RG, 10.10.1917 - V 159/17

Daten
Fall: 
Fiduziarische Übereignung eines mit einer Hypothek belasteten Grundstückes
Fundstellen: 
RGZ 91, 12
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.10.1917
Aktenzeichen: 
V 159/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Koblenz
  • OLG Cöln

1. Hindert die fiduziarische Übereignung des mit einer Hypothek belasteten Grundstücks den Hypothekengläubiger, außer abgesonderter Befriedigung aus dem Grundstücke zugleich volle, verhältnismäßige Befriedigung aus der Konkursmasse des persönlichen Schuldners zu suchen, der die Hypothek bestellt und demnächst die Eigentumsübertragung vorgenommen hatte?
2. Begriff und Erfordernisse des Treuhandverhältnisses.

Gründe

... "Die Vorinstanzen gehen in rechtlich bedenkenfreier Weise übereinstimmend davon aus, daß in einem auf Grund des § 209 KO. über das Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft eröffneten Konkursverfahren das Gesellschaftsvermögen eine selbständige Vermögensmasse bildet, die das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafter nur insoweit ergreift, als es zu dem Gesellschaftszwecke vereinigt und für Zwecke der Gesellschaft gebunden ist; daß dagegen das nicht in dieser Weise gebundene Privatvermögen der Gesellschafter nicht zur Konkursmasse des über das Gesellschaftsvermögen eröffneten Konkurses gehört, und daß daran auch dadurch nichts geändert wird, daß Vermögensgegenstände (Grundstücke), die zum Privatvermögen der Gesellschafter gehören, für Forderungen gegen die Gesellschaft verpfändet (hypothekarisch belastet) werden. Die Vorinstanzen nehmen ferner rechtlich zutreffend an, daß, wenn über das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft und über das Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter Konkurs eröffnet ist, die Gläubiger der Gesellschaft auf Grund des § 68 KO. bis zu ihrer vollen Befriedigung in jedem Verfahren den Betrag geltend machen dürfen, den sie zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern haben, und daß die in § 64 angeordnete Beschränkung auf verhältnismäßige Befriedigung für den Ausfall nur dann Platz greift, wenn dem Gläubiger an einem zur Konkursmasse gehörigen Vermögensstück ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zusteht, was bei einem zum Privatvermögen der Gesellschafter gehörigen, wenn auch für Gesellschaftsschulden verpfändeten Grundstück im Verhältnis zum Gesellschaftskonkurse nicht zutrifft (vgl. RGZ. Bd. 7 S. 88, Bd. 52 S. 170). Insoweit sind von der Revision Angriffe gegen die Ausführungen des Berufungsrichters nicht erhoben worden.

Dagegen greift die Revision die Annahme des Berufungsrichters, daß die Grundstücke, die der Beklagten zur Hypothek gestellt sind und an denen sie ein Recht auf abgesonderte Befriedigung geltend gemacht hat, nicht zur Konkursmasse der Gesellschaft gehört haben, als prozeßwidrig und rechtsirrig an. Der Berufungsrichter hat seine Annahme mit der Ausführung begründet, die Grundstücke seien nicht auf den Namen der Gesellschaft, sondern auf den Namen der beiden Gesellschafter Ferdinand und Heinrich W. eingetragen und gehörten also "nach der hier nicht widerlegten Vermutung des § 891 BGB." diesen letzteren und nicht der Gesellschaft. Er hat im übrigen auf die Gründe des Landgerichts Bezug genommen, welches noch ausgeführt hatte, der Kläger behaupte durch seine Aufstellung, daß die Grundstücke ungeachtet ihrer Eintragung auf den Namen der Gesellschafter Eigentum der Gesellschaft seien, die Unrichtigkeit des Grundbuchs und müsse daher mit Rücksicht auf die Vermutung des § 891 BGB. und den zugunsten der Beklagten sprechenden öffentlichen Glauben des Grundbuchs gemäß § 892 BGB. mangels eines eingetragenen Widerspruchs beweisen, daß der Beklagten die Unrichtigkeit des Grundbuchs bekannt war. Er berufe sich nun zum Beweise seiner Behauptung darauf, daß die Grundstücke in den Bilanzen der Gesellschaft, welche die Beklagte stets erhalten und geprüft habe, als Geschäftsvermögen eingestellt worden seien, während andere Vermögensstücke, wie z. B. die Mitgift der Ehefrau des Mitinhabers Heinrich W., nicht als Aktiva oder Passiva des Geschäfts in der Bilanz erschienen. Der Inhalt der Bilanzen sei jedoch gegenüber dem Inhalte des Grundbuchs ohne ausschlaggebende Bedeutung, da die Bilanzen keinen öffentlichen Glauben besäßen und ihr Inhalt auch zur Täuschung berechnet sein könne, während für die Beklagte allein habe bestimmend sein müssen, wen das Grundbuch als Eigentümer auswies.

