habe. Schon die Unverwendbarkeit des Trans zu transparenter Schmierseife bedeute für einen Seifenfabrikanten eine erhebliche Minderung des Gebrauchswerts. Diesen ihr bekannten Mangel habe die Beklagte der Klägerin nicht verschweigen dürfen, weil diese eine Seifenfabrikantin sei und die Verwendung zur Seifenfabrikation angesichts der verkauften Menge den nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch der Ware darstelle (§ 459 BGB.). Der Minderwert des Trans sei nach dem Gutachten bei einem Gesamtpreis von 34000 M jedenfalls höher als die Gegenforderung von 112,50 M.
Das Urteil ist nicht haltbar, soweit es den Entscheidungsgrund des arglistigen Verschweigens angeht... (wird ausgeführt).
Ist der Beklagten keine Arglist vorzuwerfen, so ist die angebliche Vereinbarung, wonach für Eigenschaften der Ware nur die Garantie der Probemäßigkeit übernommen worden sein soll, nicht nach § 476 BGB. nichtig; sie meint jedoch, sie müsse siegen, ohne daß es noch darauf ankomme, ob diese ihre Haftung beschränkende Vereinbarung bewiesen sei. Denn die Ware sei "genau nach Muster" verkauft; also genüge sie ihrer Pflicht durch mustergemäße Lieferung. Der Berufungsrichter verletze die §§ 459, 494 BGB., indem er noch weiter die Verwendbarkeit der Ware zur Seifenfabrikation als den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch bezeichne und aus diesem Grunde mangelhafte Erfüllung des Kaufvertrags annehme; eine solche Eigenschaft außerhalb der Eigenschaften der Probe bedürfe besonderer Ausbedingung. Die Beklagte hat sich für ihre Ansicht auf eine Reihe von Entscheidungen des Reichsgerichts berufen.
Der Berufungsrichter stellt fest, es sei Parteiwille gewesen, daß die Ware zur Seifenfabrikation verwendbar sein müsse. Das Muster sei behaftet mit dem heimlichen, der Klägerin nicht erkennbaren Mangel der Unverwendbarkeit zur Seifenfabrikation, die Klägerin habe den Mangel auch rechtzeitig gerügt. Diese Erwägungen sind rechtlich schlüssig. Die Beklagte haftet für verborgene Mängel der Probe. Ihre Gewährleistungsansprüche hat die Klägerin sich durch rechtzeitige Mangelanzeige gewahrt. Die Frage, ob der Käufer beim Kaufe nach Probe heimliche Mängel der Probe, d. h. solche Mängel, die bei gehöriger Untersuchung der Probe von ihm, wie dies hier zutrifft, nicht entdeckt werden konnten, nachträglich rügen darf, wird im Schrifttum allgemein bejaht (Staub HBG. Erk. zu § 382 Anm. 6, Abs. 2; Düringer-Hachenburg HGB. Bd. 3 Einl. Anm. 285; Staudinger BGB. § 494 Ziff. 1 h). Dazu ist jedoch berichtigend zu bemerken, daß von den Reichsgerichtsentscheidungen, welche von den Schriftstellern zur Bestätigung ihrer Ansicht angeführt werden, nämlich RGZ. Bd. 27 S. 20, Bd. 20 S. 39; Bolze Bd. 13 Nr. 433, Bd. 5 Nr. 653, nur die Entscheidung RGZ. Bd. 20 S. 39 hierher gehört; aber auch diese spricht sich nicht ganz unzweideutig über die Frage aus. Die Reichsgerichtsentscheidung in RGZ. Bd. 27 S. 20 betrifft nicht heimliche Mängel, sondern das Fehlen zugesicherter oder durch die Bezeichnung "Brotmehl" vereinbarter Eigenschaften; Bolze Bd. 5 Nr. 653 handelt vom Unterschied zwischen Probe und Ware; Bolze Bd. 13 Nr. 433 betrifft dieselbe Beschaffenheit von Ware und Probe. Die Revision hat zwecks Beantwortung im gegenteiligen Sinne eine Anzahl von Entscheidungen des Reichsgerichts angezogen, die jedoch nichts besagen, was hier in Betracht kommen könnte; insbesondere gilt dies von dem nicht veröffentlichten Urteil vom 5. Februar 1904 II 300/03. Nach dessen Tatbestand hatte der Käufer beim Verkäufer Dosen mit einem bestimmten Metallaufdruck zur Einfüllung von Margarine nach einem Muster bestellt. Muster und Ware hatten den heimlichen Fehler, daß der kupferhaltige Aufdruck die Margarine schädlich beeinflußte; der Käufer wurde zur Zahlung des Kaufpreises verurteilt, weil die Ware dem Muster entsprochen hatte und dem Verkäufer Arglist nicht vorgeworfen werden konnte; die schädliche Wirkung des bronzenen Aufdrucks war den Parteien nicht bekannt und selbst dem Sachverständigen neu. Diese Entscheidung besagt lediglich, daß der Käufer wissen muß, was er bestellt, und ob das Bestellte seinen Zwecken genügt oder nicht.
In dem hier zu entscheidenden Falle ist der nach dem Vertrage vorausgesetzte Gebrauch (§ 459 Abs. 1 BGB.) die Brauchbarkeit zur Seifenfabrikation; diese Brauchbarkeit sollte das Muster zeigen. Das Muster hatte diese Brauchbarkeit nicht, weil es mit dem nicht erkennbaren Mangel zu großen Gehalts von Unverseifbarem behaftet war. Daraus folgt ohne weiteres, da § 494 BGB. unter der Herrschaft des in § 459 ausgesprochenen allgemeinen Grundsatzes der Haftung für die dort umschriebene Vertragsmäßigkeit steht, daß die Beklagte für die Unbrauchbarkeit der mit dem Muster übereinstimmenden Ware einzustehen hat, wenn sie nicht einen besonderen Befreiungsgrund geltend machen kann. Denn rechtzeitig gerügt worden ist der Mangel, wie erörtert. Einen solchen besonderen Befreiungsgrund hat die Beklagte geltend gemacht; sie hat unter Beweis gestellt, daß nach ausdrücklicher Vereinbarung das Muster schlechthin maßgebend sein und damit das Einstehen für heimliche Fehler ausdrücklich ausgeschlossen sein sollte.
Der Berufungsrichter verkennt nicht, daß diese Behauptung entscheidend ist, sobald der Beklagten Arglist nicht zur Last füllt. Daß ihr Arglist nicht nachzuweisen ist, wurde bereits dargetan. Folglich bedarf es der Aufhebung des Urteils, und zwar auch hinsichtlich der Widerklage, damit sich der Berufungsrichter über die Beweisbarkeit der zuletzt erwähnten Einrede der Beklagten schlüssig mache; dabei wird auch zu erwägen sein, welche Bedeutung dem Umstande zukommt, daß die Beklagte der Klägerin den Abschluß mit der Bemerkung bestätigte, sie habe "nur nach Muster" verkauft."