RG, 14.12.1917 - II 261/17
Hat eine vom Verkäufer nach Handelsgebrauch zu leistende sechsmonatige Garantie Einfluß auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche?
Tatbestand
Die Klägerin hatte von der Beklagten 156 Dosenschinken gekauft, die Ware am 5. April 1915 geliefert erhalten und bei der alsbald vorgenommenen Untersuchung Mängel nicht entdeckt. Am 6. August 1915 bemerkte sie, daß zahlreiche Dosen "hoch rund bombiert" waren. Sie zeigte dies der Beklagten an und verlangte die Lieferung mangelfreier Ersatzware. Die Beklagte verhielt sich ablehnend, leistete auch einer mit Fristbestimmung wiederholten Aufforderung keine Folge. Die Klägerin erhob deshalb am 5. November 1915 Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Als die Beklagte Verjährung einwandte, entgegnete sie, nach Handelsgebrauch habe der Verkäufer von Fleischkonserven für die binnen sechs Monaten nach der Lieferung auftretenden Mängel Gewähr zu leisten: daraus sei hinsichtlich eines während der Garantiefrist entdeckten Mangels zu folgern, daß der Lauf der Verjährung erst mit der Entdeckung des Mangels beginne.
Das Landgericht stellte das Bestehen des Handelsgebrauchs fest, lehnt aber die von der Klägerin gezogene Folgerung ab und erkannte wegen Eintritts der Verjährung auf Abweisung der Klage. Die Berufung der Klägerin würde aus demselben Grunde zurückgewiesen. Auch die Revision hatte keinen Erfolg.
Gründe
... .Nach § 459 Abs. 1 BGB. haftet der Verkäufer dem Käufer dafür, daß die Kaufsache zu der Zeit, zu der die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder in nicht unerheblichem Maße mindern; nach § 459 Abs. 2 haftet der Verkäufer auch dafür, daß die Sache zur Zeit des Überganges der Gefahr die zugesicherten Eigenschaften hat. Aus dem Umstand, daß die Parteien sich stillschweigend dem nach der Feststellung des Berufungsgerichts beim Verkaufe von Fleischkonserven bestehenden Handelsgebrauch unterworfen haben, kraft dessen der Verkäufer für die innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung auftretenden Mängel der Ware Gewähr leisten muß, ergibt sich daher an und für sich nichts anderes, als eine nähere Vereinbarung über Inhalt und Umfang der Gewährleistungspflicht des Verkäufers. Die verkaufte Ware soll nicht bloß zur Zeit des Gefahrübergangs, der sich regelmäßig vor oder zugleich mit der Ablieferung vollzieht, sondern auch noch eine geraume Zeit nach der Ablieferung zum menschlichen Genusse brauchbar sein. Sie soll also zur Zeit des Gefahrübergangs die Eigenschaft längerer Haltbarkeit haben, und der Verkäufer soll dafür einstehen müssen, daß binnen sechs Monaten nach der Ablieferung Mängel nicht hervortreten.
Die so vereinbarte Gewährleistungsfrist fällt nun allerdings nach Beginn und Dauer mit der in § 477 BGB. festgesetzten kurzen Verjährungsfrist zusammen. Es besteht deshalb die Möglichkeit, daß der Käufer einen Mangel zwar noch innerhalb der Frist, aber zu spät entdeckt, um die Verjährung noch unterbrechen zu können. Hieraus allein läßt sich jedoch nicht, wie die Revision will, folgern, daß in der stillschweigenden Unterwerfung unter den Handelsgebrauch zugleich die Vereinbarung einer Hinausschiebung des Beginnes oder der Dauer der gesetzlichen Verjährungsfrist läge. Die Bestimmung des § 477 bezweckt, im Interesse der Verkehrs- und Rechtssicherheit baldmöglichst nach der Ablieferung eine klare Rechtslage zu schaffen (RGZ. Bd. 56 S. 169); gerade der Handelsverkehr neigt wenig zu Abmachungen, die diesem Zwecke entgegen einer Verzögerung der endgültigen Erledigung Vorschub leisten. Wenn das Reichsgericht im Anschluß an die Rechtsprechung zu Art. 349 NDHGB. (RGZ. Bd. 37 S. 81) auch unter der Herrschaft des neuen Rechtes (RGZ. Bd. 65 S. 121, Holdheims Monatsschr. Bd. 16 S. 169) angenommen hat, daß die Vereinbarung einer Garantiezeit von länger als sechsmonatiger Dauer regelmäßig zugleich die Bedeutung einer Hinausschiebung des Beginnes der gesetzlichen sechsmonatigen Verjährungsfrist bis zu der während der Garantiezeit erfolgten Entdeckung eines Gewährsmangels habe, so hat es sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß bei gleichzeitigem Beginne der sechsmonatigen Verjährungsfrist und einer oft mehrjährigen Garantiezeit der Käufer trotz der Garantie überhaupt nicht in der Lage sein würde, seine Ansprüche wegen eines erst später als sechs Monate nach der Ablieferung entdeckten Mangels geltend zu machen. Dieser Grund entfällt aber hier, wo die handelsgebräuchliche Garantiezeit nicht über die Verjährungsfrist hinausreicht. Auch sonst besteht kein Anhalt für die Annahme, daß die Parteien den Beginn der Verjährungsfrist des § 177 BGB. hätten verschieben oder diese Frist hätten verlängern wollen."