Der Revision muß zugegeben werden, daß diese Ausführungen der Vorinstanzen nicht durchweg frei von Rechtsirrtum sind. Für die Frage, ob ein Vermögensgegenstand im Sinne der §§ 1, 43 KO. zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens dem Gemeinschuldner und damit zur Konkursmasse "gehört", ist das Bestehen oder Nichtbestehen eines formellen Eigentums des Gemeinschuldners an dem Gegenstande nicht unbedingt maßgebend. Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß ein Aussonderungsanspruch hinsichtlich solcher Vermögensgegenstände bestehe, die zwar formell im Eigentum des Gemeinschuldners stünden, materiell und wirtschaftlich aber nicht zu seinem Vermögen gehörten, sondern ihm nur auf Grund eines fiduziarischen Verhältnisses als Treuhänder für einen anderen von diesem übereignet worden seien, und es beruht auf dem gleichen Rechtsgedanken, daß auch außerhalb eines Konkursverfahrens im Falle des Bestehens eines solchen Treuhandverhältnisses der Treuhandgeber der Pfändung des Vermögensgegenstandes durch einen Gläubiger des Treuhänders im Wege der Widerspruchsklage entgegentreten kann. Vgl. RGZ. Bd. 45 S. 80, Bd. 79 S. 121; Rep. I. 143/90 vom 18. Juni 1890 (Jur. Wochenschr. S. 373). Das Reichsgericht hat ferner wiederholt ausgesprochen, daß anderseits auch ein von dem Gemeinschuldner einem anderen zu treuen Händen, namentlich zur Sicherung einer Forderung übereigneter Vermögensgegenstand materiell und wirtschaftlich zum Vermögen des Gemeinschuldners gehört und somit als Bestandteil der Konkursmasse anzusehen ist, und daß deshalb die beschränkende Vorschrift des § 64 KO., die auch hier in Frage steht, zur Anwendung kommen muß, wenn ein Konkursgläubiger aus einem solchen Gegenstand abgesonderte Befriedigung betreibt und außerdem anteilige Befriedigung aus der Konkursmasse verlangt. Vgl. RGZ. Bd. 24 S.45; ferner Rep. VII. 409/07 vom 19. Oktober 1909 (Jur. Wochenschr. 1910 S. 29) und Rep. VII. 510/14 vom 23. März 1915 (Recht Nr. 2588).

