RG, 21.01.1938 - VII 106/37

Daten
Fall: 
Maschinen
Fundstellen: 
RGZ 156, 395
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.01.1938
Aktenzeichen: 
VII 106/37
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Siegen
  • OLG Hamm
Stichwörter: 
  • Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen

1. Erwirbt der Ersteher einer beweglichen Sache bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung auch dann Eigentum, wenn die versteigerte Sache nicht dem Schuldner gehört?
2. Welche Rechte hat der Eigentümer in einem solchen Fall in Ansehung des Erlöses?

Sachverhalt

Die Klägerin hatte der Firma P. ein Darlehen gegeben, wie sie behauptet in Höhe vom 6000 RM., und sich zu dessen Sicherung durch Vertrag vom 12. Mai 1928 in Verbindung mit dem Vertrage vom 5. Dezember 1925 das Eigentum an mehreren Maschinen übertragen lassen. Der Beklagte hat diese Maschinen am 20. und 27. April 1931 aus vollstreckbaren Urkunden gegen die Firma P. pfänden und zum Teil am 12., zum Teil am 19. Oktober 1931 versteigern lassen. Am 12. Oktober 1931 trat der Beklagte, am 19. Oktober 1931 der Kaufmann z. R. als Ersteigerer auf. Beide erhielten den Zuschlag. Die Maschinen sind Anfang des Jahres 1932 weiterverkauft worden. Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sie verkauft; dieser behauptet, z. R. habe sie verkauft, allerdings mit seiner Zustimmung. Den Erlös, der nach der Behauptung der Klägerin 1721 RM. betrug, hat der Beklagte bekommen.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Grund ihres Eigentums in Anspruch, nachdem ihr in einem Vorprozeß durch Urteil des Landgerichts in A. vom 7. November 1933, bestätigt durch Urteil des Oberlandesgerichts vom 16. Mai 1935, schon 1500 RM. zugesprochen waren. Sie behauptet, ihre Forderung gegen die Firma P. betrage noch 7417,28 RM. Die Maschinen hätten einen Wert vom 13942 RM. gehabt. Sie hätte sich also aus den Maschinen voll befriedigen können. Sie macht aber noch weitere Schadensersatzansprüche geltend und klagt einen Teilbetrag von 40000 RM. nebst 5 % Zinsen seit Klagezustellung ein.

Der Beklagte bringt unter anderem vor, das Eigentum der Klägerin sei, falls es überhaupt bestanden habe, durch die Zwangsversteigerungen erloschen. Ersteigerer sei in beiden Terminen z. R. gewesen, er habe diesem zudem am 3. und 4. November 1931 die Maschinen zur Sicherung für eine Forderung übereignet. Er beruft sich auf Verjährung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diese hat Revision eingelegt und um Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 7417,28 RM. nebst Zinsen gebeten. Das angefochtene Urteil ist in Höhe von 221 RM. nebst Zinsen aufgehoben, im übrigen ist die Revision zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen:

Gründe

Das Oberlandesgericht legt eingehend dar, daß die Klägerin die Maschinen rechtsgültig zu eigen erworben habe. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen, sie sind auch von der Revision nicht angegriffen worden. Die Klägerin hat aber das Eigentum durch die Versteigerungen vom 12. und 19. Oktober 1931 und die in deren Verfolg geschehene Ablieferung an den oder die Ersteher verloren, gleichviel ob der Beklagte oder z. R. Ersteher gewesen ist. Das Oberlandesgericht spricht sich zwar nicht unzweideutig darüber aus, ob das Verhalten des Gerichtsvollziehers und der Ersteher in beiden Terminen als eine zum Eigentumserwerb durch den Ersteher erforderliche (RGZ. Bd. 153 S. 257 [261]) Besitzübergabe anzusehen ist, es stellt aber fest, daß der Gerichtsvollzieher beiden Erstehern die Maschinen zur Inbesitznahme übergeben hat und daß die Ersteher sie dann in Besitz genommen haben, und zwar spätestens, als sie sie Anfang 1932 verkauften. Dies genügt zur Übergabe des Besitzes und damit zum Übergang des Eigentums, mag auch der Gerichtsvollzieher gegen instruktionelle Vorschriften (§ 817 Abs. 3 ZPO.) verstoßen haben.

