RG, 07.02.1919 - VII 329/18

Daten
Fall: 
Begriff der belohnenden Schenkung
Fundstellen: 
RGZ 94, 322
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.02.1919
Aktenzeichen: 
VII 329/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Zum Begriffe der Schenkung, namentlich der belohnenden Schenkung im Gegensatze zu dem nachträglich bewilligten Entgelt für bereits geleistete Dienste.

Tatbestand

Der Kläger ist Mitglied des Vorstandes der Aktiengesellschaft M. & G. in B.-Sch. Als solches hat er nach Ablauf des Geschäftsjahres 1915 auf Beschluß des Aufsichtsrates außer dem ihm vertragsmäßig Gebührenden weitere 50000 M erhalten. Der Beklagte sieht das als Schenkung an und hat deshalb vom Kläger eine Schenkungssteuer von 7200 M erfordert. Der Kläger hat sie bezahlt, verlangt sie aber mit der gegenwärtigen Klage zurück. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt. Seine Berufung und seine Revision sind zurückgewiesen worden.

Gründe

"Den Begriff der nach § 55 Abs. 1 des Reichserbschaftssteuergesetzes vom 3. Juni 1906 steuerpflichtigen Schenkungen unter Lebenden bestimmt das Kammergericht zutreffend nach der Vorschrift des § 516 BGB. (vgl. RGZ. Bd. 70 S. 16). Danach wird geschenkt, wenn jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert und beide Teile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Die Revision will sich, wie sie besonders in der mündlichen Verhandlung betonte, grundsätzlich auf denselben Standpunkt stellen; gleichwohl meint sie, daß es auf den "Willen der Parteien zur Unentgeltlichkeit" nicht ankomme. Damit setzt sich die Revision in Widerspruch zu dem klaren Wortlaute des § 516 BGB., der diesen Willen erfordert. Darüber, ob die Bereicherung vorliegt, entscheiden objektive Gesichtspunkte; für die Frage der Unentgeltlichkeit ist der subjektive Standpunkt der Beteiligten maßgebend (vgl. RGZ. Bd. 62 S. 275, Bd. 75 S. 327). Zutreffend führt die Revision aus, daß § 516 eine Schenkungs-, d. h. Bereicherungsabsicht nicht zum Tatbestandsmerkmal der Schenkung mache. Das hat der erkennende Senat bereits früher ausgesprochen (RGZ. Bd. 70 S. 17) und daran hält er auch jetzt fest. Aber die Bereicherungsabsicht des Schenkers ist etwas anderes als sein Wille zur Unentgeltlichkeit. Auch darauf ist in der angezogenen Entscheidung bereits hingewiesen. Regelmäßig wird sich zwar die Bereicherungsabsicht schon aus der Einigung über die Unentgeltlichkeit ergeben, eine Schenkung wird, aber auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Zuwendende im Endziele sein eigenes Vermögen zu vermehren strebt. Auf die im Hintergrunde stehenden Absichten der Beteiligten legt das Gesetz keinen Wert, maßgebend ist nach ihm nur die Einigkeit der Beteiligten darüber, daß die bestimmte einzelne Zuwendung unentgeltlich bewirkt wird.

Die Revision beruft sich auf das Urteil des Reichsgerichts vom 19. April 1917 IV 10/17, teilweise abgedruckt in der Jur. Wochenschr. S. 848, dafür, daß auch "bei anerkanntem Willen der Parteien zur Entgeltlichkeit der Zuwendung" eine Schenkung vorliegen könne. Nachdem sie einige Stellen aus jenem Urteil angeführt hat, kommt sie allerdings selbst zu dem Schluß:

"Trotz des gegenteiligen Willens der Parteien, die die Eheschließung und deren Verpflichtungen als Entgelt für die vorgängige Barzahlung angesehen haben wollten, hat das Reichsgericht doch die Einigung über die Unentgeltlichkeit anerkannt."

