RG, 12.06.1917 - III 36/17

Daten
Fall: 
Pauschvergütung statt Reisekosten
Fundstellen: 
RGZ 90, 314
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
12.06.1917
Aktenzeichen: 
III 36/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Dortmund
  • OLG Hamm

1. Ist in Preußen der Oberlandesgerichtspräsident zur Vereinbarung einer Pauschvergütung an Stelle der gesetzlichen Reisekosten befugt?
2. Unter welchen Voraussetzungen ist der Staat zur Rückforderung überhobener Reisekosten und zur Einbehaltung des Gehalts behufs Tilgung dieses Rückforderungsanspruchs befugt?

Tatbestand

Der Oberlandesgerichtspräsident in H. erteilte dem Kläger nach dessen Einverständniserklärung am 27. März 1915 "infolge Ermächtigung des Herrn Justizministers" schriftlich den Auftrag, vom 1. April 1915 ab für die Dauer der Einberufung des Amtsrichters M. zum Heeresdienste die Richterstelle bei dem Amtsgericht in V. neben seinen Dienstgeschäften bei dem Amtsgericht in A. mitzuverwalten, und fügte hinzu: "An Stelle der gesetzlichen Reisekosten erhalten Sie hierfür eine Pauschvergütung von monatlich 100 M". Auf Grund dieser Verfügung verwaltete der Kläger die Richterstelle in V. bis zum 10. November 1915 und erhielt bis zum 1. November 1915 die Pauschvergütung von zusammen 700 M vorbehaltslos ausgezahlt. Die Zahlung dieser Vergütung in Höhe von 33,33 M für die Tage vom 1. bis 10. November wurde ihm verweigert, weil er in dieser Zeit nur 2 Reisen von A. nach B. ausgeführt und dafür nur die gesetzlichen Reisegebühren mit 22,16 M zu beanspruchen habe. Seine Beschwerde wurde von dem Justizminister ablehnend beschieden und ihm zugleich eröffnet, daß die Wiedereinziehung der in den 7. Monaten vom 1. April bis Ende Oktober 1915 zu viel gezahlten Reisekostenbeträge in Höhe von 298,96 M angeordnet sei; statt der 700 M habe er für 38 Dienstreisen nur die gesetzlichen Reisekosten von 421,04 M zu beanspruchen. Der Betrag von 278,99 M wurde daraufhin von seinem Gehalte, das 7.200 M jährlich beträgt, einbehalten.

Der Kläger beansprucht jetzt die Zahlung der 33,33 M und der 278,96 M. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Oberlandesgericht die Klage, soweit mehr als 22,16 M gefordert sind, abgewiesen. Die Revision des Klägers ist zurückgewiesen worden.