Das Eigentum der Klägerin stand dem Erwerb des Eigentums durch den oder die Ersteher nicht entgegen. Das durch eine Pfändung entstandene Pfandrecht an beweglichen Sachen (§ 804 Abs. 1 ZPO.) mag als Pfandrecht unter den Regeln des rechtsgeschäftlichen Pfandrechts, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch gegeben sind, stehen, soweit sich nicht aus den Vorschriften der Zivilprozeßordnung etwas anderes ergibt (RGZ. Bd. 57 S. 323 [325], Bd. 60 S. 70 [72], Bd. 61 S. 330 [333], Bd. 87 S. 412 [415/16], Bd. 97 S. 34 [41], Bd. 104 S. 300 [301/2], Bd. 108 S. 318 [320], Bd. 114 S. 384 [386], Bd. 126 S. 21 [26]); wenn das Reichsgericht aber in den Entscheidungen in Bd. 61, Bd. 104 und Bd. 126 darlegt, im Falle einer Pfändung von Sachen, die dem Schuldner nicht gehörten, könne der Ersteher, dem die gepfändete und versteigerte Sache übergeben sei, gemäß § 1244 BGB. nur dann Eigentümer der Sache werden, wenn er in bezug auf das Pfandrecht gutgläubig gewesen sei, so kann diese Meinung nach der neueren Auffassung von der Stellung des Gerichtsvollziehers und dem Wesen der Zwangsvollstreckung nicht aufrechterhalten werden.

Der Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen bedarf es zu einer Abweichung von der bisherigen Auffassung auch insoweit nicht, als die früheren Entscheidungen nicht von dem jetzt erkennenden Senat herrühren, denn sie stammen aus der Zeit vor dem 1. September 1935 (Art. 2 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28. Juni 1935 (RGBl. I S. 844). Die Zivilprozeßordnung hat besondere Vorschriften über die Verwertung gepfändeter Sachen. Diese Verwertung steht auch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt als der Pfandverkauf. Mit dem Pfandverkauf nutzt der Pfandgläubiger das dem Pfandrecht wesentlichste Recht, also ein Privatrecht aus. Bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen entsteht zwar auch ein Pfandrecht, das zahlreichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über das rechtsgeschäftliche Pfandrecht unterliegen mag, die Verwertung der gepfändeten Sache geschieht aber nicht in Ausnutzung des privatrechtlichen Pfandrechts, sondern im Verlaufe der Zwangsvollstreckung auf Grund des Rechts und der Pflicht der Rechtsordnung, dem Gläubiger nicht nur ein Pfandrecht, sondern das Geld, das er von dem Schuldner verlangen kann, durch Verwertung der durch die Pfändung und Verstrickung der Vollstreckung zugeführten Sache zu verschaffen. Nicht das Pfandrecht, sondern die Pfändung ist die Grundlage der Verwertung (§ 806 ZPO.). Die Zwangsgewalt des Staates kommt dabei zum sinnfälligen Ausdruck. Auch der Pfandverkauf darf zwar nicht von dem Gläubiger selbst vorgenommen werden, auch der Pfandverkauf ist vom Gesetz mit einer gewissen Sicherheit umkleidet, denn er darf nur von einem für den Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder einem zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder einem öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich ausgeführt werden (§ 1235 Abs. 1, § 383 Abs. 3 BGB.). Diese Sicherheit ist aber nicht so groß, wie sie für die Verwertung gepfändeter Sachen gegeben ist, die kraft staatlicher Zwangsgewalt und nicht, wie beim Pfandverkauf, auf Grund des auf diesem Gebiet eigengesetzlichen Willens der Parteien erfolgt. Die Verwertung gepfändeter Sachen kann nur ein Gerichtsvollzieher vornehmen. Der Gerichtsvollzieher aber ist nicht Beauftragter des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers (RGZ. Bd. 82 S. 85, Bd. 104 S. 283 [285]), er steht vielmehr allen Beteiligten als Beamter gegenüber, er nimmt auch mit der Versteigerung und der Ablieferung der versteigerten Sache an den Ersteher einen staatlichen Hoheitsakt vor (RGZ. Bd. 153 S. 257 [261]). Dieser Hoheitsakt greift zwar in privatrechtliche Verhältnisse ein, er liegt aber selbst nicht auf dem Gebiete des Privatrechts. Danach muß man annehmen, daß der Gerichtsvollzieher durch die Ablieferung einer versteigerten Sache an den Ersteher diesem auch dann das Eigentum an der Sache verschafft, wenn ein anderer als der Schuldner Eigentümer war (Stein-Jonas ZPO. 15. Aufl. § 817 IV; Seuffert-Walsmann ZPO. 12. Aufl. § 814 Nr. 2), ebenso wie der Richter in der Zwangsversteigerung von Grundstücken durch den Zuschlag dem Ersteher das Eigentum verschafft, gleichviel wem das Eigentum vorher zustand (§ 90 ZVG). Der Eigentümer hatte die Möglichkeit, durch Erhebung der Widerspruchsklage nach § 771 ZPO. seine Sache der Zwangsvollstreckung zu entziehen. Hat er das nicht getan, so hat sein Eigentum die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckung nicht berührt (RGZ. Bd. 79 S. 241 [244]), die Ablieferung der Sache an den Ersteher nach der Versteigerung hat dem Ersteher das Eigentum verschafft, das Recht des früheren Eigentümers ist erloschen.

