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RG, 11.12.1917 - III 284/17

Daten
Fall: 
Börsentermingeschäfte
Fundstellen: 
RGZ 91, 377
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.12.1917
Aktenzeichen: 
III 284/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Bremen
  • OLG Hamburg

Heilung unverbindlicher Börsentermingeschäfte durch Erfüllungsannahme der vereinbarten Leistung.

Tatbestand

Die Klägerin schloß in den Jahren 1912 und 1913 mit dem Beklagten, der nicht zu den in § 53 BörsG. bezeichneten Personen gehörte, mehrfache Kassa- und Termingeschäfte über Wertpapiere ab, deren rechnerisches Ergebnis eine Schuld des Beklagten in Höhe von 9802,55 M war. Ihrer hierauf gerichteten Klage stellte der Beklagte den Termin- und Spieleinwand entgegen, während die Klägerin die Bewirkung der vereinbarten Leistung und das Einverständnis des Beklagten hiermit behauptete. Im Gegensatz zum ersten Richter gab das Oberlandesgericht der Klage statt. Die Revision des Beklagten hatte Erfolg aus nachstehenden Gründen:

Gründe

"Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurden die zwischen den Parteien geschlossenen Börsentermingeschäfte in der Weise erledigt, daß die Klägerin die ihr in Auftrag gegebenen Papiere hereinnahm, darüber Schlußscheine gab, den Beklagten auf Stückekonto erkannte und die Papiere sodann gemäß einem Auftrage des Beklagten, sei es ohne Prolongation vor dem nächsten Ultimo, sei es nach einer Prolongation, verkaufte. In diesen Tatsachen hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des II. Zivilsenats des Reichsgerichts RGZ. Bd. 82 S. 175 und Jur. Wochenschr. 1914 S. 534 die Bewirtung der vereinbarten Leistung im Sinne des § 57 BörsG. erblickt. Es sei zwar - so führt es aus - die ursprünglich vereinbarte typische Leistung, nämlich die effektive Lieferung der Papiere, nicht bewirkt wurden, wohl aber eine andere zwischen den Parteien vereinbarte Leistung, die geeignet sei, die ursprüngliche Leistung im Sinne des § 57 zu ersetzen. Soweit keine Prolongation erfolgt sei, habe die Klägerin die effektive Leistung durch Hereinnahme der Stücke in das Depot vorbereitet. Zur effektiven Lieferung sei es nicht gekommen, weil der Beklagte Auftrag zum Verkauf der Papiere gegeben habe. Damit sei die Verpflichtung der Klägerin zur Lieferung der Papiere gegenstandslos geworden, und es sei an ihre Stelle die Verpflichtung getreten, für Rechnung des Beklagten Papiere gleicher Art und Zahl zu verkaufen. Gleichzeitig sei sinngemäß die beiderseitige Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises entfallen und durch die Verpflichtung zur Zahlung der Differenz ersetzt worden. Die abgeänderte Leistung habe sodann die Klägerin durch Ausführung der Verkaufsaufträge bewirkt. Mit dieser Bewirkung habe sich der Beklagte durch widerspruchslose Entgegennahme der Schlußnoten über die Verkäufe, jedenfalls durch Anerkennung des Kontokurrentsaldos einverstanden erklärt. Soweit bei einzelnen Geschäften eine Prolongation erfolgt sei, gelte dasselbe; es bestehe nur der Unterschied, daß zwischen Kauf und Verkauf eine Prolongation eingeschaltet sei.

