RG, 05.06.1917 - II 606/16

Daten
Fall: 
Bundesratsverordnung vom 23. Juli 1915 gegen übermäßige Preissteigerung
Fundstellen: 
RGZ 90, 305
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.06.1917
Aktenzeichen: 
II 606/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • OLG Hamburg

Hat die Bundesratsverordnung vom 23. Juli 1915 gegen übermäßige Preissteigerung (RGBl. S. 467) Einfluß auf die sog. abstrakte Schadensberechnung des Käufers?

Tatbestand

Der Kläger hat im September 1915 von der Beklagten amerikanischen Speck gekauft. Als die Beklagte trotz Fristbestimmung nicht lieferte, verlangte er Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Das Landgericht sprach auf Grund eines über den Marktpreis erhobenen Gutachtens 36.822.20 M zu. Das Oberlandesgericht wies durch Teilurteil die Berufung der Beklagten zurück. Die Entscheidung über die Berufung des Klägers, der in erster Reihe seinen Schaden nach dem höheren Ergebnis einer sog. Ansteigerung berechnen wollte, blieb vorbehalten.

Auf die Revision der Beklagten wurde das Urteil aufgehoben.

Aus den Gründen

... "Gegenüber, der nach dem Inhalte des Berufungsurteils allein nachzuprüfenden abstrakten Berechnung des Landgerichts hat sich die Beklagte auf § 5 Nr. 1 der Bundesratsverordnung gegen übermäßige Preissteigerung vom 23. Juli 1915 berufen, wonach derjenige mit Strafe bedroht ist, der für Gegenstände des täglichen Bedarfs, insbesondere für Nahrungsmittel... "Preise fordert, die unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse, insbesondere der Marktlage, einen übermäßigen Gewinn enthalten, oder solche Preise sich oder einem anderen gewähren oder versprechen läßt." Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Verordnung sei nicht anwendbar, weil sie Forderung und Bewilligung von Preisen im Handel und beim Geschäftsabschluß im Auge habe, hier aber nur ein Schadensausgleich und überhaupt keine Ware in Frage stehe. Damit ist die Bedeutung des Einwandes der Beklagten verkannt. Die Revision weist zutreffend auf den Zusammenhang hin, der zwischen der gebilligten abstrakten Schadensberechnung und der Strafandrohung besteht. Die Zulassung einer abstrakten Berechnung der vorliegenden Art beruht auf der Vermutung, daß der Käufer die Ware, wenn sie ihm geliefert worden wäre, um den Preis hätte weiter veräußern können und weiter veräußert hätte, den andere zu der in Betracht kommenden Zeit dafür erzielt haben, und daß ihm deshalb durch das Unterbleiben der Lieferung ein dem Mehrbetrage dieses Preises entsprechender Gewinn entgangen sei. Dieser Vermutung ist der Boden entzogen, wenn der Käufer um den von anderen erzielten Preis nicht hätte veräußern können. Aber auch insoweit kann die Vermutung nicht mehr Platz greifen, als der Käufer zufolge eines gesetzlichen Verbots, wie ein solches in der erwähnten Strafbestimmung enthalten ist, um den anderwärts erzielten Preis nicht hätte weiter veräußern dürfen. Denn ein Vorteil, dessen Erlangung das Gesetz verbietet, kann nicht auf dem Umwege des Schadensersatzanspruchs zu einem von der Rechtsordnung gebilligten und schutzwürdigen werden. Das ist dadurch ausgeschlossen, daß der Schadensersatz nach § 249 BGB. nur die Herstellung desjenigen Zustandes bezweckt, der ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses bestehen würde.

Das Berufungsgericht hätte deshalb das Teilurteil, das auf der Annahme eines zulässigen Mindestgewinns des Klägers von über 20 % des Vertragspreises beruht, nicht erlassen dürfen, ohne sich mit der Frage zu befassen, ob ein solcher Gewinn mit der Bundesratsverordnung vereinbar gewesen wäre." ...