RG, 01.10.1902 - V 191/02
Hat die Einleitung einer Abwesenheitspflegschaft Prozeßunfähigkeit für den Abwesenden zur Folge?
Tatbestand
Dem Kläger war ein richterlicher Eid auferlegt worden. In dem Eidesleistungstermine, in dem er nicht erschien, beantragte sein Prozeßbevollmächtigter Aussetzung des Verfahrens nach §§ 241. 246 C.P.O., weil über den Kläger inzwischen eine Abwesenheitspflegschaft eingeleitet und er dadurch prozeßunfähig geworden sei. Das Kammergericht gab dem Antrage statt. Auf Beschwerde der Beklagten ist der Beschluß aufgehoben worden aus folgenden Gründen:
Gründe
... "Wie die §§ 104. 106. 107.114 B.G.B. ergeben, besteht jetzt, abweichend von dem früheren Rechte, eine Unfähigkeit, sich durch Verträge zu verpflichten, und damit Prozeßunfähigkeit (§ 52 C.P.O.), nur bei geschäftsunfähigen Personen, § 104 B.G.B., sowie bei Personen, die, wie die Minderjährigen und die in § 114 B.G.B. bezeichneten Personen, in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind. Der Fall der Stellung unter Pflegschaft findet sich als Grund des Aufhörens oder der Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Pflegebefohlenen nirgends erwähnt. Letzterer behält hiernach die Fähigkeit, sich durch Verträge zu verpflichten, und daher auch die Prozeßfähigkeit. Daß dies der Wille des Gesetzgebers gewesen ist, wird durch die Denkschrift zur Civilprozeßnovelle S. 86 ausdrücklich bestätigt. Eine Ausnahme macht nur der Fall, daß der Pfleger in Ausübung seiner Vertretungsmacht, die mit dem eigenen Prozeßführungsrechte des Pflegebefohlenen konkurriert, einen Rechtsstreit im Namen des letzteren führt. Alsdann gilt der Pflegebefohlene für den betreffenden Rechtsstreit als prozeßunfähig (§ 53 C.P.O.). Ein solcher Fall liegt aber gegenwärtig nicht vor. Zwar hat ausweislich einer vom Kammergerichte bei Vorlegung der Beschwerde dem Reichsgerichte gemachten Randmitteilung der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine erklärt, er sei auch von dem Abwesenheitspfleger, dessen Bestallung er gleichzeitig überreichte, mit Vollmacht versehen. Hierin kann jedoch ein Eintritt des Pflegers in den Prozeß an Stelle des Klägers, wodurch allein dessen Prozeßunfähigkeit hätte herbeigeführt werden können, nicht gefunden werden." ...