RG, 21.06.1917 - IV 128/17
Ist der Kirchenpatron verpflichtet, zu den Kosten einer Heizungsanlage beizutragen?
Tatbestand
Im Jahre 1914 beschlossen die kirchlichen Körperschaften der klagenden Gemeinde, in der Kirche eine Zentralheizung anzulegen. Für die Anlage entstanden 11.672 M Kosten. Kirchenvermögen ist nicht vorhanden. Der preußische Staat ist Patron der Kirche und als solcher, wie die Klägerin behauptet, kraft Observanz zur Zahlung sämtlicher Baukosten verpflichtet. Er ist aber der Auffassung, daß die Kosten der neuen Heizungsanlage rechtlich der Patronatsbaulast nicht unterfallen, weil es sich nicht um eine zur Erhaltung des Kirchengebäudes notwendige bauliche Maßnahme handle. Die Kirchengemeinde hat daher Klage erhoben und beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 11.672 M zu verurteilen.
Das Landgericht hat nach dem Klagantrag erkannt. Auf Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Gründe
"Das Berufungsgericht erkennt ausdrücklich an, daß die Baupflicht des Patrons grundsätzlich nicht auf die Erhaltung der Kirchengebäude in ihrem ursprünglichen Zustand einzuschränken sei. Es steht vielmehr im Einklänge mit den Entscheidungen des Reichsgerichts vom 16. November 1899 und 31. Januar 1907 (RGZ. Bd. 45 S. 208, Bd. 65 S. 146) auf dem Standpunkte, daß der Patron auch zu Beiträgen für Erweiterungen und Neubauten verpflichtet sein kann, wenn sich solche im Laufe der Zeit infolge einer Vermehrung der kirchlichen Bedürfnisse als unnötig erweisen. Es ist aber der Auffassung, daß sich diese Verpflichtung des Patrons nur auf bauliche Anlagen bezieht die nach Maßgabe der bestehenden gesetzlichen Vorschriften an sich in den Rahmen der dem Patron obliegenden Baulast fallen. Anderenfalls handele es sich nicht um eine Betätigung der bestehenden Patronatsbaupflicht, sondern um eine Neubegründung einer solchen, die, wie im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts zu ergänzen ist, nicht ohne das Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. §§ 569 flg., 710 ALR. II, 11) erfolgen könne. Auch diese Ansicht entspricht den in der Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannten Grundsätzen (RGZ. Bd. 5. 239. Jur. Wochenschr. 1910 S. 123 Nr. 33, S.592 Nr. 37).
Von diesen zutreffenden Gesichtspunkten ausgehend untersucht das Berufungsgericht, ob eine neuerrichtete Heizungsanlage der Patronatsbaulast unterfällt. Es führt aus:
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Obertribunals und des Reichsgerichts sei der Patron nicht verpflichtet, zu den Kosten einer neu angeschafften Orgel beizutragen. Entsprechendes müsse für eine Heizungsanlage gelten. Das hier maßgebende Allg. Landrecht lege dem Patron eine Beisteuer zur Anschaffung einer Heizungsanlage ebensowenig auf wie einen Beitrag zur Anlage neuer Orgeln, Beleuchtungsanlagen u. dgl. Alle diese Gegenstände, die in der Hauptsache dem Kultusbedürfnis zu dienen bestimmt seien, würden deshalb grundsätzlich von der Baulast des Patrons nicht betroffen. Die Baulast erstrecke sich auch nicht etwa deshalb auf sie, weil sie Zubehör oder Bestandteil des Kirchengebäudes geworden seien. Denn nur dasjenige dem Kultus gewidmete Zubehör unterliege der Baulast des Patrons, welches entweder zur Zeit der Stiftung schon solches gewesen sei und deshalb mit dem Willen des Patrons in dessen Baupflicht aufgenommen oder welches später mit seinem Willen der Kirche eingefügt und damit ebenfalls von ihm auf die Baulast übernommen sei. Zur Zeit der Patronatsstiftung sei eine Heizungsanlage in der Kirche zu Lüben unstreitig nicht vorhanden gewesen; die Notwendigkeit der jetzigen Anlage sei zwar von der Regierung als Verwaltungsbehörde gemäß §§ 708 flg. ALR. II 11 anerkannt; als Vertreterin des Patrons habe die Regierung aber in verschiedenen Schreiben die Beitragspflicht des Beklagten nachdrücklich bestritten und damit zu erkennen gegeben, daß sie "mit Bezug auf die Patronatspflicht" des Beklagten mit der Anlage nicht einverstanden sei. Unter diesen Umständen brauche der Beklagte zu den Kosten nichts beizusteuern, selbst wenn auch anerkannt werden müßte, daß die Heizungsanlage zur Aufrechterhaltung des Gottesdienstes unbedingt erforderlich gewesen sei. Ob sich die Pflicht des Beklagten anders gestalten würde, wenn die Anlage der Heizung auch aus baulichen Gründen, z. B. wegen der Trockenhaltung des Mauerwerks, sich als notwendig erwiesen hätte, bedürft nicht der Entscheidung, die die Notwendigkeit der Anlage aus diesem Grunde von der Klägerin weder dargelegt noch erwiesen sei.
