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RG, 21.01.1919 - II 263/18

Daten
Fall: 
Gewährleistung des Verkäufers wegen Mängel
Fundstellen: 
RGZ 94, 285
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.01.1919
Aktenzeichen: 
II 263/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • Oberlandesgericht Hamburg

Zur Frage der Gewährleistung des Verkäufers wegen Mängel einer bestimmten, auf Besicht verkauften Sache.

Tatbestand

Am 7. September 1916 kaufte der Kläger von der Beklagten 500 Kisten sogenannte norwegische Sardinen, teils in Öl, teils in Bouillon, Marke "Walroß", auf Besicht. Da die Beklagte weder die Ware selbst noch Muster andiente, bestimmte ihr der Kläger eine Frist zur Lieferung mit der Erklärung, daß er nach Ablauf der Frist die Annahme ablehne. Die Beklagte lieferte nicht, worauf der Kläger, vorläufig in Höhe von 5000 M, Schadensersatz wegen Nichterfüllung forderte. Die Beklagte bestritt den Anspruch nach Grund und Betrag. Sie machte geltend, daß sie dem Kläger eine bestimmte Partie Sardinen verkauft habe, die sie selbst zwar schon gekauft, aber noch nicht besichtigt gehabt habe. Hinterher habe sich jedoch die Ware als so mangelhaft herausgestellt, daß der Kläger sie nicht gebilligt haben würde und daß er sie im Falle der Billigung nur mit Verlust hätte weiterverkaufen können.

Das Landgericht erklärte die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt. Das Oberlandesgericht verwarf zunächst durch Zwischenurteil den Einwand der Beklagten, daß der Kläger die Ware, wenn sie ihm vorgelegt worden wäre, nicht gebilligt haben würde, und wies sodann durch Endurteil die Berufung der Beklagten zurück. In der Begründung des Zwischenurteils wurde ausgeführt: Es handle sich um eine auf Besicht gekaufte, bestimmte Partie Ware. Der Meinung, daß bei der Klausel "auf Besicht" der Käufer nur das Recht habe, zu nehmen oder abzulehnen, nie aber Schadensersatz zu fordern, sei nicht beizutreten. Der Käufer habe auch hier ein Recht darauf, daß ihm kontraktliche Ware angedient, d. h. zunächst zur Untersuchung gestellt werde; er könne trotz Billigung im Sinne des § 495 BGB. Ansprüche aus kontraktwidriger Beschaffenheit erheben. Er habe unter allen Umständen den Anspruch darauf, daß ihm durch Vorführung der Ware Gelegenheit gegeben werde, sich darüber zu entscheiden, ob er billigen wolle oder nicht. Werde dieser Anspruch nicht erfüllt, so erwachse dem Käufer nach erfolgloser Fristsetzung ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung; auf den Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung (§495 Abs. 1 Satz 2) könne sich der Verkäufer nicht berufen, weil sie nach § 162 als eingetreten gelte. Die Beklagte sei zwar zum Beweise für ihre Einrede zu verstatten, daß der Kläger nicht gebilligt haben würde; die von ihr in dieser Hinsicht vorgetragenen Behauptungen seien aber nicht ausreichend. Wenn man unterstelle, daß die verkaufte Partie Ware so schlecht ausgefallen sei, wie das Gutachten besage, so ergebe sich daraus noch nicht, daß der Kläger die Ware nicht genommen haben würde, zumal mit einer Minderung des Kaufpreises gemäß § 472. Weiter hieß es in den Gründen des Endurteils: Ob ein Spezies- oder ein Genuskauf vorliege, sei nicht von entscheidender Bedeutung. Denn in beiden Fallen würde als kontraktliche Ware, sei es nach § 459 BGB., sei es nach § 360 HGB., nur eine kurante Ware (Handelsgut mittlerer Art und Güte) zu gelten haben, die als "sogenannte norwegische Sardinen in Öl oder in Bouillon Marke Walroß" bezeichnet werden könne. Wäre die in Rede stehende Ware von dieser Art und Beschaffenheit gewesen, so würde ohne weiteres anzunehmen sein, daß der Kläger sie mit Nutzen hätte verkaufen können, da derzeit eine starke Nachfrage nach solcher Ware bestanden habe und nichts dafür vorliege, auch von der Beklagten nicht behauptet worden sei, daß die Vereinbarung eines Preises von 104 M für die Kiste mit 100 Dosen bei Lieferung reeller Ware eine Überteuerung des Klägers enthielte. Nun sei allerdings erwiesen, daß die Ware, wenn auch nicht verdorben, vielmehr als Nahrungsmittel verwendbar und verkäuflich, so doch minderwertig gewesen sei. Allein der Kläger hatte aus den im Zwischenurteile vom 8. Oktober 1917 angegebenen Gründen wegen der Minderwertigkeit der Ware eine verhältnismäßige Herabsetzung des vereinbarten Kaufpreises gemäß § 472 BGB. verlangen und so, da er nach obigen Ausführungen an sich preiswert gekauft gehabt habe, einen Einstandspreis erzielen können, der ihm, zumal bei den bereits damals schwierigen Ernährungsverhältnissen in Deutschland, einen nutzbringenden Weiterverkauf ermöglicht hätte. Es sei also dargetan, daß der Kläger infolge der Nichterfüllung des Vertrags vom 7. September 1818 durch die Beklagte einen Schaden erlitten habe.

