RG, 21.06.1920 - VI 37/20

Daten
Fall: 
Beschwerde gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts
Fundstellen: 
RGZ 99, 160
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.06.1920
Aktenzeichen: 
VI 37/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • OLG Hamburg

1. Gibt es gegen die nach § 59 Abs. 2 RAO. ergehenden Beschlüsse des Oberlandesgerichts eine Beschwerde?
2. Ist auf diese Beschlüsse das Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbar?

Tatbestand

Beide Fragen wurden verneint und die Beschwerde gegen einen Beschluß des Oberlandesgerichts, der einen Beschluß der Hanseatischen Anwaltskammer über Erhebung eines Zwangsbeitrags zur Hilfskasse für Deutsche Rechtsanwälte in Leipzig für gesetzmäßig erklärte, als unzulässig verworfen.

Gründe

"Daß die Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung selbst eine Beschwerdeinstanz für die nach § 59 Abs. 2 ergehenden Beschlüsse nicht vorsehen, ist anscheinend bisher noch nicht bezweifelt worden (vgl. Verf. des preuß. Justizministers vom 9. Juni 1882; Jur. Wochenschr. 1882 S. 185; Seuff. Arch. Bd. 59 Nr. 210 S. 372; Friedländer. Komm, z. RAO. § 59 Anm. 20). Auch der Beschwerdeführer selbst scheint es nicht in Zweifel ziehen zu wollen. Er hält aber dafür, daß es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit handle, auf die § 19 Abs. 1 FGG. zutreffe. Dem kann indessen nicht beigetreten werden. Die in der Rechtsanwaltsordnung getroffene Regelung der Verhältnisse der Rechtsanwaltschaft gehört in das Gebiet der Organisation der Rechtspflege, von der sie einen Teil bildet; ihrem Inhalte nach gehören ihre Vorschriften, indem sie jenem Zwecke dienen, überwiegend und jedenfalls zu dem hier in Frage kommenden Teile, wo es sich um die Ausgestaltung, Zuständigkeit und Betätigung eines Organs der Standesvertretung handelt, dem öffentlichen Rechte an. Demgegenüber ist die der freiwilligen Gerichtsbarkeit eigentümliche Aufgabe, den Privaten bei der Gestaltung ihrer Privatrechtsverhältnisse förderlich zu sein (RGZ. Bd. 94 S. 175),1 völlig anderer Wesensart. Die für dieses Gebiet der Gerichtsbarkeit gegebenen Verfahrensvorschriften würden daher eine Übertragung auf das Gebiet der Rechtsanwaltsordnung nur dann ertragen, wenn solches ausdrücklich vorgeschrieben wäre. Übrigens wäre die Annahme des Beschwerdeführers auch mit den geltenden Zuständigkeitsvorschriften des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit unvereinbar: Danach ist (§ 19 Abs. 2) das Landgericht berufen, über die Beschwerde zu entscheiden; über die weitere Beschwerde (§ 28 Abs. 1) entscheidet das Oberlandesgericht; das Reichsgericht soll mit Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur im Rahmen des § 28 Abs. 2 (vgl. RGZ. Bd. 48 S. 15) befaßt sein. Die Möglichkeit, daß schon die erste Entscheidung bei dem Oberlandesgericht ergeht, ist danach gar nicht vorgesehen."

  • 1. Amtl. Anm.: Vgl. Stein, ZPO. Vorbem. Ill vor § 1; Hellwig, System Bd. 1 § 21 II; Schneider, FGG. S. XllI. Schlegelberger, FGG. § 1 Anm. 6.