RG, 06.11.1917 - VII 259/17
Wird durch Versäumung der in § 41 KO. bestimmte einjährigen Ausschlußfrist das Anfechtungsrecht des Einzelgläubigers mitbetroffen?
Tatbestand
Die Philipp B. Eheleute in N.-R. verkauften 1908 und 1909 an ihren Sohn Peter B. und dessen Frau eine Anzahl von Grundstücken in der Gemarkung N.-R. Der Verkäufer Philipp B. starb am 25. Januar 1910. Nachdem am 5. Dezember 1910 über seinen Nachlaß der Konkurs eröffnet war, meldete der Spar- und Kreditverein e. G. m. u. H. zu N.-R. am 20. Dezember eine Forderung an, die in Höhe von 75.000 M anerkannt und festgestellt wurde, aber nur zum Teil Deckung fand und mit einem Restbetrag ausfiel. Am 3. September 1912 wurde das Konkursverfahren eingestellt.
Der Kläger als Verwalter des über das Vermögen des Spar- und Kreditvereins eröffneten Konkurses focht mit der Anfang November 1914 bei Gericht eingereichten Klage die erwähnten Kaufverträge und die mit ihnen zusammenhängenden Rechtshandlungen wegen Gläubigerbenachteiligung an. Die Klage wurde jedoch als verspätet abgewiesen; seine Berufung hatte keinen Erfolg. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache in die Instanz.
Aus den Gründen
... "Der am 5. Dezember 1910 über den Nachlaß des Schuldners Philipp B. eröffnete Konkurs fand am 3. September 1912 durch Einstellung des Verfahrens sein Ende. Erst später, im November 1914, wurde die vorliegende Anfechtungsklage erhoben. Der Verwalter im Nachlaßkonkurse hatte seinerseits die Erhebung einer Anfechtungsklage unterlassen; mit Recht folgert hieraus der Berufungsrichter, daß das Anfechtungsrecht des Konkursverwalters infolge Ablaufs der in § 41 KO. gesetzten, mit der Eröffnung des Konkursverfahrens beginnenden einjährigen Ausschlußfrist untergegangen sei. Der Berufungsrichter zieht daraus aber weiter den Schluß, daß der Ablauf dieser Frist auch das Anfechtungsrecht des Klägers als Einzelgläubigers zum Erlöschen gebracht habe. Er bemerkt in dieser Hinsicht zunächst zutreffend, es könne sich nur noch um eine Anfechtung nach § 2 Nr. 1 AnfG. handeln, da die in § 3 Nr. 3 und 4 bestimmten Ausschlußfristen auch unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 13 Abs. 4 AnfG. zur Zeit der Erhebung der Klage abgelaufen gewesen seien. Nach § 36 KO. werde, so führt er weiter aus, das Anfechtungsrecht wahrend des Konkurses vom Konkursverwalter ausgeübt, und zwar als Vertreter und im Namen sämtlicher Konkursgläubiger, deren gemeinschaftliches Recht es sei. Deshalb bringe die Nichteinhaltung der einjährigen Ausschlußfrist des § 41 KO. das Anfechtungsrecht zum Untergang, und zwar nicht nur dem Konkursverwalter sondern allen Konkursgläubigern gegenüber, ebenso wie dies durch Verzicht des Konkursverwalters, durch Vergleich mit ihm oder durch einen von ihm erklärten Erlaß geschehe. Nach § 13 Abs. 4 AnfG. könne der aus § 41 KO. hergeleitete Einwand der Klage des Klägers entgegengesetzt werden und sei sogar von Amts wegen zu berücksichtigen. Diese Auffassung finde in den Motiven zum AnfG. (S. 32) Bestätigung. Wenn in § 13 Abs. 4 AnfG. bestimmt werde, daß nach der Beendigung des Konkursverfahrens Anfechtungsrechte, deren Ausübung dem Konkursverwalter zustand, von den einzelnen Gläubigern nach Maßgabe dieses Gesetzes verfolgt werden können, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Verwalter erlangt wurden, so seien, wie sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergebe, unter"Einreden" nicht nur Einreden im engeren Sinne zu verstehen, sondern auch Einwendungen anderer Art, insbesondere die stärker als bloße Einreden wirkende Einwendung der Erlöschung des Rechtes durch Ablauf der Ausschlußfrist. Aus den Motiven zu § 34 des Entwurfs der KO. gehe nicht hervor, daß § 34 (41) nur für das Konkursverfahren gelten solle. Es sei nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber im Konkurse die Anfechtung nur während eines Jahres, nachher aber noch zehn Jahre lang habe zulassen wollen, da ein wesentlicher Grund für die Bestimmung jener kurzen Ausschlußfrist der gewesen sei, für den Teilnehmer an den Rechtshandlungen Klarheit zu schaffen und ihn nicht für lange Zeit in Ungewißheit über ihre Gültigkeit zu lassen. Der Umstand endlich, daß bei einem über ein Jahr hinaus dauernden Konkurse dem einzelnen Gläubiger das Anfechtungsrecht ganz genommen würde, wenn der Konkursverwalter es nicht ausgeübt habe, stehe nicht entgegen, da der Verwalter genügend Zeit gehabt habe, sich über die Anfechtungsklage schlüssig zu machen, darin auch von dem Einzelgläubiger unterstützt werden könne und sich bei Versäumung der Frist unter Umständen den Gläubigern gegenüber regreßpflichtig mache.
