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RG, 23.10.1917 - III 182/17

Daten
Fall: 
Darlegungs- und Beweislast
Fundstellen: 
RGZ 91, 42
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.10.1917
Aktenzeichen: 
III 182/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Berlin
  • Kammergericht Berlin

1. Darlegungs- und Beweislast wegen der Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Börsentermingeschäften.
2. Spielnatur von Kassegeschäften
3. Genügt die formularmäßige Mitteilung "die vorstehend bezeichneten Wertpapiere haben wir Ihrem Depot beigefügt" in einer die Papiere nur nach ihrem Gesamtwerte bezeichnenden Ausführungsanzeige der mit dem Einkaufe beauftragten Bank als Ausdruck dafür, daß die Bank die ihr obliegende Leistung im Sinne des § 57 des Börsengesetzes bewirkt habe?

Tatbestand

Der Kläger stand vom 1. April 1911 bis Anfang November 1911 mit der beklagten Bank in Geschäftsverbindung behufs Abschlusses von Börsentermingeschäften und Kassengeschäften in Wertpapieren. Er überließ der Beklagten bei Beginn der Geschäftsvereinbarung 13.844,31 M bar und 92.658,90 M in Wertpapieren, hob 7.234,15 M ab und erhielt schließlich nach der von ihr aufgestellten Schlußabrechnung noch etwa 6.000 M ausbezahlt. Mit der Klage verlangte er die Erstattung von 93.269,06 M oder doch wenigstens 40.000 M, indem er der Beklagten falsche Beratung und Verleitung zum Börsenspiele vorwarf, in der Berufungsinstanz auch aus dem Grunde, weil die Geschäfte als Börsentermin- und Spielgeschäfte unwirksam seien, das der Beklagten überlassene Kapital daher nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzugewähren sei. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Revision, die nur den Klaggrund der ungerechtfertigten Bereicherung aufrechthielt, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

"Das Berufungsgericht weist den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus dem Grunde ab, weil der Kläger trotz der Aufforderungen vom 10. Juni und 18. Oktober 1915 die Klage nach dieser Richtung nicht ausreichend begründet habe. Allein der Beschluß vom 10. Juni 1915 war nichts weiter als ein dem eigenen Verlangen des Klägers entsprechendes Anheimstellen der näheren Begründung. Die Verfügung vom 18. Oktober 1915 aber beruht auf einer rechtsirrigen Beurteilung der Sachlage, insbesondere auf einer Verkennung der Beweislast. In dieser Verfügung wurde dem Kläger aufgegeben, darzulegen, welche Börsentermingeschäfte zugelassene und nicht zugelassene Wertpapiere betrafen, und welche Geschäfte verboten waren. Nach § 52 Börs.G. sind aber Börsentermingeschäfte, die nicht verboten sind, nur nach Maßgabe der §§ 53 bis 56 wirksam. Es war daher gegebenenfalls Sache der Beklagten, die sich auf die Wirksamkeit der Geschäfte beruft, darzulegen, daß und aus welchen Gründen sie nach diesen Bestimmungen wirksam waren, wenn nicht schon der gegebene Sachverhalt für die vom Gerichte von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Rechtswirksamkeit der Geschäfte ausreichte. Aufgabe der Beklagten war es namentlich, die Voraussetzungen der §§ 54 flg. BörsG. darzutun, auch, daß es sich um nicht verbotene Geschäfte, und zu § 58, daß es sich um zugelassene Wertpapiere handelte. Daraus, daß der Kläger der an ihn gerichteten Aufforderung nicht nachgekommen war, durfte das Berufungsgericht daher eine ihm nachteilige Folge nicht ableiten. Da auch Kassegeschäfte in Frage kamen, war es allerdings Sache des Klägers, zur Begründung seines Anspruchs nötigenfalls anzugeben, welche Geschäfte auf Zeit abgeschlossen und welche Kassegeschäfte waren. Es kann aber nicht anerkannt werden, daß nach Lage der Sache eine weitere Aufklärung durch den Kläger nötig war. Das Berufungsgericht scheint sie selbst nicht für erforderlich gehalten zu haben. Es würde sonst die Aufforderung vom 18. Oktober 1915 nicht auf Börsentermingeschäfte beschränkt, sondern vor allem gefragt haben, welche Geschäfte Termingeschäfte und welche Kassegeschäfte gewesen seien. Eine etwa noch nötige Aufklärung in diesem Punkte hätte sich auf Grund des vom Kläger vorgelegten oder doch in Bezug genommenen Beweisstoffes durch Befragung der Parteien lösen lassen. Der Kläger hatte schon mit der Berufungsbegründung die Abschlüsse und Abrechnungen beigebracht. Die Beklagte legte die Kaufs- und Verkaufsaufträge des Klägers, nach Termins- und Kassegeschäften geschieden, vor. Auch diese Urkünden waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung; denn der Tatbestand des Berufungsurteils hebt hervor, daß ihre Echtheit nicht bestritten wurde. Unter diesen Umständen und gegenüber der bestimmten Behauptung des Klägers, daß die sämtlichen Geschäfte, sei es als Börsentermingeschäfte, sei es als Spielgeschäfte, unwirksam seien, durfte sich das Berufungsgericht, wenn es seiner prozessualen Aufgabe gerecht werden wollte, nicht mit der Erklärung begnügen, daß für den Kläger nichts weiter angeführt werden solle. Es hätte vielmehr auf die einzelnen Geschäfte eingehen müssen. Die nach dieser Richtung gehende Revisionsbeschwerde ist daher begründet.