Auf die Revision der Beklagten wurde das Endurteil des Oberlandesgerichts aufgehoben.

Gründe

... "Geht man mit dem Berufungsgerichte davon aus, daß der Vertrag vom 7. September 1318 den Kauf einer bestimmten Partie Sardinen "auf Besicht" im Sinne des § 495 BGB. zum Inhalte hatte, so war zwar der Kauf schon mit dem Abschlusse des Vertrags zustandegekommen, seine Wirksamkeit war aber an die aufschiebende Bedingung der Billigung des Kaufgegenstandes durch den Kläger geknüpft. Die Beklagte war verpflichtet, die verkaufte Ware dem Kläger zur Besichtigung zu stellen; sie hatte jedoch, wenn es sich nicht um eine nur der Gattung nach bestimmte Sache handelte (vgl. RGZ. Bd. 93 S. 254), nicht, wie das Berufungsgericht meint, dafür einzustehen, daß die Ware zur Zeit der Besichtigung von mittlerer Art und Güte war (§§ 243 BGB., 360 HGB.), und auch nicht dafür, daß die Ware zu dieser Zeit nicht mit Fehlern behaftet war, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufhoben oder minderten (§ 459 BGB.). Denn wenngleich bei einem Spezieskauf "auf Besicht" der Verkäufer nicht ohne weiteres von jeder Gewährleistung für etwaige Sachmängel befreit ist (vgl. Jur. Wochenschr. 1906 S. 549 Nr. 17), so ist doch bei sinngemäßer Anwendung des § 460 BGB. für das Maß seiner Vertretungspflicht nicht der Abschluß des aufschiebend bedingten Vertrags, sondern die Billigung des Vertragsgegenstandes durch den Käufer entscheidend (Jur. Wochenschr. 1912 S. 858 Nr. 13). Der Verkäufer hat also, von den Fällen der Zusicherung und der Arglist abgesehen, nur solche Sachmängel zu vertreten, die der Käufer zur Zeit der Billigung weder kannte, noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es ist daher verfehlt, wenn das Berufungsgericht annimmt, daß der Kläger im Falle der Lieferung der verkauften Sardinen berechtigt gewesen wäre, wegen der ihm beim Vertragsschlusse weder bekannten noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannten Mängel die Minderung des vereinbarten Preises zu beanspruchen, und wenn es den Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung schon deshalb für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt, weil der Wert der trotz Fristsetzung gemäß § 326 nicht gelieferten Sardinen den nach § 472 geminderten Vertragspreis überstiegen habe. Der Kläger konnte die Sardinen, wenn sie mangelhaft waren, nach freiem Belieben billigen oder nicht billigen; billigte er sie aber, so hatte er sie trotz der ihm bekannten oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannten Mängel zum Vertragspreise anzunehmen, und zwar auch dann, wenn er die Billigung ohne Besichtigung erklärte. Die Beklagte kann sonach - da die Voraussetzungen des § 226 nicht vorliegen - keinesfalls geltend machen, daß der Kläger die Sardinen bei Besichtigung nicht gebilligt haben würde. Dagegen ist sie allerdings mit dem Einwande zu hören, daß sie den Kläger vor der Billigung von den Mängeln der Sardinen in Kenntnis gesetzt habe und daß ihm die Mängel im Falle der Besichtigung nur bei grober Fahrlässigkeit hätten verborgen bleiben können. Dieses Einwandes ist die Beklagte dadurch, daß sie die Ware trotz Fristsetzung weder geliefert noch zur Besichtigung gestellt hat, nicht verlustig gegangen. Stellt sich der Einwand als begründet dar, so ist der Klaganspruch dem Grunde nach nur dann gerechtfertigt, wenn die Ware trotz der Mängel für den Kläger einen den Vertragspreis übersteigenden Wert hatte. Dies hat das Berufungsgericht, abweichend vom Landgerichte, nicht festgestellt. Das angefochtene Endurteil ist daher aufzuheben. Dagegen ist das Zwischenurteil, wenn auch aus anderen als den vom Berufungsgericht angegebenen Gründen, gerechtfertigt." ...