Bei diesen Ausführungen ist nicht genügend Rücksicht genommen auf das Verhältnis, in dem die beiden in Betracht kommenden Gesetze, die Konkursordnung und das Anfechtungsgesetz, zueinander stehen. Die Konkursordnung regelt die Anfechtung im Konkurse; daneben hat die Anfechtung außerhalb des Konkurses im Anfechtungsgesetz ihre besondere Regelung erfahren. Für die Dauer des Konkursverfahrens gelangt freilich das Anfechtungsrecht der einzelnen Gläubiger in die Hand des Verwalters, bei zu dessen Ausübung allein berufen ist (§ 36 KO.). Keineswegs aber geht das Anfechtungsrecht des Einzelgläubigers mit der Eröffnung des Konkurses unter, sondern es bleibt bestehen und kann nach der Beendigung des Konkursfahrens verfolgt werden, allerdings nur soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Konkursverwalter erlangt sind (§ 13 AnfG.). Beide Gesetze enthielten ursprünglich Bestimmungen über die Verjährung des Anfechtungsanspruchs; an deren Stelle ist später die Festsetzung entsprechender Ausschlußfristen getreten. Aber diese Bestimmungen stehen selbständig nebeneinander. Nach § 41 KO. kann die Anfechtung im Konkurse nur binnen Jahresfrist seit der Eröffnung des Verfahrens erfolgen. Dagegen ist in § 12 AnfG. für die Anfechtung der nach § 3 Nr. 1 anfechtbaren Rechtshandlungen eine zehnjährige Frist gesetzt worden. Das rechtfertigt die Annahme, daß die in § 41 KO. getroffene, für die Anfechtung im Konkurse maßgebende Fristbestimmung die Anfechtung außerhalb des Konkurses nicht berührt, eben weil für diese im Anfechtungsgesetze besondere Bestimmungen getroffen sind.
Eine Bestätigung findet diese Auffassung darin, daß hinsichtlich der in § 3 Nr. 2 bis 4 AnfG. erwähnten Anfechtungsfälle in § 13 Abs. 4 vorgeschrieben ist, die in § 3 Nr. 2 bis 4 bestimmte Frist solle, falls die Anfechtung nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt war, von diesem Zeitpunkte berechnet werden, sofern die Anfechtung bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Konkursverfahrens erfolge. Denn hier wird eine Unterscheidung danach, ob der Konkursverwalter seinerseits angefochten hat oder nicht, überhaupt nicht getroffen, die Vorschrift gilt mithin auch dann, wenn er von seinem Anfechtungsrechte keinen Gebrauch gemacht hatte; das Gesetz legt hier auf die Frage, ob die Anfechtung durch den Verwalter erfolgt war oder nicht, überhaupt keinen Wert. Wenn dies über für die Fälle des § 3 Nr. 2 bis 4 AnfG. zutrifft, kann das Recht der Einzelanfechtung im Falle des § 3 Nr. 1 nicht wohl durch den Ablauf der Frist des § 41 KO. berührt werden. Der Erwägung des Berufungsrichters, der Grund für die Bestimmung einer einjährigen Ausschlußfrist in § 41 KO. sei der gewesen, dem Teilnehmer an der anfechtbaren Rechtshandlung Klarheit zu verschaffen und ihn nicht für lange Zeit in Ungewißheit über ihre Gültigkeit zu lassen, ist entgegenzuhalten, daß dieser Grund auf die im Anfechtungsgesetz, namentlich in dessen § 12 getroffenen Fristbestimmungen nicht paßt und insbesondere dann versagt, wenn die Einzelanfechtung schon vor bei Konkurseröffnung erfolgt war, der Anfechtungsgegner mithin davon, daß er dem Anfechtungsanspruch eines einzelnen Gläubigers gegenüberstehe, schon vorher Kenntnis erlangt hatte. Nur über die Entschließung des Konkursverwalters, ob er sein Anfechtungsrecht ausüben wolle oder nicht, soll nach der vom Berufungsrichter angezogenen Begründung des Gesetzes der Anfechtungsgegner nicht über ein Jahr hinaus in Unkenntnis gelassen werden.
In Übereinstimmung mit den Motiven zu § 34 des Entwurfs der Konkursordnung sowie mit der herrschenden Lehre (vgl. dazu Jaeger, Anfechtungsgesetz § 13 Anm. 28) ist hiernach der Ansicht, daß die Versäumung der in § 41 KO. gesetzten Frist eine dem Anfechtungsrechte des Einzelgläubigers entgegenstehende Einrede im Sinne des § 13 Abs. 4 AnfG. nicht begründe, vor der gegenteiligen Meinung der Vorzug zu geben." ...