RG, 08.02.1919 - V 283/18

Daten
Fall: 
Erfordernisse des adäquaten Kausalzusammenhanges
Fundstellen: 
RGZ 95, 72
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.02.1919
Aktenzeichen: 
V 283/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Halle
  • OLG Naumburg a.S.

1. Erfordernisse des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen zwei zeitlich weit auseinanderliegenden Ereignissen.
2. Unterschied zwischen "schädigender Handlung" und "Schadenszufügung". Wann ist ein durch Bergbau (Schürfen) verursachter Schaden als entstanden anzusehen:
a) hinsichtlich der Frage, welcher von mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Eigentümern oder dinglich Berechtigten an einem Grundstücke zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs befugt ist;
b) hinsichtlich des Beginnes der Verjährung?

Tatbestand

Die Klägerin betreibt bei dem Dorfe Sp. einen Gipsbruch auf Grundstücken, die ihr Eigentum sind, und auf anderen, an denen ihr ein dingliches Recht auf Gipsausbeute zusteht.

Zur Beseitigung des in den Bruch eindringenden Grundwassers hat sie ein durch Elektrizität betriebenes Pumpwerk angelegt. Sie behauptet, daß seit dem Jahre 1908 in den Gipsbruch außer dem normalen Grundwasser erhebliche aus der Tiefe kommende Mengen salzhaltigen Wassers eindringen und daß dieses Eindringen verursacht wird durch ein Bohrloch, welches von dem beklagten Bergfiskus in den Jahren 1867 bis 1871 auf einem der Grundstücke, an denen ihr das Gipsausbeuterecht zusteht und dessen Eigentümer jetzt ein gewisser Sch. ist, zum Zwecke der Auffindung von Salzlagern niedergebracht worden und nach Einstellung der Bohrung nur oberflächlich verschlossen, im übrigen aber unverfüllt gelassen und erst im Jahre 1908, aber nicht in ausreichender Weise abgedichtet und verfüllt worden sei. Hierdurch sei ihr Schaden in mehrfacher Richtung entstanden, unter anderem durch die erhöhten Aufwendungen, die sie zum Zwecke der Entfernung der aus dem Bohrloch eingedrungenen Wasser für elektrischen Strom bei dem Betrieb ihres Bohrlochs habe machen müssen.

Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision des beklagten Fiskus ist zurückgewiesen worden.

Aus den Gründen

... "Der Berufungsrichter sieht als erwiesen an, daß schon vom Jahre 1908, mindestens aber vom Jahre 1912 ab (ob das eine oder andere Jahr als Anfangsjahr anzusehen ist, überläßt er dem Verfahren über den Betrag des Anspruchs) eine "Wasserkalamität" in dem Gipsbruche der Klägerin besteht, die nur durch das Empordringen von Wassern aus der Tiefe entstanden sein kann, und daß das in den Jahren 1867/71 niedergebrachte Bohrloch des Beklagten, das weder nach Abschluß der Bohrarbeit noch später in ausreichender Weise abgedichtet oder verfüllt worden und das an sich als wirksame Leitung für den Aufstieg unterirdischer und zwar salzhaltiger Wasser anzusehen sei, das Aufsteigen solcher Wasser ermöglicht hat und demnach die Ursache für das Eindringen dieser Wasser in den Gipsbruch darstellt. Zu dieser Feststellung gelangt der Berufungsrichter auf Grund des von ihm für ausschlaggebend erachteten Gutachtens des Sachverständigen, Professor Dr. R. Nach diesem Gutachten weist das Deckgebirge des Sp.er Salzvorkommens zwei Wassersysteme auf, ein oberes System Süßwasser führender Klüfte, aus dem auch ohne Vermittelung des Bohrlochs infolge der allmählich durch den Gipsabbau der Klägerin stattfindenden Erniedrigung der Bruchsohle Wasser in den Gipsbruch eindringt, und in der Nähe des "Salzspiegels" ein unteres, Salzwasser führendes Kluftsystem. Beide Systeme sind durch komplette Gipsmassen hydrologisch getrennt, aber durch das Abteufen des Bohrlochs sind diese getrennten Systeme miteinander in Verbindung gesetzt, und es trat ein ständiges Ausfließen von salzigem Tiefenwasser aus dem Bohrloche und seiner Umgebung und damit die Wassersnot im Bruche ein, als durch den Gipsabbau die Sohle des Bruches an der Stelle des Bohrloches und in seiner Nachbarschaft unter den Grundwasserspiegel erniedrigt wurde. Die aufsteigenden Salzwasser folgen dem Wege, der durch das nicht völlig abgedichtete, wie ein Saugheber wirkende Bohrloch gegeben ist, und den Klüften, welche mit der Bohrlochwand in Verbindung stehen, und mischen sich mit dem Süßwasser, das dem oberen Kluftsystem entstammt und auch ohne das Bohrloch in den Gipsbruch austreten würde. Der Pumpbetrieb hat die das Wasser durchlassenden Klüfte dann ständig erweitert und damit die dem Bruche zusetzenden Wassermengen in steigendem Maße anschwellen lassen.

