RG, 21.01.1919 - III 328/18
Verstößt es gegen das Höchstpreisgesetz, wenn am Tage der Veröffentlichung der Höchstpreisfestsetzung, jedoch vor deren Inkrafttreten ein Verkauf auf Lieferung nach dem Zeitpunkte des Inkrafttretens zu einem den Höchstpreis übersteigenden Preise geschlossen wird?
Tatbestand
Der Kläger behauptet, daß er am 29. Dezember 1914 von den Beklagten 15000 Meter Militärmantelstoff zu einem Preise gekauft habe, der den in § 3 der Verordnung des Bundesrats vom 22. Dezember 1914 festgesetzten Höchstpreis überschreitet. Er will die auf Grund des Geschäfts an die Beklagten bezahlten Beträge unter Vorbehalt entrichtet haben und hält sich deshalb für berechtigt, den Unterschied zwischen dem vereinbarten und dem Höchstpreise zurückzufordern. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das klagabweisende Urteil des Landgerichts aufgehoben und dem Klagantrag in der erweiterten Gestalt, die er in der Berufungsinstanz angenommen hat, stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
Gründe
"Der Berufungsrichter erachtet für unerheblich und läßt deshalb unentschieden, ob der Lieferungsvertrag, wie der Kläger behauptet, am 29. Dezember 1914, also nach dem am 24. Dezember erfolgten Inkrafttreten der Verordnung vom 22. Dezember 1914, oder, wie die Beklagten geltend machen, schon am zuletzt bezeichneten Tage zustande gekommen ist. Er weist darauf hin, daß die Nummer des Reichsgesetzblatts, in welcher die Verordnung veröffentlicht wurde, am 22. Dezember 1914 in Berlin zur Ausgabe gelangt ist, und knüpft hieran die Folgerung, daß der Höchstpreis für Militärtuch auch bei Zugrundelegung der Behauptung der Beklagten zur Zeit des Vertragsschlusses bereits festgesetzt gewesen sei. Da hiernach, führt er aus, der Abschluß zwischen der Festsetzung und dem Inkrafttreten des Höchstpreises bewirkt worden sei und da weiterhin die Vertragserfüllung erst nach dem Inkrafttreten habe erfolgen sollen, so seien die Parteien zur Beachtung der Höchstpreisbestimmung verpflichtet gewesen. Es liege somit in der Überschreitung des Höchstpreises ein Verstoß gegen die Verordnung und der Kläger könne daher nach den Darlegungen in RGZ. Bd. 89 S. 196 den unter Vorbehalt gezahlten Kaufpreis auf Grund von § 812 BGB. zurückfordern.
Diese Ausführungen werden von der Revision mit Grund als rechtsirrtümlich bekämpft. Das Reichsgericht hat zwar in der erwähnten Entscheidung den Grundsatz aufgestellt, daß das Höchstpreisgesetz, welches hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1914 in Betracht kommt, auch dann verletzt ist, wenn zwischen der Festsetzung und dem Inkrafttreten eines Höchstpreises ein Verkauf auf Lieferung nach dem Zeitpunkte des Inkrafttretens zu einem den Höchstpreis übersteigenden Preise geschlossen wurde. Ein Tatbestand, auf den dieser Grundsatz Anwendung finden kann, liegt jedoch im gegenwärtigen Falle nicht vor, wenn der Lieferungsvertrag, wie der Berufungsrichter unterstellt, schon an dem Tage, an welchem die Höchstpreisbestimmung veröffentlicht wurde, zustande gekommen ist. Indem die Verordnung vom 22. Dezember 1914 in § 6 den Anfangstermin ihrer verbindlichen Kraft auf einen späteren als den Tag ihrer Verkündung bestimmte, wollte sie allerdings nicht den beteiligten Verkehrskreisen die Möglichkeit gewähren, in der Zwischenzeit noch Geschäfte, die erst nach dem Tage des Inkrafttretens ihre Ausführung finden sollten, zu einem höheren als dem festgesetzten Höchstpreis einzugehen. Sie wollte aber noch vor dem Eintritt ihrer Geltungskraft in dem bei der Kürze der Zwischenzeit erreichbaren Maße die Gemeinkundigkeit ihrer Anordnungen herbeiführen (vgl. Warneyer 1917 S. 51 Nr. 40). Diesem Zwecke würde es widerstreiten, wenn die Verordnung so gehandhabt würde, daß sie bei der Beurteilung solcher rechtsgeschäftlicher Vorgänge, die sich am Tage der Veröffentlichung zugetragen haben, als vor diesem erlassen betrachtet würde. Eine derartige Sachbehandlung erscheint um so weniger annehmbar, als der Zeitpunkt, mit dem die durch die Ausgabe des Gesetzblattes erfolgende Verkündung der Verordnung als abgeschlossen gelten kann, nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar ist. Hätte der Gesetzgeber die Verordnung mit solcher Strenge angewendet wissen wollen, so würde er, wie es in anderen kriegswirtschaftlichen Bekanntmachungen geschehen ist, die Bestimmung getroffen haben, daß die Verordnung mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft trete.1
Ebensowenig wie hiernach der erste Entscheidungsgrund des Berufungsurteils stichhaltig ist, greift der Hilfsgrund durch. Daß nämlich Verträge der vorliegenden Art der Einwirkung einer Höchstpreisfestsetzung auch dann unterlägen, wenn sie vor deren Veröffentlichung zustande gekommen seien.
Kaufverträge, die vor der Festsetzung von Höchstpreisen zu höheren Preisen gutgläubig abgeschlossen und bei dem Inkrafttreten der Höchstpreise noch von keiner Seite erfüllt sind, werden beim Mangel einer abweichenden Anordnung des Gesetzgebers von der Festsetzung nicht ergriffen. Sie können also auch nach deren Inkrafttreten ohne Verletzung der Höchstpreisbestimmung erfüllt werden. Die gegenteilige Ansicht führt zu einer Rückwirkung der gesetzlichen Preisregelung, die ohne eine wenigstens mittelbare Willenskundgebung des Gesetzgebers nicht zulässig ist (RGZ. Bd. 93 S. 316). Die hier einschlagende Verordnung gewährt einen Anhalt in dieser Richtung nicht." ...
- 1. RGZ. Bd. 91 S. 339