Diese Grundsätze werden auch Anwendung finden müssen, wenn Gegenstand des Treuhandverhältnisses ein Grundstück ist, das im Grundbuch auf den Namen des Treuhänders eingetragen steht, und von einem Dritten eine an diesem Grundstück erworbene Hypothek zur abgesonderten Befriedigung geltend gemacht, zugleich aber die Forderung als Konkursforderung zum Konkurse des Treuhandgebers angemeldet wird. Um die Widerlegung der aus § 891 BGB. sich ergebenden Vermutung des Eigentums handelt es sich dabei nicht, und ebensowenig stehen die Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§ 892) entgegen, wie das Landgericht angenommen hat. Die rechtswirksam auf Grund des Grundbuchinhalts erworbene Hypothek bleibt von der Anwendung des § 64 KO. unberührt; bei dieser steht nur die Eigenschaft des Gläubigers als Konkursgläubiger und sein Recht auf anteilige Befriedigung als solcher in Frage. Daß es für die Anwendung des § 64 KO. nur auf die objektive Zugehörigkeit des zur abgesonderten Befriedigung dienenden Vermögensgegenstandes zur Konkursmasse, nicht aber auf den guten Glauben des Gläubigers ankommt, ist für den Fall des Mobiliarpfandes vom Reichsgericht in der in Bd. 59 S. 367 abgedruckten Entscheidung bereits ausgesprochen.

Ungeachtet dieser rechtsirrigen Ausführungen ist aber die angefochtene Entscheidung des Berufungsrichters im Ergebnis zutreffend, und zwar um deswillen, weil im vorliegenden Falle auch bei Zugrundelegung der vom Kläger geltend gemachten, für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Behauptungen ein Treuhandverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern hinsichtlich der in Frage stehenden Grundstücke nicht als gegeben erscheint. Von einem Treuhandverhältnis im Rechtssinne kann, wie das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen hat, nur in solchen Fällen die Rede sein, in denen der eine (Treuhandgeber) einen bisher auch rechtlich zu seinem Vermögen gehörenden Gegenstand einem anderen (dem Treuhänder) zu treuen Händen übereignet hat, so daß das Treugut zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich aus seinem Vermögen ausgeschieden ist. Dagegen hat das Reichsgericht die Annahme eines Treuhandverhältnisses abgelehnt in solchen Fällen, in denen jemand einen Gegenstand lediglich für Rechnung und im Interesse eines anderen als stiller Stellvertreter für diesen von einem Dritten erworben hatte, so daß dem anderen ein schuldnerischer Anspruch auf Übereignung des Gegenstandes an ihn zustand. Vgl. Rep. VII. 79/09 vom 15. Oktober 1909 (Gruchot Bd. 54 S. 626); Rep. V. 32/1915 vom 29. Mai 1915 (Leipz. Zeitschr. S. 1022); FtGZ. Bd. 84 S. 217.

Von dieser Rechtsprechung abzugehen, bietet der vorliegende Fall keinen Anlaß. Der Kläger behauptet nicht, daß die Grundstücke jemals Eigentum der Gesellschaft gewesen und von dieser den Gesellschaftern zu treuen Händen übereignet worden seien. Seine Behauptungen gehen vielmehr lediglich dahin, daß die Grundstücke durch Akt vor Notar Z. vom 27. Juni 1910 von der Witwe und den Kindern W., auf deren Namen (nicht auf den der Gesellschaft) sie bis dahin eingetragen standen, auf die nunmehrigen alleinigen Gesellschafter, Ferdinand und Heinrich W., zu Eigentum übertragen worden seien. Durch eine solche Übereignung von seiten Dritter (wenn sie auch die bisherigen Teilhaber der Gesellschaft waren) konnte ein Treuhandverhältnis zwischen der Gesellschaft und den nunmehrigen Gesellschaftern nicht begründet werden. Auch die weiter behauptete und zu Beweis gestellte tatsächliche Behandlung der Grundstücke als Gesellschaftsvermögen und ihre Aufnahme in die Bilanzen der Gesellschaft konnte ein Treuhandverhältnis im Rechtssinne zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern nicht schaffen.

Stellt sich sonach die Voraussetzung für die Anwendung des § 64 KO., daß die Grundstücke zur Konkursmasse der Gesellschaft gehört haben, als nicht gegeben dar, so mußte die Revision zurückgewiesen werden."