So ist es in der Tat. In jenem Falle hatte der bejahrte Bräutigam der jugendlichen Braut eine größere Summe Geldes übereignet und beide waren darüber einig gewesen, daß sie für die Eingehung der Ehe und für die daraus folgenden, von der Braut auch ausdrücklich übernommenen Pflichten zur Gattentreue und zur Pflege des künftigen Ehemannes als Gegenleistung dienen sollte. Das Reichsgericht erwägt, daß die Pflicht, dem Manne eine treue Gattin und Pflegerin zu sein, sich bereits aus dem Eheversprechen ergab, daß das Gegenversprechen, der Braut sich also in der Zusage erschöpfte, schon bestehende Pflichten zu erfüllen, und daß deshalb die Abrede in ihrem sachlichen Inhalt eine Einigung über eine unentgeltliche Zuwendung des Bräutigams an die Braut enthielt. Das Reichsgericht hat also auch in dieser Entscheidung die Einigkeit über die Unentgeltlichkeit für erforderlich gehalten und hat sie festgestellt, trotzdem die Vertragschließenden bemüht gewesen waren, den Anschein der Entgeltlichkeit hervorzurufen. Ihr Wille zur Entgeltlichkeit ist also nicht anerkannt, sondern gerade für widerlegt erachtet worden.

In dem obenbezeichneten Urteile findet die Revision weiter ausgesprochen, daß Verpflichtungen, die zur Zeit des Vertragsschlusses über die Zuwendung schon bestanden, nicht das Entgelt für die Leistung sein können. Hatte der IV. Senat das als allgemeinen Rechtssatz und losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls ausgesprochen, so würde er sich mit der feststehenden Rechtsprechung anderer Senate des Reichsgerichts in Widerspruch gesetzt haben. Der III. Senat (RGZ. Bd. 94 S. 159, Bd. 75 S. 327, Jur. Wochenschr. 1911 S. 94 Nr. 16), der VI. Senat (Jur. Wochenschr. 1917 S.103 Nr. 5, RGZ. Bd. 74 S 139, Bd. 72 S. 188) und der V. Senat (U. v. 21. April 1917, V. 384/16) stehen übereinstimmend auf dem Standpunkte, daß die nachträgliche Vergütung für bereits geleistete Dienste, selbst die für ursprünglich unentgeltlich geleistete Dienste, keine Schenkung zu sein braucht. Auch der erkennende Senat hat RGZ. Bd. 70 S.18 bei der Frage nach dem Vorliegen einer Schenkung den "Gesichtspunkt der Belohnung für bereits früher geleistete Dienste" in Betracht gezogen. Tatsächlich hat sich aber der IV. Senat in seinem Urteile mit diesem Gesichtspunkte nicht beschäftigt, den von der Revision behaupteten allgemeinen Rechtssatz nicht aufgestellt. In jenem Falle konnte die streitige Frage vielleicht erheblich werden, wenn etwa behauptet worden wäre, daß die Geldsumme als nachträgliches Entgelt für die Verlobung hingegeben worden sei. Eine solche Behauptung war aber offenbar nicht aufgestellt worden.

Der vom Beklagten in diesem Zusammenhange gelegentlich gemachte Versuch, zwischen ursprünglich unentgeltlich und schon ursprünglich entgeltlich geleisteten Diensten zu unterscheiden, bei ersteren die Möglichkeit der nachträglichen Vereinbarung einer Vergütung zuzugeben, bei letzteren die Möglichkeit der nachträglichen Erhöhung der Vergütung aber zu leugnen, erscheint rechtsirrig. Das ist ein Unterschied des Grades, nicht, der Art.

Anzuerkennen ist, daß es im Einzelfall oft schwierig sein wird, zu entscheiden, ob eine nachträgliche Bewilligung - oder Erhöhung - eines Entgelts für geleistete Dienste vorliegt, oder eine belohnende Schenkung, die steuerrechtlich der gewöhnlichen Schenkung gleichsteht (§ 56 REStG). Die Entscheidung wird im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiete liegen. Rechtlich ist daran festzuhalten, daß die belohnende Schenkung eben auch eine Schenkung ist, daß auch sie die Einigkeit der Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung erfordert. Wirken also die geleisteten Dienste nur als Beweggrund, lösen sie ein Dankgefühl aus, dem durch eine freie Gabe genügt werden soll, und wird die Gabe von der Gegenseite in demselben Sinne angenommen, so liegt eine Schenkung vor. Haben dagegen die geleisteten Dienste auf der einen Seite das Gefühl einer wirklichen Schuld oder auf der anderen Seite das Gefühl eines wirklichen Anspruchs hervorgerufen, wird das Geleistete in der Annahme gegeben oder genommen, daß dadurch die Schuld abgetragen, die Dienste bezahlt werden sollen, so liegt keine Einigkeit über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung und deshalb keine Schenkung vor (RGZ. Bd. 72 S. 191).