Diesen Darlegungen kann nicht beigetreten werden. Die in den angeführten Urteilen des II. Zivilsenats entschiedenen Fälle lagen anders als die nunmehrige Streitsache. In jenen Fällen fand ein Rückkauf der Papiere durch die Bank, ein Reportgeschäft mit ihr statt. Das Reportgeschäft dient allerdings der Schiebung des Unternehmens auf den nächsten Ultimo, wie sie auch im gegebenen Falle bei einem Teile der Geschäfte vorgekommen ist. Während aber die sog. echte Prolongation lediglich die Erfüllung des Geschäfts auf den nächsten Ultimo verlegt, erfolgt beim Reportgeschäfte die Hinausschiebung durch zwei Geschäfte entgegengesetzter Art, die sich in einem einheitlichen Akte vollziehen und die bei der auf Kurssteigerung gerichteten Spekulation in dem Ankaufe der Papiere auf Ultimo und gleichzeitig in deren Rückläufe durch den Spekulanten auf den nächsten Ultimo bestehen (Saling. Börsenpapiere Bd. 1 S. 453; Schmidt, Reportgeschäft S. 15). Von einem derartigen Kaufe und Rückkäufe ist Vorliegendenfalls keine Rede; der Beklagte hat der Klägerin nur den Auftrag zum Verkaufe gegeben. Daß aber in der echten ein Reportgeschäft nicht in sich schließenden Prolongation keine Leistungsbewirtung im Sinne des § 57 BörsG. zu erblicken und daß dies auch nicht den erwähnten Urteilen des II. Zivilsenats zu entnehmen sei, hat der erkennende Senat schon in der Entscheidung RGZ. Bd. 90 S. 250 ausgesprochen.

Im vorliegenden Falle handelt es sich nur darum, daß der Beklagte, ohne daß ihm die gekauften Papiere geliefert wären, und ohne Dazwischentreten eines Reportgeschäfts der Klägerin den Auftrag zum Verkaufe gleichartiger Papiere gegeben und daß die Klägerin diesen Auftrag ausgeführt hat. Eine Bewirkung der vereinbarten Leistung, wie sie in § 57 BörsG. vorausgesetzt wird, kann hierin nicht erblickt werden. Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, ist die ursprünglich vereinbarte Leistung, nämlich die Lieferung der Papiere zu Eigentum des Käufers, nicht bewirkt worden. Nun ist allerdings zur Anwendbarkeit des § 57 nicht erforderlich, daß die bewirkte Leistung vollständig und in allen Stücken mit der ursprünglich vereinbarten Leistung übereinstimme. Es ist im Schrifttum und in der Rechtsprechung die Möglichkeit anerkannt worden, daß als die "vereinbarte" Leistung des § 57 auch eine andere Leistung angesehen werde, die durch die Verabredung der Parteien an die Stelle bei ursprünglich vereinbarten Leistung gesetzt worden ist. Streit herrscht aber darüber, wie die anderweite Leistung beschaffen sein müsse, um als vereinbarte gelten zu können. Der Auffassung des Revisionsbeklagten, daß den Parteien ein vollständig freies Belieben in der Bestimmung der Ersatzleistung zukomme, ist nicht beizutreten; es stehen auch erhebliche Bedenken der Annahme entgegen, daß ein Rücklauf oder Reportgeschäft die Bewirkung der Leistung gemäß § 57 in sich schließe. Die Bedeutung dieser Vorschrift liegt in der Heilung der Ungültigkeit der nicht verbotenen, aber gemäß den Vorschriften der §§ 50 flg. unverbindlichen Termingeschäfte. Diese Heilung soll dann eintreten, wenn die vereinbarte Leistung bewirkt ist und der Vertragsgegner sich mit der Leistungsbewirkung einverstanden erklärt hat. Durch diese Anordnung der Heilung der Unverbindlichkeit und durch die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Folgen soll den Parteien der Ernst und das Gewicht der tatsächlichen Erfüllung der Termingeschäfte zum Bewußtsein gebracht werden. Sie sollen, wenn einmal das unverbindlich geschlossene Termingeschäft tatsächlich erfüllt, die darin festgesetzte Leistung endgültig bewirkt ist, sich nicht mehr darauf berufen dürfen, daß das Geschäft an sich unverbindlich sei und ihm der Termineinwand entgegenstehe, weil die Berufung auf diesen Einwand nach einer solchen im Einverständnis mit dem Vertragsgegner erfolgten Erfüllung den Grundsätzen eines redlichen Verkehrs widerstreiten würde. Durch eine solche Regelung sollte gleichzeitig den berechtigten Interessen der kaufmännischen Verkehrsweise und des mit den Gefahren der Termingeschäfte oft nur ungenügend vertrauten Publikums Rechnung getragen werden.

