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RG, 08.02.1889 - II 312/88

Daten
Fall: 
Cession von Kapitalforderungen
Fundstellen: 
RGZ 23, 307
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.02.1889
Aktenzeichen: 
II 312/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Waldshut
  • OLG Karlsruhe

1. Fällt die Cession von Kapitalforderungen unter die nach L.R.S. 499 dem Geistesschwachen ohne Mitwirkung seines Beistandes untersagten Geschäfte?
2. Steht dem auf Zahlung verklagten Schuldner dem Cessionar gegenüber die Einrede zu, der nach L.R.S. 499 verbeiständete Cedent habe die Cession ohne Mitwirkung seines Beistandes vorgenommen?

Gründe

"Aus Schuldverschreibungen vom 9. September und 20. Oktober 1886 schuldete der beklagte Vorschußverein an G. A. aus Darlehn 2000 M und 2176 M nebst Zinsen. Nachdem G. A. am 4. November 1886 durch Beschluß des Amtsgerichtes W. gemäß L.R.S. 499 verbeistandet und ihm am 20. November P. A. als Beistand beigegeben worden war, trat G. A. laut Privaturkunde vom 11. Mai 1887 die beiden Forderungen, soweit sie noch bestanden, der Leihbank R. ab, und diese erhob nach vorausgegangener Kündigung gegen den Schuldner Klage auf Zahlung des restlichen Betrages von 3919 M nebst Zinsen.

Per Einwand des beklagten Vorschußvereines, daß die von G. A. ohne Mitwirkung seines Beistandes vorgenommene Forderungsabtretung, welche zudem möglicherweise einen bloßen Zahlungsauftrag enthalte, zu den nach L.R.S. 499 den Verbeistandeten untersagten Geschäften gehöre, wurde in dem angefochtenen Urteile des Berufungsgerichtes wie auch schon von dem ersten Richter für gerechtfertigt erklärt. Diese Entscheidung, welche zur Abweisung der vom Cessionen angestellten Klage geführt hat, wurde von der Revision zum Gegenstande ihres Angriffes gemacht, indem Revisionsklägerin ausführte, die Beschränkung der Handlungsfähigkeit nach L.R.S. 499 dürfe als solche nicht ausdehnend ausgelegt werden, das Verbot des aliénerin Art. 499 Code civil sei mit ses biens in den folgenden Worten "ni grever ses biens d'hypotheques" zu verbinden und demnach wie die Belastung mit Hypotheken auf liegenschaftliches Vermögen zu beziehen, was sich noch deutlicher aus den Textesworten des badischen Landrechtes: "Güter veräußern oder verpfänden," ergebe, und wenn auch dem Verbeistandeten wegen des Verbotes, Kapitalien zu erheben und dafür Empfangsscheine zu geben, die Einziehung des Cessionspreises untersagt sei, so gelte dies doch nicht von der Vornahme einer Cession selbst.

Wenngleich als richtig anzuerkennen ist, daß die dem Geistesschwachen und dem Verschwender nach den L.R.S. 499. 513 ohne Mitwirkung des Beistandes untersagten Geschäfte nicht auszudehnen sind, kann dieser Ausführung in betreff der Zulassung der Cession von Kapitalausständen nicht beigetreten werden. Wäre auch anzunehmen, daß das Verbot, zu veräußern, nur in bezug auf Liegenschaften erlassen sei, so müßte doch die Unfähigkeit, ohne Mitwirkung des Beistandes größere Kapitalausstände zu versilbern, in dem vorausgehenden Verbote, ein Mobiliarkapital zu erheben und darüber zu quittieren, gefunden werden, da in der Veräußerung der Forderung nur eine andere Form der Erhebung des geschuldeten Kapitales zu erblicken ist.

Der Grund des Gesetzes führt, namentlich im Hinblicke auf die gleiche Beschränkung der Verschwender in L.R.S. 513, notwendig zu dieser Gleichstellung, und kann im gegebenen Falle zwischen der Vornahme der Cession und der Einziehung des Cessionspreises umsoweniger unterschieden werden, als nach der Behauptung der Klage die Abtretung nach Empfang des Cessionspreises stattgefunden hat.

Weitere an die Wirkung des gedachten Verbotes sich knüpfende Erwägungen haben gleichwohl zur Aufhebung des Berufungsurteiles geführt.

