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RG, 07.03.1884 - II 19/84

Daten
Fall: 
Erledigtes bedingtes Urteil
Fundstellen: 
RGZ 11, 381
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.03.1884
Aktenzeichen: 
II 19/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mülhausen
  • OLG Kolmar

Wann gilt ein bedingtes Urteil für erledigt im Sinne von §. 24 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes?

Tatbestand

Nach erhobenem Beweise war in erster Instanz auf einen richterlichen Eid erkannt und neben der Verhandlungs- noch die Beweisgebühr (§. 18 Nr. 1. 2 G.K.G.) in Ansatz gebracht worden. In der Folge leisteten die Kläger den Eid in einer vom Berufungsgerichte geänderten Fassung und nahmen dann die Klage zurück.

Nunmehr verlangte die Steuerbehörde, daß nachträglich noch die Entscheidungsgebühr erhoben werde. Das Landgericht hat diesen Antrag verworfen, das Oberlandesgericht demselben stattgegeben. Die eingelegte Beschwerde wurde vom Reichsgerichte zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der §. 24 G.K.G. hat die Bestimmung, den rechtlichen Charakter des bedingten Endurteiles (§. 425 C.P.O.) in Hinsicht auf die Berechnung der Gerichtsgebühren und auf den im §. 28 a. a. O. ausgesprochenen Grundsatz zu regeln, daß jede der im §. 18 bezeichneten Gebühren in jeder Instanz rücksichtlich eines jeden Teiles des Streitgegenstandes nur einmal erhoben werden soll. In §. 24 Abs. 1 a. a. O. wird nämlich bestimmt, daß gegenüber dem Urteile, durch welches das bedingte Urteil erledigt wird (§. 427 Abs. 2 C.P.O.), letzteres für die Gebührenerhebung als Beweisanordnung zu gelten habe. Daraus ergiebt sich, daß, wenn über denselben Teil des Streitgegenstandes auch eine Beweisanordnung erlassen worden war, doch nur eine Gebühr für diese Beweisanordnung und das bedingte Urteil und eine weitere Gebühr für das letzteres erledigende Urteil (§. 427 Abs. 2 C.P.O.) erhoben werden soll, es also in keinem Falle zur Erhebung von mehr als den drei im §. 18 a. a. O. bezeichneten Gebühren kommen kann. Wenn aber eine Erledigung in der Instanz, in welcher das bedingte Urteil ergangen ist, nicht erfolgt, so soll es nicht dabei bleiben, daß für eine Beweisanordnung und für das bedingte Urteil nur eine, nämlich die Beweisgebühr berechnet werde, sondern das bedingte Urteil soll in diesem Falle als Entscheidung gelten, also neben der Verhandlungs- und Beweisgebühr die Entscheidungsgebühr (§. 18 Ziff. 3 a. a. O.) in Ansatz kommen.

Dies bestimmt §. 24 Abs. 2 a. a. O. und zugleich noch, bis zu welchem Zeitpunkte die Frage unentschieden bleiben dürfe, ob das bedingte Urteil den Charakter einer Beweisanordnung oder den einer Entscheidung habe. Dieser Zeitpunkt soll der des Eintrittes der Fälligkeit der Gebühren sein. Außerdem wird in diesem zweiten Absatze noch der Fall vorgesehen, daß noch eine nachträgliche Erledigung des bedingten Urteiles in der Instanz eintrete; in diesem Falle soll der Gebührenansatz nach Maßgabe der Vorschriften des ersten Absatzes berichtigt, d. h. es soll neben der nunmehr anzusetzenden Entscheidungsgebühr nur noch eine Beweisgebühr berechnet werden, es mag neben dem bedingten Urteile noch eine Beweisanordnung in der Instanz ergangen sein oder nicht.