Gründe

"Dem Berufungsrichter ist darin beizupflichten, daß dem Kläger ein Anspruch auf die Pauschvergütung von 100 M monatlich nicht zusteht, weil nach den Bestimmungen des Reisekostengesetzes vom 26. Juli 1910 zur Vereinbarung und Festsetzung dieser Vergütung an Stelle der gesetzlichen Reisekosten der Oberlandesgerichtspräsident nicht befugt war; nach § 9 dieses Gesetzes war hierzu eine von dem Justizminister in Gemeinschaft mit dem Finanzminister erlassene Verfügung erforderlich. Durch die Rundverfügung vom 1. August 1914 ist nicht etwa, wie das Landgericht angenommen hat, dem Oberlandesgerichtspräsidenten die Befugnis zu einer solchen Bestimmung übertragen worden. Durch sie wurden die Provinzialbehörden nur "ermächtigt, über den Rahmen der ihnen sonst beigelegten Befugnisse hinaus Hilfskräfte insoweit zu bewilligen, als es zur Aufrechterhaltung des Geschäftsganges erforderlich ist", nicht auch, die Entschädigungen der von ihnen bewilligten Hilfskräfte abweichend von den bestehenden Vorschriften zu bemessen. Daß letzteres nicht Sache des Oberlandesgerichtspräsidenten sein sollte, ergibt sich auch aus der allg. Verfügung des Justizministers vom 29. Oktober 1914 (JMBl. S. 780); in ihr hat der Justizminister "im Einverständnis mit dem Finanzminister auf Grund des § 9 des Reisekostengesetzes vom 26. Juli 1910" die Höhe der Reisekosten der Justizbeamten für Dienstreisen zur Wahrnehmung von Dienstgeschäften bei benachbarten Justizbehörden mit Rücksicht auf die Zunahme der Zahl solcher Reisen infolge des Krieges für die Zeit nach dem 31. Oktober 1914 geregelt und in dem Schlußsatze der Verfügung bestimmt, daß, soweit nach sonstigen Anordnungen, die auf Grund des § 9 des Reisekostengesetzes allgemein oder im Einzelfall erlassen sind oder noch erlassen werden", den Beamten geringere Beträge zustehen, diese zu zahlen sind. Hieraus erhellt, daß es dem Justizminister fern gelegen hat, in der Rundverfügung vom 1. August 1914 die ihm nach dem wiederholt angezogenen § 9 nur in Gemeinschaft mit dem Finanzminister zustehende Befugnis zur Bewilligung anderer Beträge an Stelle der gesetzmäßigen Reisekosten den Oberlandesgerichtspräsidenten zu übertragen, und daß vor allem von deren Befugnis zur Festsetzung höherer Beträge keine Rede sein kann. Es bedarf daher keines Eingehens auf die Frage der Zulässigkeit einer solchen Übertragung durch den Justizminister.

Diese Ansicht steht mit dem von der Revision angezogenen Urteile des erkennenden Senats vom 26. Februar 1915 (RGZ. Bd. 86 S. 266) nicht in Widerspruch. Dort handelt es sich um den Rechtszustand vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. Juli 1910 und wird nur die Vereinbarung eines anderen als des gesetzlichen Tagegeldsatzes für zulässig erklärt, die Frage der Zuständigkeit zu einer solchen Vereinbarung aber nicht erörtert.

Die Berufung des Beklagten auf die Richtigkeit der Vereinbarung und Festsetzung der Pauschvergütung verstößt auch nach Lage der Sache nicht gegen Treu und Glauben.

Stand aber dem Kläger nur ein Anspruch auf die gesetzlichen Reisekosten zu, so ist er durch Zahlung des Mehrbetrags ungerechtfertigt bereichert worden und gemäß den auf das öffentlichrechtliche Beamtenverhältnis entsprechend anwendbaren §§ 812 flg. BGB. zur Rückzahlung des Mehrbetrags verpflichtet (RGZ. Bd. 83 S. 161). Zur Begründung seines Rückforderungsanspruchs braucht der Beklagte keineswegs, wie der Kläger meint, das Vorliegen eines Irrtums bei der Zahlung der nicht geschuldeten Beträge zu behaupten und zu beweisen, sondern dem Kläger liegt die Behauptungs- und Beweislast dafür ob, daß der Beklagte bei der Zahlung wußte, er sei zu der Zahlung nicht verpflichtet, und deshalb nach § 814 zur Rückforderung nicht befugt ist (RGZ. Bd. 60 S. 420).

Der Kläger bezweifelt endlich auch ohne Grund die Zulässigkeit der Einbehaltung des Gehalts zwecks Tilgung des Rückforderungsanspruchs des Beklagten. Die darin liegende Aufrechnung gegen die Gehaltsforderung des Klägers wäre nach § 394 BGB. in Verbindung mit § 850 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 ZPO. und der Bundesratsverordnung vom 17. Mai 1915 (RGBl. S. 285) nur dann unzulässig gewesen, wenn dem Kläger mehr als der dritte Teil des 2.000 M übersteigenden Betrags seines Gehalts einbehalten wäre. Das ist aber, da das Gehalt 7.200 M beträgt, unstreitig nicht der Fall."