Unter Zugrundelegung dieses Herganges nimmt der Berufungsrichter an, daß das Bohrloch ursächlich sei für die Wassersnot, daß aber nicht schon sein bloßes Vorhandensein vermocht hat, die Zuflüsse hervorzurufen, sondern daß dazu andere mitwirkende Umstände erforderlich waren, insbesondere das Anschneiden des unterirdisch stehenden Wassers unter seinem Spiegel zufolge der Erniedrigung der Bruchsohle durch den Gipsabbau der Klägerin, indem der Druckunterschied im Wasser über der Sohle und außerhalb des Gipsbruchs die Gewässer zum Ausfließen gebracht habe, das so lange anhalten müsse, als eine solche Druckdifferenz bestehe; das aber sei der Fall infolge des Pumpbetriebes der Klägerin, der den Stand der Wasser unter der dem normalen Grundwasserniveau im Gipsbruch entsprechenden Höhe halte. Damit sei aber nicht etwa gesagt, daß (wie der Beklagte behaupte) die starken Zuflüsse ihren Grund nur im Pumpbetriebe und Gipsabbau der Klägerin hätten. Der Berufungsrichter entnimmt vielmehr aus der "Lokalisierung" der Wasserausbrüche an der Mündung des Bohrlochs und seiner nächsten Umgebung, wo 90 % der Zuflüsse ausströmen, daß, wenn man diese vom Bohrloch ausgehenden Zuflüsse ausschiede, trotz Gipsabbau und Pumpenbetrieb von einer Wasserkalamität im Gipsbruch nicht die Rede sein würde. Bei dem Heruntergehen des Gipsabbaues unter den Grundwasserspiegel und dem Pumpbetriebe handle es sich deshalb keinesfalls um die eigentliche und einzige, auch nicht einmal um die Hauptursache der Zuflüsse; diese bleibe das Bohrloch, dessen Vorhandensein die vermehrten und zwar salzhaltigen Zuflüsse, über welche die Klägerin sich beschwere, erst ermöglicht habe. Wohl aber wirkten jene Umstände als Nebenursachen, als äußerer Anlaß und Verstärkung der Wassersnot: sie seien notwendig, um das Bohrloch als Wasserleiter in Tätigkeit zu setzen. Mit Unrecht bestreite der Beklagte das Vorliegen eines sog. adäquaten Kausalzusammenhanges um deswillen, weil es der Betriebshandlung der Klägerin, die in der Erniedrigung der Bruchsohle und dem Pumpbetriebe bestanden, bedurft habe, um den Wasserzufluß zu schaffen. Diese Umstände hätten nur die Wirkung der Hauptursache, des Bohrlochs, ausgelöst und den Kausalzusammenhang nicht unterbrochen, weil es sich nicht um besonders eigenartige und fernliegende Umstände handle, es vielmehr durchaus innerhalb des gewöhnlichen und regelmäßigen Verlaufs der Dinge liege, daß an jener Stelle eines ergiebigen Gipsvorkommens der früher dort schon betriebene Gipsabbau wieder aufgenommen wurde, und zwar unter Anschneidung des Grundwasserspiegels.

Diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen, entsprechen vielmehr durchaus den in der Rechtsprechung des Reichsgerichts über die Voraussetzungen und die Grenzen des ursächlichen Zusammenhanges aufgestellten Rechtsgrundsätzen. Von den Einwendungen der Revision gehört hierher wohl nur die Ausführung, deren Sinn dahin geht, man könne, sofern nicht (was von der Revision in erster Linie behauptet und unten noch zu erörtern sein wird) der Schaden schon 1871 entstanden war, nicht annehmen, daß eine Handlung (hier die in den Jahren 1867/71 erfolgte Niederbringung des Bohrlochs) als Ursache eines Schadens angesehen werden könne, der nach einer Reihe von Menschenaltern durch Handlungen und Vorgänge entstehe, die zur Zeit der als Schadensursache in Anspruch genommenen Handlung außer jeder Berechnung lagen. Aber zunächst hat der Berufungsrichter ja festgestellt, daß der Gipsabbau in dem Gipsbruche der Klägerin keineswegs ein außer aller Berechnung liegendes Ereignis war, sondern innerhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge lag. Daß ferner ein Ereignis erst viele Jahre nach einem anderen eintritt, schließt nicht aus, daß jenes durch dieses im Rechtssinne verursacht worden ist, sofern nur die Wirkungsmöglichkeit des letzeren so lange fortgedauert hat. Das aber war hier der Fall, da das Bohrloch ohne ausreichende Verdichtung oder Verfüllung fortbestanden hat, bis durch das Hinzukommen des Gipsabbaues der Klägerin unterhalb des Grundwasserspiegels der Eintritt der Wirkung, nämlich die Wassersnot des Gipsbruches, ausgelöst wurde.

Den auf die Ursächlichkeit des Bohrlochs für die Wassersnot in dem Gipsbruche gestützten Schadensersatzanspruch erachtet, der Berufungsrichter zwar nicht aus dem auch geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte der unerlaubten Handlung, wohl aber aus den §§ 148, 152 preuß. ABG. für begründet, da der Beklagte bei der Niederbringung des Bohrlochs als "Schürfer" gehandelt habe. Er geht davon aus, daß der hier in Frage stehende Schaden - durch Strommehrverbrauch für das Auspumpen des in den Gipsbruch eingedrungenen Wassers - ein Schaden am Grundstück ist und daß die Klägerin Eigentümerin der beschädigten Grundstücke oder dinglich an den Grundstücken Berechtigte ist. Den Einwand des Beklagten, die Klägerin sei zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nicht berechtigt (aktiv legitimiert), weil sie die Rechte an den Grundstücken erst nach der den Schaden verursachenden Handlung, als welche die Niederbringung des Bohrlochs angesehen werden müsse, erworben habe, weist der Berufungsrichter zurück mit der Begründung, es müsse zwischen der schädigenden Handlung und dem Eintritte des Schadens (der "Schadenszufügung") unterschieden werden; für die Person des Bergschadengläubigers, ebenso wie für die des Schuldners, sei der Zeitpunkt des Schadenseintritts maßgebend; wann die Ursache der Schadenszufügung (die schädigende Handlung) sich ereignet habe, sei dafür nicht wesentlich. Der hier in Frage stehende Schaden sei aber erst zur Zeit der Berechtigung der Klägerin an den Grundstücken entstanden und nur ihr, hinsichtlich ihres Gipsausbeuterechts, erwachsen. Wolle man mit dem Urteile des Reichsgerichts vom 21. Oktober 1916 V 200/16 annehmen, daß der Schaden in dem Zeitpunkte entstanden sei, in dem die durch den Bergbau geschaffene Gefahr erkennbar geworden, so sei dieser Zeitpunkt im vorliegenden Falle erst dann eingetreten, als diese Gefahr begonnen hatte, sich zu verwirklichen, als also die Wassereinbrüche schon eingetreten waren. Daß vor diesem Zeitpunkte der Schaden nicht erkennbar war, ist vom Berufungsrichter an anderer Stelle des Urteils (bei Erörterung des Klagegrundes aus unerlaubter Handlung) auf Grund tatsächlicher Beweiswürdigung dargelegt worden, worauf er hier Bezug nimmt. Es könne auch keine Rede davon sein, daß hinsichtlich des hier in Frage stehenden Schadens diejenigen Personen klageberechtigt wären, die zur Zeit der Niederbringung des Bohrlochs das Eigentum oder Nutzungsrechte an den Grundstücken hatten. Auch soweit der Klägerin nicht das Eigentum, sondern nur ein Nutzungsrecht, an den Grundstücken zustehe, seien nicht etwa die gegenwärtigen Grundstückseigentümer, sondern sie als Nutzungsberechtigte schadensersatzberechtigt.