Diese Begründung ist zwar nicht in allen Punkten frei von Rechtsirrtum. Im Ergebnis ist aber die Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden.
In der Rechtsprechung des Reichsgerichts sowohl wie des Obertribunals ist anerkannt, daß sich die Patronatsbaupflicht an und für sich nach den gemäß Art. 132, 170, 184 EG. z. BGB. auch jetzt noch maßgebenden §§ 42, 44, 105 ALR. I,2 auch auf das Zubehör der Kirchengebäude erstreckt. Das gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Kirchenorgel. Sie unterfällt aber nach der feststehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung der Patronatsbaulast dann nicht, wenn sie nicht von vornherein in der Kirche vorhanden war, sondern nachträglich ohne Zustimmung des Patrons neu angelegt ist. Das hat darin seinen Grund, daß das Patronat, wie das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen hat, nach seiner geschichtlichen Entwicklung kein Rechtsbegriff mit feststehendem Inhalt ist, daß ihm vielmehr bald mehr, bald weniger Befugnisse und Pflichten zukommen (vgl. § 710 ALR. Il, 11). Demgemäß kann die Patronatsstiftung (vgl. §§ 569, 570, 572, 574 das.) von vornherein eine beschränkte sein, und dies kann bezüglich der Orgel dadurch zum Ausdruck gebracht sein, daß die Kirche zunächst ohne Orgel errichtet und in Gebrauch genommen worden ist. In diesem Falle tritt die Baupflicht des Patrons in Ansehung der Orgel erst dann ein, wenn sie nachträglich mit seinem Willen zum Pertinenzstück der Kirche gemacht ist.
Striethorst Archiv Bd. 29 S. 219 - Entsch. des Obertrib. Bd. 38 S. 274; Striethorst Archiv Bd. 86 S. 88; Urteile des Reichsgerichts vom 12. Februar 1880, Gruchots Beitr. Bd. 24 S. 1047, vom 2. April 1900, daselbst Bd. 44 S. 977 und Jur. Wochenschr. 1900 S. 423; 2. Juni 1902, Jur. Wochenschr. 1902 S. 406 Nr. 60, vom 14. März 1910. Gruchot Bd. 54 S. 881 und Jur. Wochenschr. 1910 S. 466.
Es kann dem Berufungsgericht rechtlich nicht entgegengetreten werden, wenn es diese hinsichtlich der Orgel aufgestellten Grundsätze auch auf die hier in Rede stehende Heizungsanlage zur Anwendung gebracht hat. Denn bezüglich des tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisses beider zum Kirchengebäude bestehen, abgesehen von dem hier ausscheidenden Falle, daß die Heizungsanlage der Erhaltung des Gebäudes selbst dient, wesentliche Unterschiede nicht. Daß die Heizungsanlage wider den Willen des Patrons zum Zubehör der Kirche gemacht ist, hat das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei festgestellt.
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1908 (Entsch. Bd. 53 S. 266) kann der Revision nicht zur Stütze dienen. Denn sie entscheidet nur die Frage, ob die Kirchengemeinde, die, anders wie der Patron, für alle Kultusbedürfnisse aufzukommen hat, auch die Kosten der Heizung und Beleuchtung tragen muß. Mit Recht hat endlich das Berufungsgericht ausgeführt, daß die Klägerin sich für ihre Ansicht nicht auf das Urteil des RG. vom 12. Oktober 1906 III. 67/06 berufen könne. Abgesehen davon, daß in jenem Urteile gemeines Kirchenrecht zur Anwendung kam, wird dort die Beitragspflicht nicht etwa aus gesetzlichen Vorschriften hergeleitet. Sie ist vielmehr für begründet erachtet worden auf Grund des besonderen Rechtstitels der unvordenklichen Verjährung, indem für erwiesen erachtet war, daß der beklagte Patron von jeher für alle Kultuskosten, die sich als notwendig herausstellten, welcher Art sie auch immer sein mochten, aufgekommen war. Läge die Sache in unserem Falle ebenso, so würde der Patron auch nach NLR. (§ 710 II, 11, unter Umständen auch nach § 574) verpflichtet sein, zu den Kosten der Heizungsanlage beizutragen."