Was das Berufungsgericht über die Wirksamkeit der Geschäfte ausführt, kann die Entscheidung schon deshalb nicht stützen, weil diese Ausführungen nicht erschöpfend sind und es nach ihrem Inhalt auch nicht sein sollen. Sie beruhen aber auch, was mit Rücksicht auf die weitere Behandlung der Sache hervorgehoben werden muß, auf Rechtsirrtum. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß Kassegeschäfte Spielgeschäfte sein können, bemerkt aber, daß Anzeichen, wie sie der Kläger vorgetragen habe, insbesondere die Unzulänglichkeit seines Vermögens, die Eignung der Wertpapiere als Spielpapiere und die baldige Weiterveräußerung von Papieren, bei Kassegeschäften "unbeachtlich'" seien. Das ist rechtsirrig. Wenn auch gewisse Umstände beim Kassegeschäft im Gegensatz zum Zeitgeschäfte nicht genügen, um die Spielnatur dieser Geschäfte zu erweisen, so kann man sie doch nicht als unbeachtlich bezeichnen. Ob es sich um ernstlichen Kauf und Verkauf oder nur um Spiel handelte, ist nach der Gesamtheit der Umstände, wozu auch die vom Berufungsgerichte hervorgehobenen gehören, zu beurteilen. Auch diese Umstände müssen daher mitberücksichtigt werden.

Bezüglich der Börsentermingeschäfte befaßt sich das Berufungsgericht im wesentlichen nur mit der Anwendung des § 57 BörsG. Es findet in der in den Ausführungsanzeigen der Beklagten enthaltenen Erklärung: "die vorstehend bezeichneten Wertpapiere haben wir Ihrem Depot beigefügt" den Ausdruck dafür, daß die Beklagte ihrerseits die ihr obliegende Leistung bewirkt habe. Die Bewirkung der vereinbarten Leistung besteht aber grundsätzlich darin, daß der Verkäufer oder Kommissionär die Wertpapiere dem Käufer oder Kommittenten übereignet, sie also dem letzteren aushändigt oder doch für ihn in Verwahrung nimmt (§ 433 BGB., RGZ. Bd. 87 S. 224). Daß dies geschehen, dafür bietet der fragliche formularmäßige Vermerk über die in den Anzeigen nur nach dem Gesamtnennwerte bezeichneten Papiere keine Gewähr. Es kann sich dabei auch um reine Buchungen handeln. Der Kläger selbst hatte behauptet, daß die Beklagte die angeblich angeschafften Papiere niemals besessen habe. Damit entfallen auch die Ausführungen über das Einverständnis des Klägers. Diese Ausführungen sind aber auch sonst rechtsirrig. Der erkennende Senat hat wiederholt, so auch in RGZ. Bd. 90 S. 250, ausgesprochen, daß die Anerkennung eines Saldos, einer Rechnungslegung nicht genügt, um ein Einverständnis im Sinne des § 57 darzutun. Auch die Vorgänge, die nach der Ansicht des Berufungsgerichts auf ein vertragsmäßiges Anerkenntnis des Rechnungsabschlusses hindeuten, lassen sich daher nicht im Sinne eines solchen Einverständnisses verwerten. Die Voraussetzungen des § 57 müssen streng aufgefaßt werden, wenn sein Zweck erreicht werden soll. Kann daher auch eine stillschweigende Willenserklärung genügen, so muß doch das Verhalten des Vertragsgegners erkennen lassen, daß er mit der einzelnen Leistung, so wie sie tatsächlich erfolgte, einverstanden war. Das Einverständnis muß sich aus den das einzelne Geschäft betreffenden Vorgängen ergeben (RGZ. Bd. 87 S. 221). Der Hinweis des Berufungsgerichts endlich, daß der Kläger trotz Aufforderung nicht dargelegt habe, in welchem Umfang und wann verbotene Geschäfte abgeschlossen worden seien, beruht auf der schon erörterten Verkennung der Beweislast."