Daß dies die Bedeutung des §. 24 a. a. O. sei, ergiebt sich aus dem Entwürfe des Gesetzes in Verbindung mit dessen Motiven. Der dem §. 24 des Entwurfes unmittelbar vorangehende §. 23 entspricht dem §. 28 des Gesetzes, und die Motive führen aus, daß die eigentümliche Natur des bedingten Urteiles eine Ausnahmebestimmung von der Regel des §. 23 (§. 28) erfordere. Dasselbe enthalte in Verbindung mit der nicht minder eine Beweisanordnung als zugleich ein Endurteil, sodaß für beide zusammen eigentlich die Beweisgebühr und die Entscheidungsgebühr zu erheben wäre. Für den Fall jedoch, wenn das bedingte Urteil nicht oder nicht in der Instanz erledigt werde, erscheine es nicht angemessen, für das bedingte Urteil die Erhebung einer Beweisgebühr anzuordnen, weil dann für eine Instanz, welche nach vorgängiger Beweisaufnahme mit einem bedingten Endurteile abschließt, die Entscheidungsgebühr ohne sachlichen Grund wegfiele. Nachdem noch ausgeführt ist, daß und warum es auch unzulässig erscheine, von dem bedingten Urteile durchweg die Entscheidungsgebühr zu erheben, wird als Prinzip aufgestellt: "Demnach wird eine sachgemäße Besteuerung nur dadurch zu erzielen sein, daß für das bedingte Urteil zwar die Entscheidungsgebühr erhoben wird, bei Erledigung desselben aber eine weitere Gebühr für die in ihm enthaltene Beweisanorderung hinzutritt. Letztere muß natürlich (§. 23 a. a. O.) wegfallen, falls schon in der Instanz, in welcher das bedingte Urteil ergangen ist, hinsichtlich desselben Streitgegenstandes eine Beweisgebühr erhoben worden ist. Dies Ergebnis erreicht der Entwurf durch den Vorschlag in §. 24." Dieser §. 24 war nun, wie folgt, gefaßt: "Die Gebühr für das Urteil, durch welches ein bedingtes Urteil erledigt wird (§. 427 Abs. 2 C.P.O,), ist neben der Gebühr für das bedingte Urteil oder das die Berufung gegen dasselbe zurückweisende Urteil zu erheben, soweit nicht in der Instanz, in welcher das bedingte Urteil erlassen ist, eine Beweisgebühr zur Erhebung kommt." Der Entwurf spricht also, indem er betreffs des bedingten Urteiles den Charakter als Urteil voranstellt, aus, daß für dasselbe die Entscheidungsgebühr zu erheben sei, und daß diese Gebühr auch für die nachfolgende purificatoria zur Erhebung komme, hiervon aber, d. h. von Erhebung dieser beiden Gebühren dann eine Ausnahme einzutreten habe, wenn in der gleichen Instanz bereits eine Beweisgebühr zur Erhebung gelangt sei. Der §. 24 des Gesetzes (§. 20 a des Entwurfes der Kommission) ist aber nur eine ausführlichere Redaktion des Entwurfes, wobei der Charakter des bedingten Urteiles als Beweisanordnung vorangestellt und im zweiten Absatze der Fall, welchen die Motive besonders hervorheben, nämlich, wenn es zu keiner Erledigung des bedingten Urteiles in der Instanz kommt, ausdrücklich gerade so geregelt wird, wie es auch aus der Fassung des Entwurfes sich ergeben hätte. Für das bedingte Urteil soll also immer eine Gebühr zur Erhebung gelangen, und zwar neben der Entscheidungsgebühr für das erledigende Urteil (§. 427 Abs. 2 C.P.O.) eine Beweisgebühr, ohne eine Entscheidungsgebühr für die purificatoria die Entscheidungsgebühr; keinesfalls sollen aber betreffs eines und desselben Streitgegenstandes in der gleichen Instanz mehr als die drei im §. 18 a. a. O. bezeichneten Gebühren erhoben werden.

Aus dem angeführten, aus dem Zusammenhange der beiden Absätze des §. 24 G.K.G. und aus §. 499 C.P.O. ergiebt sich weiter, daß unter "Erledigung" in §. 24 Abs. 2 a. a. O. nur eine solche nach Maßgabe des §. 427 Abs. 2 C.P.O. verstanden werden kann.

Im vorliegenden Falle ist nun unbestritten, daß eine Erledigung des bedingten Urteiles in diesem gesetzlichen Sinne nicht stattgefunden hat, wegen Zurücknahme der Klage auch nicht mehr eintreten kann. Dasselbe ist daher in richtiger Anwendung des §. 24 Abs. 2 a. a. O. nachträglich betreffs des Gebührenansatzes nicht als Beweisanordnung, sondern als Entscheidung behandelt und neben der für die frühere Beweisanordnung angesetzten Gebühr noch die Entscheidungsgebühr berechnet worden."