Die Klägerin hat also ihr Eigentum an den Maschinen durch die Übergabe des Besitzes an die Ersteher nach den beiden Versteigerungen vom 12. und 19. Oktober 1931 verloren. An die Stelle des Eigentums ist aber der Anspruch auf den Erlös und nach Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher der Erlös selbst getreten, wie § 1247 Satz 2 BGB. dies im Falle des Verkaufs einer verpfändeten Sache ausdrücklich vorschreibt. Dem steht § 819 ZPO. nicht entgegen. Diese Vorschrift gibt nur Bestimmungen für das Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, sagt aber nichts über die dinglichen Rechtsverhältnisse in Ansehung der versteigerten Sache oder ihres Erlöses. Sie läßt die Gefahr mit der Empfangnahme des Erlöses auf den Gläubiger übergehen (Stein-Jonas ZPO. § 819 I; RGRKomm. z. BGB. 8. Aufl. § 816 Anm. 3). Der Gerichtsvollzieher hat aber im vorliegenden Falle den Erlös dem Beklagten als dem Gläubiger ausgehändigt. Damit hat er ihm das Eigentum an dem Gelde verschafft, obwohl die Klägerin Eigentümerin war, denn auch hier hat er nicht als privatrechtlicher Vertreter irgend jemandes gehandelt, sondern kraft staatlicher Zwangsgewalt. Da der Erlös aber der Klägerin zu eigen gehörte, hat sie nach der Ablieferung des Geldes an den Beklagten gegen diesen einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Dieser Anspruch beruht nicht auf § 816 Abs. 1 BGB., sondern auf § 812 Abs. 1 Satz 1 das. Der Gerichtsvollzieher hat keine Verfügung auf privatrechtlichem Gebiete vorgenommen, wie § 816 Abs. 1 BGB. voraussetzt, sondern einen Akt der staatlichen Hoheit, und durch diesen Akt hat der Beklagte auf Kosten der Klägerin, der das Geld gehörte, etwas zwar nicht durch die Leistung der Klägerin, aber „auf sonstige Weise“ erlangt, ohne daß ein rechtfertigender Grund für die Vermögensverschiebung vorgelegen hätte (Stein-Jonas ZPO. § 771 VII 4 Abs. 1; RGRKomm. z. BGB. § 816 Anm. 3).

Der Erlös betrug aber nur 1100 RM., der Klägerin sind durch das Urteil im Vorprozeß schon 1500 RM. zugesprochen, also kann sie auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung nichts mehr verlangen. Die Klage ist aber auch auf unerlaubte Handlung gestützt, und das Oberlandesgericht weist sie insoweit ab, weil der Anspruch verjährt sei. Dabei hat es übersehen, daß im Falle einer unerlaubten Handlung nach der Verjährung des Hauptanspruchs noch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bestehen bleibt, falls der Ersatzpflichtige durch die unerlaubte Handlung, d. h. also ohne rechtfertigenden Grund, etwas auf Kosten des Verletzten erlangt hat (§ 852 Abs. 2 BGB.). Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung, und zwar sowohl aus § 823 Abs. 1 wie aus § 826 BGB., kann aber in einem Falle gegeben sein, wenn ein Gläubiger die Sache eines anderen als seines Schuldners versteigern läßt (Stein-Jonas ZPO. § 771 VII 4 Abs. 2; Seuffert-Walsmann ZPO. § 771 Anm. 8), und damit auch nach der Verjährung ein Anspruch auf Herausgabe des etwa Erlangten. Hätte der Beklagte nur den Erlös bekommen, so könnte die Klägerin auch nach § 852 Abs. 2 BGB. nach der Verjährung einer etwa vorliegenden unerlaubten Handlung nicht mehr als den Erlös verlangen. Das wären hier 1100 RM., die ihr schon in dem früheren Rechtsstreit zugesprochen worden sind. Die Klägerin hat aber behauptet, der Beklagte habe auch die Maschinen selbst bekommen, denn er habe sie ersteigert und ihm seien sie übertragen worden. Läge eine unerlaubte Handlung vor, so hätte der Beklagte durch diese Handlung also nicht nur die 1100 RM. , den Erlös, bekommen, sondern außerdem die Maschinen. Die Klägerin könnte also aus § 852 Abs. 2 BGB. die Maschinen zurückverlangen, und da diese verkauft sind, deren Verkaufserlös (§ 818 Abs. 1 BGB.). Dieser Erlös beträgt nach Angabe der Klägerin 1721 RM. Da die Klägerin schon 1500 RM. zugesprochen erhalten hat, konnte sie noch 221 RM. verlangen.

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