RG, 12.06.1917 - II 642/16

Daten
Fall: 
Entbehrlichkeit einer Nachfrist wegen erklärter Erfüllungsverweigerung
Fundstellen: 
RGZ 90, 317
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
12.06.1917
Aktenzeichen: 
II 642/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Erfurt
  • OLG Naumburg a.S.

Unter welchen Voraussetzungen kann im Falle des § 326 Abs. 1 BGB angenommen werden, daß eine von dem Verkäufer erklärte Erfüllungsverweigerung die Nachfristbestimmung entbehrlich mache?

Tatbestand

Die Klägerin hatte von der Beklagten, die eine Malzfabrik und eine Bierbrauerei betreibt, eine größere Menge Malz gekauft. Als die Beklagte ihrer Lieferungspflicht nicht genügte, verlangte sie für zwei abgerufene Eisenbahnwagen Schadensersatz wegen Nichterfüllung, ohne zuvor eine Nachfrist bestimmt zu haben. Das Landgericht und das Oberlandesgericht erklärten den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Auf die Revision der Beklagten wurde die Klage abgewiesen.

Aus den Gründen

... "Das Berufungsgericht ist der Meinung, daß die Beklagte durch den Brief vom 5. Februar 1915, dem die Briefe vom 11. und 26. dess. Mts. bestätigend hinzuträten, die Lieferung des von der Klägerin abgerufenen Malzes bestimmt und ernstlich verweigert habe, daß der in dem Briefe vom 11. Februar von der Beklagten gemachte, von der Klägerin aber nicht beachtete und beantwortete Vergleichsvorschlag an der Erklärung vom 5. Februar nichts ändere und daß deshalb die Klägerin auch ohne Nachfristbestimmung Schadensersatz wegen Nichterfüllung beanspruchen könne. Dabei nimmt das Berufungsgericht an, daß die den Gegenstand des Schadensersatzanspruchs bildenden zwei Wagen als von der Klägerin abgerufen zu gelten hätten. Dieser, von der Revision angegriffenen, Beurteilung kann nicht gefolgt werden. Es ist daran festzuhalten, daß das im § 326 BGB. vorgeschriebene Erfordernis der Fristbestimmung nur in besonderen Ausnahmefällen wegfällt, nämlich nur dann, wenn durch eine nicht nur ernstliche, sondern auch endgültige Weigerung des Schuldners die Zwecklosigkeit der Nachfrist außer Zweifel gestellt ist. Eine solche Weigerung liegt hier nicht vor. Allerdings hat die Beklagte in dem Briefe vom 5. Februar geschrieben, es sei ihr ganz unmöglich, auch nur 100 Zentner abzugeben. Auf die Drohung der Klägerin hin, sich anderweit zu decken, hat sie aber am 11. Februar die Geneigtheit zu erkennen gegeben, der Klägerin von ihrem Brauereivorräte noch etwas zukommen zu lassen. Dieses Anerbieten ist zwar in dem Briefe an die Voraussetzung geknüpft, daß die Klägerin alle anderen Ansprüche fallen lasse. Allein dadurch ist nichts geändert an der Tatsache, daß der rein ablehnende Standpunkt des Briefes vom 8. Februar nicht mehr aufrechterhalten, sondern, wenn auch nur in beschränktem Maße, durch ein entgegenkommendes Verhalten ersetzt war. Wenn das Berufungsgericht den Brief vom 11. Februar demjenigen vom 5. Februar als einen Vergleichsvorschlag, der bedeutungslos sei, gegenüberstellt, so ist diese Behandlung nicht zutreffend. Es handelt sich hier allein um die Frage, ob die Beklagte nicht nur ernstlich, sondern auch endgültig die Erfüllung verweigert hat, und diese Frage ist nicht auf Grund dieses oder jenes Einzelvorganges, sondern unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens der Beklagten zu beantworten, im gegebenen Falle aber, da Abweichungen von der im § 326 Abs. 1 BGB. enthaltenen allgemeinen Vorschrift streng zu beurteilen sind, schon wegen der in dem Briefe vom 11. Februar bekundeten Geneigtheit der Beklagten, in weitere Erörterungen über die Erfüllung einzutreten, zu verneinen." ...