Auch bei Würdigung der dem Schadensersatzanspruche entgegengehaltenen Einrede der Verjährung geht der Berufungsrichter davon aus, daß die "schadenzufügende Handlung" die Niederbringung des demnächst nicht verfüllten Bohrlochs ist und daß diese Handlung bereits im Jahre 1871 oder 1872 vollendet war, während die "Schadenszufügung" - der Eintritt des Schadens - frühestens 1908 stattgefunden hat, als dadurch, daß die Klägerin im Betriebe ihres Gipsbruches unter den Grundwasserspiegel herunterging, die in dem Bohrloch aus den Tiefen heraufgestiegenen Wasser zum Ausfließen gebracht, das Bohrloch also "in Tätigkeit gesetzt wurde". Vorher habe die Verjährung aus §151 ABG. nicht zu laufen beginnen können, da der Schaden erst damals entstanden sei und somit die Klägerin vorher von ihm keine Kenntnis haben konnte. Aber auch die ohne Rücksicht auf die Kenntnis von der Schadenszufügung laufende dreißigjährige Verjährung des nach Ansicht des Berufungsrichters hier anwendbaren § 55 I 6 ALR. stehe dem Ansprüche nicht entgegen. Sei nämlich der Ausdruck "Schadenszufügung", den das Allgemeine Landrecht a. a. O. für das die Verjährung in Lauf setzende Ereignis anwende, im Sinne des Eintritts des Schadens zu nehmen, so könne von einer Vollendung der Verjährung keine Rede sein, da der Schaden, wie oben dargelegt, frühestens im Jahre 1908 entstanden sei. Aber auch wenn man annehme, daß darunter die schadenzufügende Handlung verstanden werden müsse, so sei die Verjährung vor dem 1. Januar 1900 nicht vollendet gewesen, da nicht schon durch die vor dem Jahre 1870 liegende Verbindung der beiden Wassersysteme durch das Durchstoßen der festen Gipsschichten, sondern erst durch die nach Fertigstellung des Bohrlochs erfolgte Entscheidung über die Einstellung der Bohrarbeiten und das Offenbleiben des Bohrlochs durch die zuständige Behörde die schädigende Handlung als "begangen" angesehen werden könne. Vom 1. Januar 1900 ab aber sei nur noch die dreijährige Verjährung des § 131 ABG. mit ihren besonderen Voraussetzungen gelaufen.

Die Revision erhebt gegen die rechtlichen Ausführungen des Berufungsrichters zur Frage der Klageberechtigung der Klägerin und des Verjährungseinwandes ihre hauptsächlichsten Angriffe. Sie bezeichnet die Auffassung des Berufungsrichters, daß die "Schadenszufügung" in einen anderen Zeitpunkt falle, als der dem Grundstücke "zugefügte Schaden" als verfehlt. Indessen das ist nicht der Gegensatz, den der Berufungsrichter aufstellt. Dieser unterscheidet vielmehr zwischen der schädigenden Handlung, d. h. der Handlung, die sich im weiteren Verlaufe der Dinge als Ursache des Schadens (als "schadenzufügend") erwiesen hat, und der Wirkung dieser früher gesetzten Ursache, nämlich dem Eintritte des Schadens (der "Schadenszufügung"). Diese beiden Ereignisse können sehr wohl durch erhebliche Zeiträume, ja durch Menschenalter getrennt sein. Daß der Schaden schon zu der Zeit entstanden wäre, als durch das Niederbringen des Bohrlochs die beiden Wassersysteme verbunden wurden, kann der Revision nicht zugegeben werden. Dadurch war erst eine der mehreren Bedingungen geschaffen, deren Zusammenwirken schließlich den Schaden zur Entstehung gebracht hat; hinzukommen mußte aber noch der Betrieb des Gipsbruchs durch die Klägerin bis zu einer Tiefe, die unter den Grundwasserspiegel herunterging, in Verbindung mit dem Pumpbetriebe. Wenn die Revision darauf hinweist, daß auch bei der Schädigung eines Baugrundstückes durch den Bergbau die Schadenszufügung (Entstehung des Schadens) schon in dem Augenblick eintrete, wo unter einem als Bauplatz benutzbaren Gelände der Bergbau umgehe, nicht erst in dem Augenblick, in dem der Grundstücksbesitzer auf diesem Gelände ein Haus erbaue, so ist dagegen zu bemerken, daß es sich dabei um einen Schaden ganz anderer Art handelt, dessen Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Es ist nämlich allerdings in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und überwiegend auch in der Lehre des Bergrechts (vgl. Westhoff, Bergbau und Grundbesitz Bd. 1 S. 96 flg. und die dort angeführten Entscheidungen) anerkannt, daß ein nach § 148 ABG. zum Ersatze verpflichtender Schaden nicht nur dann eingetreten ist, wenn die körperliche Unversehrtheit des Grundstücks durch den Bergbau bereits verletzt worden ist, sondern schon dann, wenn infolge des umgehenden Bergbaues und der von ihm dem Grundstücke drohenden Gefahr der Verkehrswert des Grundstücks, d. h. der ihm in der allgemeinen Wertschätzung beigelegte Vermögenswert, herabgesetzt ist. insbesondere auch in dem Falle, wo das Grundstück, das sonst als Bauland in Betracht gekommen wäre, die Bauplaneigenschaft verloren hat. In diesem Sinne spricht das vom Berufungsrichter angeführte Urteil des Reichsgerichts vom 21. Oktober 1916 V 200/1916 davon, daß der Schaden spätestens in dem Zeitpunkt entstanden sei, wo die durch die Hohlräume entstandene Gefahr "erkennbar" geworden ist, d. h. sich derart bemerkbar gemacht hat, daß darunter die Wertschätzung des Grundstücks im Verkehr gelitten hat.