Diese Rechtssätze sind vom Kammergerichte bei der Entscheidung des gegenwärtigen Falles nicht verkannt worden. Es hat die Frage offen gelassen, in welchem Sinne der Kläger die 50000 M entgegengenommen haben mag, ist aber in rein tatsächlicher Würdigung des Beweisergebnisses zu der Annahme gelangt, daß die Aktiengesellschaft M. & G. mit den 50000 M gewisse vom Kläger geleistete außerordentliche Dienste habe abgelten wollen, daß die 50000 M von der Gesellschaft als eine Gegenleistung für die Dienste des Klägers angesehen worden seien. Diese tatsächliche Feststellung konnte und mußte das Kammergericht dazu führen, die Annahme einer Schenkung abzulehnen. Wenn die Revision in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, daß der Kläger keinen rechtlichen Anspruch auf die 50000 M gehabt habe, und wenn sie meint, daß schon deshalb die Annahme einer Schenkung notwendig sei, so übersieht sie, daß das Fehlen des Rechtsanspruchs wohl das objektive Merkmal der Bereicherung dartut, aber nicht zu dem Schlusse zwingt, daß die 50 000 M nun auch subjektiv als unentgeltliche Leistung hingegeben worden seien. Auf diesem Standpunkte steht auch die amtliche Begründung zum Erbschaftssteuergesetz, in der es auf S. 34 heißt: "Gratifikationen an Beamte, Privatangestellte usw. werden überhaupt nicht als Schenkungen anzusehen sein, weil es sich bei dergleichen Zuwendungen um eine nachträgliche Abgeltung der von den Remunerierten geleisteten Dienste handelt; solche Zuwendungen werden daher unter demselben Gesichtspunkte wie lästige Verträge beurteilt werden können." Der Beklagte hat diese Sätze und ihre Anwendung auf stillschweigend zugesicherte Bestandteile der Vergütungen beschränken wollen. Dafür fehlt es aber an jedem Anhalt. Von vornherein, wenn auch stillschweigend, zugesicherte Gratifikationen dienen nicht dazu, geleistete Dienste nachträglich abzugelten. Die Gründe des Gesetzgebers sprechen offenbar von solchen Gratifikationen, die nicht zugesichert waren, die der Dienstgeber, wie nach den Feststellungen des Kammergerichts im vorliegenden Falle, einseitig und nachträglich bewilligt, weil er sich sagt, daß das bisherige Entgelt für die Dienste zu gering sei.

Die Revision hat weiter den vom V. Senat in seiner Entscheidung vom 21. April 1917 V. 384/16 ausgesprochenen Satz bekämpft, daß das Bewußtsein einer Vertragspartei, eine Verpflichtung auch nur sittlicher Art zu erfüllen, die Einigung über die Unentgeltlichkeit der Leistung hindere. Eines Eingehens hierauf bedarf es nicht. Nach den Feststellungen des Kammergerichts hat die Aktiengesellschaft durch die Hingabe der 50000 M nicht eine sittliche, sondern eine von ihr als gegeben angesehene rechtliche Verpflichtung erfüllen wollen. Im übrigen sind aber Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht entsprochen wird, nach § 56 Abs. 2 REStG. von der Erbschaftssteuer befreit.

Der vom Berufungsrichter angestellte Vergleich zwischen den dem Kläger zugewendeteten 50000 M und einer nachträglichen Gehaltserhöhung ist in dem Sinne, wie ihn der Berufungsrichter vorgenommen hat, durchaus zutreffend. Er hat damit nur sagen wollen und nur gesagt, daß in beiden Fällen das Entgelt für ursprünglich bereits entgeltliche Leistungen erhöht werde oder erhöht worden sei. Er hat nicht gesagt, daß die bewilligten 50000 M eine Gehaltserhöhung darstellten. Die aus der Höhe der Summe von der Revision dagegen hergeleiteten Bedenken treffen also nicht den Gedankengang des Kammergerichts."...