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RG, 21.09.1917 - III 151/17

Daten
Fall: 
Anfechtung wegen Drohung mit einer Strafanzeige
Fundstellen: 
RGZ 90, 411
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.09.1917
Aktenzeichen: 
III 151/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Nordhausen
  • OLG Naumburg

Wann ist, insbesondere bei der Drohung mit einer Strafanzeige, das Aufhören der Zwangslage im Sinne des § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB. als gegeben anzusehen?

Gründe

... "Das Berufungsgericht stellt fest, daß die Beklagte zu dem Abschlusse des Vertrags vom 1. Mai 1912 von dem Kläger widerrechtlich durch die Drohung bestimmt worden ist, er würde Strafanzeige gegen den Vater der beiden Inhaber der verklagten Firma wegen Betrugs erstatten, wenn sie den Vertrag nicht abschlössen. Demgegenüber rügt die Revision nur die Nichtberücksichtigung des Umstandes, daß die Beklagte trotz ihrer erstinstanzlichen rücksichtslosen Beschuldigungen des Klägers erst im November 1915 mit der Anfechtung des Vertrags wegen Drohung hervorgetreten sei. Dies ist jedoch von dem Berufungsrichter nicht übersehen worden, er würdigt ausdrücklich das späte Geltendmachen der Anfechtung. Die Richtigkeit dieser Würdigung ist von dem Revisionsgerichte nicht nachzuprüfen, da sie tatsächlicher Natur ist.

Der Hauptangriff der Revision betrifft die Frage der Rechtzeitigkeit der Anfechtung (§ 124 BGB.). Während der Berufungsrichter meint, die Zwangslage habe erst mit der Erstattung der Strafanzeige des Klägers am 31. Mai 1915 aufgehört, so daß die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 gewahrt sei, vertritt die Revision die Ansicht, die Zwangslage habe schon Anfang August 1914 nicht mehr bestanden, als die Beklagte sich von dem Vertrage losgesagt habe. Auch dieser Revisionsangriff ist nicht gerechtfertigt. Ein Aufhören der Zwangslage im Sinne des § 124 Abs. 2 Satz 1 ist dann als gegeben anzusehen, wenn dem Bedrohten die Furcht vor dem angedrohten Übel benommen worden ist (RGZ. Bd. 60 S. 374), bei der Drohung mit einer Strafanzeige also dann, wenn der Bedrohte sich nicht mehr der Gefahr ausgesetzt glaubt, daß die angedrohte Strafanzeige erstattet werde. Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus, der Begriff des Aufhörens der Zwangslage ist also nicht verkannt worden und ein Rechtsirrtum nicht ersichtlich; es liegt vielmehr völlig auf tatsächlichem Gebiete, wenn der Berufungsrichter annimmt, daß jener Zustand in dem vorliegenden Falle nicht schon mit dem Lossagen von dem erzwungenen Vertrag im August 1914 und der Behauptung seiner Unsittlichkeit in dem ersten Rechtszuge dieses Rechtsstreits, sondern erst mit der Erstattung der Strafanzeige als eingetreten gelten könne, daß die Beklagte trotz ihres Verhaltens vor diesem Rechtsstreit und in dessen erstem Rechtszuge bis zu der Anzeige der Meinung gewesen sei, sie dürfe sich auf die Drohung nicht berufen, weil erst dadurch der Kläger zur Erstattung der Strafanzeige veranlaßt werden würde. Daß die Zwangslage stets schon dann als beendigt anzusehen sei, wenn der Bedrohte die Unwirksamkeit des erzwungenen Vertrags geltend macht, einerlei aus welchem Grunde, nimmt die Revision selbst nicht an und kann auch nicht als richtig anerkannt werden. Trotzdem sich der Bedrohte von dem Vertrage lossagt, besteht vielmehr die Zwangslage noch fort, wenn er aus Furcht vor der Verwirklichung der Drohung die Anfechtung des Vertrags wegen Drohung unterläßt."