Daß im vorliegenden Falle die durch das Vorhandensein des Bohrlochs für die jetzt als beschädigt in Betracht kommenden Grundstücke geschaffene Gefahr schon bei der Niederbringung des Bohrlochs in den Jahren 1868/71 oder auch später vor der Besitzzeit der Klägerin erkennbar gewesen wäre, verneint der Berufungsrichter in bedenkenfreier Weise, indem er namentlich darauf hinweist, daß der Zusammenhang zwischen dem Bohrloch und der in dem Gipsbruch eingetretenen Wassersnot erst nachträglich nach dem Eintritt auf Grund der dadurch hervorgetretenen Wirkungen durch schwierige Untersuchungen und gegen die abweichende Meinung wissenschaftlicher Autoritäten festgestellt werden konnte. Dadurch erscheint es ausgeschlossen, daß bereits vorher das Vorhandensein des Bohrlochs zu einer geringeren Wertschätzung der in Betracht kommenden Grundstücke in ihrer Eigenschaft als zur Gipsausbeute geeignetes Land Veranlassung gegeben hat. Demgemäß stellt sich die Annahme des Berufungsrichters, daß die Klägerin und nicht etwa ihre Rechtsvorgänger in dem Eigentum an den Grundstücken berechtigt ist. den hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch geltend zu machen, als frei von Rechtsirrtum dar. Daran ändert auch der von der Revision hervorgehobene Umstand nichts, daß die Klägerin, wie feststeht, bei dem Erwerbe der Rechte an den Grundstücken das Bestehen des Bohrlochs kannte, da dieses Bestehen sich damals nicht als ein den Verkehrswert der Grundstücke beeinträchtigender Mangel darstellte.

Gleiches gilt von der Annahme, daß weder die dreijährige Verjährung des § 121 ABG. noch die dreißigjährige des preußischen Allgemeinen Landrechts abgelaufen ist. Dahingestellt kann bleiben, ob der dafür angeführte Grund, daß die "schädigende Handlung" - das Niederbringen und Nichtverfüllen des Bohrlochs - nicht vor 1870 begangen worden und daß seit dem 1. Januar 1900 nur noch die im § 151 ABG. vorgesehene dreijährige Verjährung mit ihren besonderen Voraussetzungen gelaufen sei, rechtlich unbedenklich ist. Denn es ist nicht zu bezweifeln, daß auch das Allgemeine Landrecht in § 55 I 6 unter "Schadenszufügung" nicht die Begehung der schädigenden Handlung für sich allein schon, sondern den Eintritt ihrer schädigenden Wirkung, also die Entstehung des Schadens, versteht (im Gegensatze zu § 852 BGB., wo für die dreißigjährige Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus unerlaubten Handlungen die Begehung der Handlung für maßgebend erklärt ist), und daß deshalb auch, sofern (was dahingestellt bleiben kann) die erwähnte Gesetzesbestimmung auf den bergrechtlichen Schadensersatzanspruch aus §§ 148, 151 ABG. Anwendung finden könnte, die darin angeordnete Verjährung nicht schon mit der Handlung des Niederbringens des Bohrlochs zu laufen begonnen hat und so lange nicht lief, als nicht durch diese Handlung ein Schaden entstanden war." ...