RG, 12.06.1884 - IV 56/84
Anerkennung ungültiger Geschäfte Minderjähriger durch die letzteren nach erreichter Selbständigkeit.
Gründe
"Die Klägerin leitet ihren Anspruch lediglich aus dem Vertrage vom 17. Mai 1862 her, welchen der Beklagte während der Minderjährigkeit ohne vormundschaftliche Genehmigung geschlossen hat, und die Entscheidung hängt daher allein von Beantwortung der Frage ab: ob Beklagter nach erreichter Selbständigkeit diesen Vertrag auf rechtsverbindliche Weise genehmigt hat? Dafür ist aber nicht der vom zweiten Richter angewendete §. 37 A.L.R. I. 5, sondern das für den ganzen Umfang der preußischen Monarchie gegebene Gesetz vom 12. Juli 1875 betreffend die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger maßgebend, nach dessen §. 3 die wegen fehlender Genehmigung des Vaters, Vormundes oder Pflegers unwirksamen Geschäfte Minderjähriger wirksam werden, wenn der Minderjährige nach erlangter Selbständigkeit sie anerkennt. Hierin ist nicht, wie in dem landrechtlichen §. 37, ein, die Elemente eines neuen Vertrages enthaltendes qualifiziertes Anerkenntnis des wegen Minderjährigkeit des einen Kontrahenten unwirksamen Vertrages erfordert, sondern zur Behebung dieses Mangels ein an keine Form gebundenes Anerkenntnis jenes Kontrahenten nach erlangter Großjährigkeit, woraus seine Kenntnis vom Inhalte desselben und seine Absicht und sein Wille, im eigenen Interesse dabei stehen zu bleiben, zweifellos erhellt, für genügend erklärt, wodurch dann der Einwand des Abschlusses des Geschäftes während der Minderjährigkeit beseitigt und dasselbe vom Abschlusse an rechtsverbindlich wird.1"
- 1. Vgl. Dernburg, Vormundschaftsrecht S. 111. 112.