Die Nichtigkeit der Cession vom 11. Mai 1887 ist keine absolute, sondern begründet nach L.R.S. 1125 nur eine Anfechtungsklage von seiten des Verbeistandeten. Der beklagte Schuldner ist daher zur Anfechtung der Cession nicht berechtigt; er kann der Entschließung des Cedenten nicht vorgreifen, und seine Geltendmachung des gedachten Mangels erscheint als eine exceptio es jure tertii. Auch der Vormund des später entmündigten G. A. besitzt in diesem Rechtsstreite die Befugnis hierzu nicht, da er nur als Nebenintervenient dem Beklagten beigetreten ist. Als solcher ist er zur Benutzung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln aus eigenem Rechte, welche nur ihm persönlich zustehen, nicht berechtigt, es kann überhaupt in diesem Rechtsstreite nicht über das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zur Klägerin, sondern nur über das des Beklagten zur letzteren entschieden werden. Auch die Voraussetzungen des §. 66 C.P.O., unter welchen der Nebenintervenient als Streitgenosse des Beklagten gelten würde, liegen hier nicht vor.

Das Oberlandesgericht verkennt zwar nicht, daß es sich um bloß relative Nichtigkeit des Cessionsgeschäftes handelt, stellt aber den Satz auf, das französische und das badische Recht knüpfe an die Vorschriften, daß nur die in der Handlungsfähigkeit beschränkte Partei die Ungültigkeit geltend machen könne, und daß das Geschäft der Umstoßung bedürfe, nicht die Folge, daß es bis zur Anfechtung unbedingt gelte, und erklärt im weiteren Verlaufe der Gründe, es stehe daher zur Zeit nicht fest, ob der Klägerin die Forderung zustehe, oder ob sie nur scheinbar Gläubigerin sei.

Diese Satze sind für rechtsirrtümlich zu erachten. Verträge, welche nach der Wahl einer beteiligten Partei aufrechterhalten werden können oder nicht, und deren Vernichtung eines durch jene Partei herbeigeführten richterlichen Ausspruches bedarf, haben, solange die Nichtigkeit nicht ausgesprochen ist, rechtlichen Bestand und äußern alle Wirkungen wie gültige Verträge. Die Klägerin ist daher als Cessionarin nicht bloß scheinbar, sondern wirklich Gläubigerin des Beklagten, wie sie es auch sein würde, wenn die Cession unter einer Resolutivbedingung erfolgt wäre. Es ist daher nicht richtig, wenn das Berufungsgericht annimmt, die Klage wäre nur begründet, wen Klägerin die Heilung der unbestritten bestehenden Nichtigkeit der Cession im Wege des L.R.S. 1338 oder in anderer Weise dem Beklagten gegenüber behaupten und erforderlichen Falles beweisen könnte.

Auch die Gefahr, nach etwaiger Ungültigkeitserklärung der Cession nunmehr an den Cedenten nochmals Zahlung leisten zu müssen, ist nicht geeignet, ein Recht des Schuldners zur Zurückhaltung der Zahlung zu begründen, da das Gesetz ihm Mittel, sich gegen diese Gefahr zu schützen, gewährt. Der Schuldner konnte sich nach §. 69 C.P.O. der Streitverkündung an den Vormund des entmündigten Cedenten bedienen, wodurch der Beklagte in die dem L.R.S. 1240 entsprechende Lage versetzt wurde, wenn er nach erfolgter Verurteilung an den Cessionar Zahlung leistete. Würde der Litisdenunziat in den Streit eingetreten sein, so hätte der Beklagte alsdann auch gemäß §. 72 C.P.O. unter Hinterlegung des Schuldbetrages seine Entlassung aus dem Rechtsstreite erwirken können. Ob und wieweit der erfolgte Beitritt des Vormundes als Nebenintervenient ohne vorausgegangene Streitverkündung die gleiche Wirkung wie die Streitverkündung äußere, (vgl. 5. 65 C.P.O.), bedarf hier keiner Erörterung.

Auf den in der Revisionsverhandlung von dem Vertreter des Revisionsbeklagten mündlich gestellten Antrag einzugehen, gemäß §. 62 C.P.O. das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptintervention, welche der jetzige Nebenintervenient inzwischen bei dem Landgerichte W. anhängig gemacht habe, auszusetzen, lag für das Revisionsgericht, bei welchem die zur Begründung des Gesuches angeführten neuen Thatsachen keine Berücksichtigung finden können, ein Anlaß nicht vor. Es bleibt dem Berufungsgerichte, an welches die Sache gemäß §. 528 Abs. 1 C.P.O. zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist, überlassen, eine etwaige Aussetzung des Verfahrens in Erwägung zu ziehen und geeigneten Falles anzuordnen."