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RG, 14.02.1919 - II 314/18

Daten
Fall: 
Kaufpreises auf der Grundlage von Londoner Notierungen
Fundstellen: 
RGZ 94, 337
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.02.1919
Aktenzeichen: 
II 314/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Bestimmung des Kaufpreises auf der Grundlage von Londoner Notierungen, die zurzeit den allgemeinen Weltmarktpreis der Ware darstellten, unter gleichzeitiger Festsetzung eines Höchst- und eines Mindestpreises. Gelten Höchst- und Mindestpreis auch dann, wenn die Notierungen weggefallen sind oder nicht mehr den allgemeinen Weltmarktpreis wiedergeben? Welcher Preis tritt dann an die Stelle der Notierungen?

Tatbestand

Durch Vertrag vom 29. Mai 1914 hat die Beklagte dem U. an dessen Stelle mit ihrer Bewilligung die Klägerin in den Vertrag eingetreten ist, die gesamte Produktion ihrer Kokereien K. und Cz. an Koksofenteer bis zu 12000 Tonnen im Jahre bis zum 31. Dezember 1919 verkauft. Nachdem als Preis für den Teer die sich im Monatsdurchschnitt ergebende Londoner Notiz des Journal of Gas Lighting mit einem Aufschlage von 5 M für die Tonne bestimmt war, heißt es in dem Vertrage: "der von Ihnen (Kläger) monatlich zu bezahlende Minimalpreis ist auf 30 M per Tonne und der Maximalpreis auf 35 M per Tonne festgesetzt".

Mit Brief vom 28. August 1916 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß, nachdem anstelle der Londoner Notierungen infolge der durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse der gemeine inländische Verkaufswert getreten sei, sie diesen auf 4,50 M für 100 Kilo (also auf 45 M für die Tonne) bemesse und daß sie, falls die Klägerin nicht bis zum 10. September diesen Preis für die Produktion ab November 1916 zahlen zu wollen erkläre oder einen bestimmten Gegenvorschlag mache, vom November 1916 ab die weitere Teerlieferung ablehne. Die Klägerin erwiderte am 4. September 1916, daß nach ihrer Auffassung der Preis durch den klaren Wortlaut des Vertrags zweifelsfrei feststehe, daß ein Grund für das Ausscheiden der Londoner Notierungen nicht ersichtlich und, da diese zurzeit unter dem Minimalpreise lägen, sie rechtlich lediglich zur Zahlung von 30 M für die Tonne verpflichtet sei. Nur vergleichsweise erbot sie sich unter Wahrung ihres Rechtsstandpunktes. ab 1. November 1916 zunächst bis 1. April 1917 einen Preis von 32.50 M für die Tonne zu zahlen. Die Beklagte erklärte mit Brief vom 11. September 1916, daß sie das Angebot der Klägerin nicht annehme, deren Auffassung nicht teile und über ihre Teerproduktion vom 1. November 1916 ab anderweit verfüge.

Die Klägerin begehrte darauf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags. Indem sie den vertraglichen Maximalpreis von 35 M zugrunde legte, dem sie einen Marktpreis von mindestens 45 M für die Zeit seit dem 1. November 1916 gegenüberstellte, berechnete sie ihren Schaden bei einer Gesamtlieferung von ungefähr 8000 Tonnen für das Jahr auf jährlich 80000 M, mithin bis zum Ablaufe des Vertrags (31. Dezember 1919) auf 253333,33 M.

Während das Landgericht die Klage abwies, erklärte das Kammergericht den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Gründe

"Nach der Feststellung des Berufungsgerichts ist die Beklagte, weil die Klägerin ihr Verlangen, vom 1. November 1916 ab für die Tonne Teer 45 M zu zahlen, abgelehnt und sich ihr gegenüber auf die Londoner Notierungen und den vereinbarten Höchstpreis berufen hat, von dem Vertrage zurückgetreten.

Ob auch heute noch, wie die Klägerin meint, die Londoner Notierungen den maßgebenden Preis für die Teerlieferungen der Beklagten ergeben, oder ob, wie das Landgericht in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten annimmt, anstelle der Londoner Notierung infolge der durch den Krieg veränderten Marktverhältnisse der inländische Marktpreis getreten ist, läßt das Berufungsgericht unentschieden. Dagegen nimmt es für alle Fälle, möge die Londoner Notierung oder der inländische Marktpreis maßgebend sein, an, daß die Beklagte einen höheren als den vertraglich festgesetzten Höchstpreis von 35 M für die Tonne auch für die Zeit vom 1. November 1916 ab nicht zu beanspruchen gehabt habe.

Der gegen diese Annahme gerichtete Angriff der Revision ist unbegründet.

Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß, wenn bei einem Kaufvertrage, der den Preis nach einer künftigen, schwankenden Marktlage bestimmen läßt, ein Höchst- und ein Mindestpreis festgesetzt wird, diese Festsetzung den einzigen Zweck hat, das Risiko der Parteien bei dem Geschäft auf einen bestimmten Rahmen zu beschränken. So hatte im vorliegenden Falle die Klägerin niemals mehr als 35 M für die Tonne zu zahlen, mochte auch die Londoner Notierung zuzüglich des vereinbarten Aufschlags diesen Betrag noch so hoch übersteigen. Es fragt sich nur, ob der Höchstpreis auch dann noch gelten soll, wenn, wie die Beklagte behauptet, die Londoner Notierungen überhaupt oder wenigstens, weil sie nicht mehr den Weltmarktpreis für Teer darstellen, für den Vertrag der Parteien als preisbestimmend weggefallen sind.

Die Beklagte hatte unter Zeugenbeweis behauptet, die Vereinbarung des Höchst- und Mindestpreises sei "nicht unabhängig" von dem Bestehen der zur Zeit des Vertragsabschlusses den Weltmarktpreis anzeigenden Londoner Notierungen erfolgt; insbesondere für die Festsetzung des Höchstpreises auf 35 M sei der Umstand bestimmend gewesen, daß die Londoner Notierung seit dem Jahre 1905 niemals über diesen Preis hinausgegangen sei. Da nun die Londoner Notierung nur deshalb als preisbestimmend vereinbart sei, weil sie damals den allgemeinen Weltmarktpreis und damit auch den inländischen Marktpreis dargestellt habe, so sei an ihre Stelle, nachdem sie infolge der durch den Krieg veränderten Marktlage aufgehört habe, den allgemeinen Weltmarktpreis wiederzugeben, sich vielmehr für das Gebiet der Mittelmächte ein besonderer inländischer Marktpreis herausgebildet habe, dieser inländische Marktpreis getreten. Mit der Maßgeblichkeit der Londoner Notierungen für die Preisbestimmung seien auch die davon abhängigen Höchst- und Mindestpreise weggefallen, so daß nunmehr der gemeine inländische Marktpreis unbeschränkt durch den im Vertrage festgesetzten Höchstpreis maßgebend sei.

Diese Ausführungen der Beklagten sind nicht schlüssig. Wenn die Behauptung der Beklagten über die Abhängigkeit der Höchstpreisbestimmung richtig ist, so folgt daraus nicht ohne weiteres, daß der im Vertrag ohne Einschränkung festgesetzte, wenn auch bezüglich seiner Höhe von den damals vorliegenden Londoner Notierungen beeinflußte Höchstpreis nach dem Parteiwillen nicht mehr gelten soll, sobald die Londoner Notierungen für die Preisermittelung ausscheiden und an ihre Stelle sinngemäß eine andere Preisberechnung, insbesondere die nach dem inländischen Marktpreise, treten würde. Der Wortlaut des Vertrags läßt nicht, wie die Revision meint, eine solche Folge als gewollt erkennen, spricht vielmehr dafür, daß der Höchstpreis in Geltung bleibt, auch wenn, wie im vorliegenden Falle nach der Behauptung der Beklagten, infolge veränderter Marktlage anstelle der im Vertrage vorgesehenen Londoner Notierungen, die damals den allgemeinen Weltmarktpreis darstellten, der inländische Marktpreis tritt. In diesem Sinne legt das Berufungsgericht den Vertrag aus und beruft sich noch darauf, daß solche Höchst- und Mindestpreisfestsetzungen gerade gegen eine Veränderung der Marktlage die Parteien durch Beschränkung ihres Risikos sichern sollen. Die Auslegung des Berufungsgerichts beruht hiernach nicht auf Rechtsirrtum, insbesondere nicht auf Verletzung der §§ 133, 157 BGB. Auch bedurfte es nicht, wie die Revision meint, der Erhebung des von der Beklagten erbotenen Zeugenbeweises. ...

Wird die Auslegung des Berufungsgerichts zugrunde gelegt, so konnte die Beklagte keinesfalls mehr als 35 M für die Tonne beanspruchen und durfte nicht deshalb vom Vertrage zurücktreten, weil der von ihr geforderte Preis von 49 M von der Klägerin abgelehnt wurde. Ist sie aber zu Unrecht zurückgetreten, so ergibt sich daraus, was auch die Revision nicht bemängelt, daß der eingeklagte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung dem Grunde nach gerechtfertigt, mithin die Revision zurückzuweisen ist. Denn der erst in der Revisionsinstanz geltend gemachte Fall der Unmöglichkeit der Preisbestimmung und damit der Hinfälligkeit des Kaufvertrags ist nicht eingetreten, auch wenn die Londoner Notierungen, was bestritten ist, ihre maßgebliche Bedeutung für die Preisbestimmung verloren haben sollten. Für diesen Fall trat, wie die Beklagte selbst in den Vorinstanzen geltend gemacht und sich aus den beiderseitigen Parteivorbringen gemäß §§ 157, 242 BGB. ergibt, an die Stelle der Londoner Notierungen der inländische Marktpreis, so daß von einer Unbestimmbarkeit des Preises keine Rede sein kann (vgl. RG. II. 17/16 Jur. Wochenschr. 1916 S.902)." ...