Daß dies der Sinn und die Bedeutung des § 57 BörsG. ist, ergibt sich klar aus seiner Entstehungsgeschichte. § 68 des Börsengesetzentwurfs von 1906 (vgl. Verh. des Reichstags Bd. 226 S. 5353) ließ die Heilung unverbindlicher Termingeschäfte einmal (Abs. 1) dann eintreten, wenn der Schuldner nicht vor dem Ablaufe von sechs Monaten dem Gläubiger gegenüber schriftlich erklärte, daß er die Unwirksamkeit geltend mache, wobei der Beginn der sechsmonatigen Frist an den Zugang einer Erklärung über die Abwickelung des Geschäfts geknüpft wurde, und weiterhin (Abs. 2) dann, wenn der Schuldner bei oder nach Absendung oder Empfang der in Abs. 1 bezeichneten Erklärung seine Verbindlichkeit schriftlich und ausdrücklich anerkannte. Diese Art der Regelung ist aber im späteren Entwurfe - der Grundlage des jetzigen Börsengesetzes - verlassen worden. Aus den Vorarbeiten zu § 57, die in dem schon erwähnten Urteile des Senats RGZ. Bd. 90 S. 250 dem Wortlaute nach wiedergegeben sind, ist mit Sicherheit zu entnehmen, daß eine Heilung des unverbindlichen Termingeschäftes nicht auf der Grundlage eines Anerkenntnisses oder einer Mitteilung über die Abwickelung des Geschäftes erfolgen solle, sondern daß die Heilung eine endgültige tatsächliche (effektive) Erfüllung der im Termingeschäfte versprochenen Leistung zur Voraussetzung habe.

Bei dieser Rechtslage ist es ausgeschlossen, daß der Erfolg der Heilung des unverbindlichen Termingeschäfts an jede beliebige Abwickelung des Unternehmens geknüpft sei, die die Parteien nachträglich vereinbart haben. Die Art der Ersatzleistung, die geeignet ist, die Wirkungen des § 57 herbeizuführen, kann nicht in das Belieben der Parteien gestellt sein. Als vereinbarte Leistung im Sinne dieser Vorschrift könnte es nicht gelten, daß an Stelle der ursprünglichen Leistung die Kursdifferenz zu entrichten oder daß - wie die Revisionsbeklagte meinte - ein Darlehen zu gewähren sei. Die Ersatzleistung muß vielmehr so beschaffen sein, daß sie eine tatsächliche und endgültige Erfüllung des ursprünglichen Geschäfts, wenn auch mit Modifikationen, in sich schließt. Der in Anlehnung an § 362 BGB. (Bewirkung der geschuldeten Leistung) geschaffene § 57 BörsG. setzt eine Vermögensverschiebung voraus; reine Buchungen und Beurkundungen ohne tatsächliche Leistung genügen nicht. Das ursprüngliche Geschäft muß wenigstens nach seinem wesentlichen Inhalte tatsächlich erfüllt sein. Es muß eine solche tatsächliche Leistung vorliegen, die der Erfüllung des Termingeschäfts in wirtschaftlicher Hinsicht gleich zu achten ist. Die Anwendbarkeit des § 57 ist ausgeschlossen, wenn die später vereinbarte Leistung die Erfüllung des ursprünglichen Geschäfts unberührt läßt.

Hier ist das ursprüngliche Termingeschäft nicht zur tatsächlichen Erfüllung gekommen. Die für den Beklagten gekauften Papiere sind ihm von der Klägerin nicht geliefert worden. Die Klägerin hat sie lediglich, sei es ohne Prolongation des Geschäfts oder nach einer solchen, im Auftrage des Beklagten verkauft und ihm berechnet. Diese Art der Abwickelung des Geschäfts ließ aber die Erfüllung des Termingeschäfts vollständig unberührt. Sie enthielt nur eine die Erfüllung gerade vermeidende Glattstellung. Hiernach fehlt es, wie jetzt schon endgültig auszusprechen ist, an den Voraussetzungen des § 57. Die zwischen den Parteien geschlossenen Termingeschäfte sind daher unverbindlich."